Simply Red (foto: Fiege)

Live: Simply Red in Mannheim

In den 1990er Jahren konnte man sich bei „Wetten, dass …?“ darauf verlassen: Wenn Chris de Burgh nicht da war, dann Simply Red. Fünfmal traten Mick Hucknall und Co in der Samstagabend-Show auf. Diesmal nicht. Dabei hätte es sich angeboten. Sie sind gerade auf Deutschland-Tour. Am Montag waren sie in Mannheim.

Peter Fox wusste erst nicht wie ihm geschah. Da veröffentlichte der Berliner Musiker im Oktober nach 14 Jahren mit „Zukunft Pink“ überraschend mal wieder eine Solo-Single, die auch direkt auf Platz eins der deutschen Charts schoss. Aber statt den zu erwartenden Schulterklopfern gab es da plötzlich Kritik. Vor allem im Netz. „Kulturelle Aneignung“ lautete der Vorwurf, Fox habe sich beim südafrikanischen House-Genre Amapiano bedient und das nicht eindeutig genug benannt. Der Musiker widersprach, verwies auf den begleitenden Pressetext und weiß nun auch, wie es ist, im Jahr 2022 Musik zu veröffentlichen.

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Sein britischer Kollege Mick Hucknall kann da mitfühlen. Ihm wurden derlei Vorwürfe in seiner nun schon seit 1979 andauernden Karriere auch schon gemacht. Ein blasser, rothaariger Junge aus Manchester, der sich in Soul-Musik versucht, dem wohl schwärzesten aller Genres, da es wie kein anderes mit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung assoziiert wird. Darf ein blasser, rothaariger Junge wie Hucknall also Soul-Musik machen? Und das dann auch noch so erfolgreich? Immerhin haben Simply Red so rund 50 Millionen Tonträger verkauft.

Blue-Eyed-Soul ständiges Diskussionsthema

Hucknall war nicht der erste weiße Soul-Sänger. Schon in den 1960er Jahren machten Bands wie The Righteous Brothers sogenannten Blue-Eyed Soul. Und spätestens seit in den 1980er Jahren ein Artikel im „Ebony Magazine“ zu der Thematik erschien, wird über diese in schöner Regelmäßigkeit diskutiert.

Hucknall hat in der Vergangenheit deutlich gemacht, was er von solchen Diskussionen hält. Nämlich recht wenig. „Dann hätte ein afro-amerikanischer Musiker wie Charlie Parker doch auch kein Saxofon spielen dürfen. Das wurde schließlich von einem weißen Belgier erfunden. Wo würde man also die Grenze ziehen?“, antwortete Hucknall auf einen solchen Vorwurf mal in einem Interview mit „Times Radio“. Er halte solche Debatten für ignorant. Musik solle zusammenführen und nicht spalten.

Hat an diesem Montagabend in Mannheim auf jeden Fall geklappt. Rund 12.000 Menschen im besten Alter jubelten Simply Red auf der Bühne zu, volles Haus also, man hatte ja auch lange genug auf den Termin gewartet, der wegen der Corona-Pandemie mehrfach verschoben werden musste. „We have survived“ („Wir haben es überlebt“), rief Hucknall fröhlich, als er die Bühne betrat. Ließ sich natürlich zum einen auf die in der SAP-Arena versammelte Gesellschaft im Allgemeinen, aber natürlich auch auf die Band im Speziellen anwenden. Die löste Hucknall ja bekanntlich 2010 auf, um sie dann fünf Jahre später wiederzuvereinen, nachdem er gemerkt hatte, dass sein Name allein nicht ganz so zog wie der der Band. Eigentlich eh egal, denn Simply Red, das ist im Grunde eigentlich Mick Hucknall. Auch wenn mit Saxofonist und Keyboarder Ian Kirkham sogar noch ein weiteres Gründungsmitglied der 1985 formierten Kapelle mit am Start ist. 

Simply Red in Mannheim. (foto: Fiege)

Kaum neues Material auf der Setlist

Das bis dato letzte Album der Gruppe, sinnigerweise„Blue Eyed Soul“ genannt, erschien im Jahre 2019. Kurz vor der Pandemie. Eigentlich war die laufende, aber schließlich verschobene Tour dazu gedacht, das Album zu promoten. Hätte die Tournee früher stattgefunden, so hätte sich vielleicht auch der eine oder andere Song aus diesem Album im Live-Programm wiedergefunden. Doch diesmal verzichtete Hucknall darauf, der eigene Backkatalog bietet ja auch so genug Material und vor allem eine ausreichende Hitdichte, mit der sich spielend so eine Zwei-Stunden-Show füllen lässt.

 Hucknall konzentrierte sich an diesem Abend vor allem auf seine frühen Alben – und die Fans schienen das auch genauso zu wollen. Große Glückseligkeit, als Hits wie „Stars“, „Sunrise“, „Something Got Me Started“ oder „Fairground“ zu Gehör gebracht wurden. Dass Hucknall mit „Better With You“ gegen Ende noch einen brandneuen Song mit auf die Setlist mogelte, wurde ihm da verziehen.   

Zu diesem Zeitpunkt waren dann auch schon fast zwei Stunden rum, und Hucknall hatte durchgehalten. Nicht selbstverständlich. Und das nicht nur, weil der Brite ja jetzt auch schon 62 Jahre alt ist, sondern vor allem, weil er sich noch in der Abklingphase einer Erkältung befindet. „Wenn ihr heute einen falschen Ton hört, möchte ich es auf die Erkältung schieben“, warnte der neben Ed Sheeran berühmteste Rotschopf der Pop-Geschichte mal lieber vorsichtshalber vorab das Mannheimer Publikum. Die Sorge war unbegründet. Hucknall zeigte sich stimmlich gut in Form, war überhaupt bester Laune. Der Funken sprang von ihm aufs Publikum über. 

Am Ende: drei Zugaben. Neben dem erwähnten „Better With You“ auch noch der Klassiker „Money’s Too Tight (To Mention)” (könnte als Soundtrack zur Inflation erneut ein Hit werden. Was Kate Bush kann …) und, klar, „If You Don’t Know Me By Now“ als großes Finale. 

Übrigens: Wer das Konzert verpasst hat, hat noch am 27. November in Stuttgart die Gelegenheit, Simply Red in der Nähe live zu erleben. Oder man geduldet sich bis Juli 2023 – da will die Band in der Mainzer Zitadelle Station machen.

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