Justin Timberlake (foto: tom munro)

Live: Justin Timberlake in Mannheim

Das erste Deutschland-Konzert seiner „Man Of The Woods“-Tour führte Justin Timberlake ausgerechnet nach Mannheim. Am Freitagabend hat der 37-Jährige in der ausverkauften SAP-Arena gezeigt, warum er als einer der letzten großen Allround-Entertainer unserer Zeit gilt.

Vielleicht ist es ausschließlich der Studie einer Oldenburger Forscherin zu verdanken, dass nicht 75 Prozent der männlichen Kinder in Deutschland heute Justin heißen. In den nuller Jahren war man hierzulande nämlich auf dem besten Weg dahin. Damals befand sich „Justin“ unter den Top 20 der beliebtesten männlichen Vornamen. Tendenz: steigend. Bis Astrid Kaiser 2009 in ihrer Masterarbeit herausfand, dass man seinem Kind mit diesem Namen jegliche Zukunftschancen verbauen konnte. An ihm prangte – wie an vielen anderen angelsächsischen Namen – hierzulande das Etikett „Unterschicht“, die „Dschustins“ galten in den Augen von für diese Studie befragten Grundschullehrern als eher „leistungsschwach“ und „verhaltensauffällig“.

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Nun kann man Justin Timberlake, der wie kein anderer Schuld an dem einstigen „Justin“-Boom in deutschen Kitas trägt, viel vorwerfen, aber „Leistungsschwäche“ gehört sicher nicht dazu. Der Mann ist seit seinem zwölften Lebensjahr im Show-Geschäft schwer aktiv, gab erst den Moderator des Mickey-Mouse-Clubs, dann den Boyband-Teenie-Schwarm bei N*Sync, um dann ab 2002 eine Solokarriere einzuschlagen, die ihn letztlich auf eine Stufe mit den ganz Großen seiner Zunft hievte. Nebenbei versuchte er sich nicht nur als Schauspieler, sondern glänzte auch in dieser Rolle.

Bleibt das Attribut „verhaltensauffällig“. Und klar, das ist er, wenn man das Wort aus seiner negativen Bedeutung herauslöst und es ausschließlich positiv verstanden wissen will: Timberlake ist einer, der sich von der Masse an Popstars abhebt, einer, der deutlich heraussticht. Weil er jemand ist, der sich wie kein Zweiter zu inszenieren weiß; jemand, der das Beste aus den Showbiz-Welten, in denen er sich bisher so souverän bewegte, gekonnt zu vereinen weiß.

Wenn sich seine Bühne wie ein dunkler Waldweg mit künstlichen Bäumen und holografischen Gräsern durch den gesamten Innenraum der SAP-Arena schlängelt und er dort mit seiner Band einen echten Lagerfeuer-Jam abhält, dann steckt da natürlich jede Menge Schauspiel, jede Menge Theater drin. Es ist ein gewollter Bruch, ein Moment, der im scharfen dramaturgischen Kontrast zum Rest der Show steht, in der Timberlake auf Bombast, auf ausgefeilte, gewiefte Lichteffekte zurückgreift, die vor allem seine Tanzeinlagen perfekt in Szene setzen.

Diese machen immer noch einen großen Reiz in einer Timberlake-Show aus. Auch in Mannheim waren die Choreografien erste Sahne, seit Michael Jackson hat sich kein männlicher Popstar mehr so smooth über die Konzertbühnen bewegt wie JT. Wobei Timberlakes Moves sexier wirken als jene des verstorbenen King of Pop.

Gelegenheit zum Tanzen hatte Timberlake genug. Ein Großteil der Setlist machten an diesem Abend die alten Stücke aus. Wobei das mit „alt“ bei dem Mann ja so eine Sache ist. In den 16 Jahren seiner Solokarriere hat Timberlake nur fünf Alben veröffentlicht, wenn man es streng nimmt und den 2013er Doppelschlag „The 20/20 Experience“ als eines zählt, sind es sogar eigentlich nur vier. Pausen von mindestens vier, manchmal sogar sieben Jahren zwischen seinen Platten sind bei Timberlake der Standard. Wahnsinnig viel Material ist da also in den 16 Jahren auch gar nicht zusammengekommen, aber das, was Timberlake seinerzeit auf „Justified“ (2002) und „FutureSex/LoveSounds“ (2006) rausgehauen hatte, bleibt wohl für die Ewigkeit. Songs wie „SexyBack“, „My Love“, „Rock Your Body“ oder „Cry Me A River“ sind das, was die Leute auch heute noch von Timberlake hören wollen. Das zeigten auch die Reaktionen in der SAP-Arena.

Die neueren Songs wurden mehr höflich als euphorisch rezipiert. Ob’s am Publikum lag, dass eben mehr Lust auf Retro hatte? Oder eher daran, dass die neuen Sachen nicht die innovative Durchschlagskraft wie ihre Vorgänger entfalten? Wahrscheinlich ist beides richtig. Sein neues Album „Man Of The Woods“, das Timberlake ja mit seiner Tour bewirbt, performte längst nicht so stark wie die Vorgänger – wobei natürlich die Verkaufszahlen in dem veränderten Musikmarkt nur ein unzureichender Gradmesser sind. Allerdings waren auch viele Kritiker von Timberlakes experimentellem Ansatz, R&B und Pop mit Country zu vermengen, nicht restlos überzeugt. In Mannheim sorgten die neuen Tracks aber für ein paar positive Momente. Gerade der Titeltrack „Man Of The Woods“ kommt live um einiges besser daher als auf Platte. Auch die Stärken seiner fantastischen Band, den Tennessee Kids, werden bei dem neueren Material voll ausgespielt.

Am Ende: Keine Zugabe, aber dennoch große Euphorie in der SAP-Arena. Und: wieder ein bisschen Werbung und Ehrenrettung für einen Vornamen, dem die Biebers dieser Welt in den vergangenen Jahren so schwer zugesetzt hatten.

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