Joe Bonamassa in Mannheim (foto: fiege)

Live: Joe Bonamassa in Mannheim – Die Ehrenrettung des Gitarrensolos

Was macht der beste zeitgenössische Gitarrist eigentlich, während er hinter der Bühne die Zugabenrufe abwartet? Blues-Rocker Joe Bonamassa hat in der SAP-Arena Mannheim nicht nur grandios aufgespielt, sondern auch ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert. 4000 Zuschauer waren dabei.

Irgendwann war es einfach verschwunden. Ganz plötzlich. Einfach weg. Die Rede ist vom Gitarrensolo. In den 1970er- und 1980er-Jahren gehörte es buchstäblich zum guten Ton, es machte aus einem guten einen grandiosen Song, war eine eingebaute Gänsehaut-Garantie, eine sichere Bank.  In den vergangenen Jahren ist es aber zumindest im Mainstream äußerst rar geworden, es wirkte zu breitbeinig, zu klischeebeladen, war plötzlich verpönt.

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Schade. Sollte es wieder viel öfter geben. Zu diesem Schluss konnte man jedenfalls am  Freitag in Mannheim kommen, besteht ein Joe-Bonamassa-Konzert doch gefühlt zur Hälfte aus eben solchen Gitarren-Soli. Der Musiker aus dem US-Bundesstaat New York hat es sich  zur Aufgabe gemacht, die Ehre des Gitarrensolos zu retten. Und die des Blues Rock gleich mit. Der Mann spielt seine Soli so, dass man sich in ihnen verlieren kann. Nach fünf Minuten kommt man dann wieder zu sich und wundert sich, dass immer noch der gleiche Song gespielt wird. Ist man in Zeiten von 3:30-Minuten-Songs im Formatradio oder 60-Sekunden-TikTok-Snippets ja schon gar nicht mehr gewohnt.

Zurück in Mannheim

Unter dem Motto „The Guitar Event of the Year“ war Joe Bonamassa zuletzt im Oktober 2018 in Mannheim zu Gast.  Seither hat er zwei weitere Studioalben veröffentlicht, ein Besuch lohnte sich alleine daher schon für Wiederholungstäter. Eine Handvoll Songs aus der jüngeren Schaffensphase stand auf der Setlist des Abends, wobei hier vor allem „The Heart that Never Waits“ und „Lonely Boy“ überzeugten.

Die stärkste Nummer stammte aber aus dem  „Redemption“-Album von 2018: „Self-Inflicted Wounds“, eine wunderbare, vergleichsweise langsame und  überaus intensive Ballade, die Bonamassa in Mannheim mit dem nötigen Gefühl vortrug. Der Mann ist in vorderster Linie als herausragender Gitarrist bekannt, auch gesanglich muss er sich aber nicht verstecken. Gute Laune machte auch das Otis-Rush-Cover „Double Trouble“, das Bonamassa und seine gut aufgelegte Band mit viel Spielfreude zu Gehör brachten.

Ach ja: Der dunkle Anzug? Saß. Der feine Zwirn ist auf der Bühne bei Bonamassa natürlich Pflicht, in irgendwelchen anderen Klamotten möchte man sich den 46-Jährigen auch gar nicht vorstellen.  Sein Outfit ist sein Markenzeichen. Fans diskutieren  in Internetforen über seinen Stil. Bonamassa und sein Anzug, das ist wie Suzi Quatro und ihre Leder-Kluft  oder Elvis und sein Karate-Mantel. Das gehört einfach zusammen.

Ohne Anzug geht es nicht

Die Kleiderwahl Bonamassas geht übrigens auf die Initiative des Produzenten Kevin Shirley zurück, dem einst missfiel, dass Bonamassa auf der Bühne wie irgendein dahergelaufener Typ von der Straße daherkam. Bonamassa nahm sich die Kritik zu Herzen, ging der Legende direkt nach zum nächsten TJ Maxx, legte 89 Dollar auf den Tisch – und war von nun an vorzeigbar. „Die Leute zahlen schließlich viel Geld für ein Ticket. Da will ich ihnen nicht nur musikalisch, sondern auch optisch etwas bieten. Ich könnte mich natürlich auch rülpsend auf einen Barhocker setzen und in Badelatschen und T-Shirt auftreten. Aber so bin ich nicht. Ich verstehe auch nicht, wie das bei anderen Künstlern funktioniert. Die kommen auf die Bühne und sehen aus, als kämen sie gerade aus dem Bett. Dennoch sind die Hallen voll. Das begreife ich nicht“, ulkte er zu Beginn seiner Solokarriere mal in einem Interview mit „laut.de“. Da ist er sich treu geblieben.

Das typische Stage-Outfit des Gitarristen wird durch eine Sonnenbrille komplettiert. Wobei es bei dieser weniger um den Coolness-Faktor als um die Lichtempfindlichkeit des Musikers geht. Als Accessoire einzusetzen weiß er sie trotzdem. Immer, wenn er sie mal abzieht, brandet Jubel im Auditorium auf.  

„Sloe Gin“ zum Finale

Am Ende: eine Zugabe. „Sloe Gin“. Der Song wurde 1978 ursprünglich von Schauspieler und Sänger Tim Curry („Pennywise“ in „Es“/Dr. Frank-N-Furter in „The Rocky Horror Picture Show“) gesungen, Bonamassa coverte ihn 2007 auf seinem nach dem Titel benannten Soloalbum und stellte das Original damit doch deutlich in den Schatten. Die depressive Ode an den Schlehenschnaps wurde vom Publikum mit großem Jubel angenommen, es wusste, dass diese Nummer zu den besten Momenten in Bonamassas Karriere gehört. Auf dem atmosphärischen, rund acht Minuten langen Stück spielt Bonamassa noch mal seine ganzen Stärken aus. Episch.

Zuvor hatte Bonamassa übrigens noch verraten, was er eigentlich so treibt, wenn er nach dem letzten Song  hinter der Bühne darauf wartet, dass die Zugabenrufe die richtige Lautstärke erreicht haben. „Ich versuche, in diesen drei Minuten so viel Alkohol zu trinken, wie möglich. Sie wären überrascht …“

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