Huch, sind Isolation Berlin plötzlich unter die Elektroniker gegangen? Der Titel ihres vierten Studioalbums könnte das ja fast vermuten lassen: „Electronic Babies“. Aber keine Sorge, die Kapelle bleibt sich doch weiter treu.
„Die Trostlosigkeit hat uns zusammengeführt, wir sind versunken in der Isolation Berlin. Vier gebrochene Herzen, die die Wogen der Großstadt wie Abfallprodukte der Spaßgesellschaft in die rauchigsten Bars der Stadt geschwemmt haben. (…) Dort trafen wir uns. Vereint durch unsere Hoffnungslosigkeit, durch die Trauer in unseren Augen, durch die Kälte in unseren Herzen.“
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Die Selbstbeschreibung der Band auf ihrer Facebook-Seite verrät einem schon vieles, was man über Isolation Berlin wissen muss. Seit 2012 machen Max Bauer (Gitarre/Orgel), David Specht (Bass), Simeon Cöster (Schlagzeug) und Tobias Bamborschke (Gesang und Gitarre) als Isolation Berlin schon gemeinsam Musik mit poetischen Texten. Drei Alben und mehrere EPs waren bis dato erscheinen, auf allen galt: Leid trifft Wut trifft Humor. Das musikalische Spektrum der Band reicht dabei von Pop über Rock bis hin zum Chanson, ihr Genre nennt die Kapelle selbst „Protopop“.
Mit „Electronic Babies“ legt die Kapelle nun drei Jahre nach der letzten LP „Geheimnis“ ihr viertes Studioalbum vor. Entstanden ist die Platte im hauseigenen Proto-Pop-Studio. Für zwei der elf Titel hat sich die Band Moses Schneider als Co-Produzenten mit ins Boot geholt. Ein Novum, bislang hatten Isolation Berlin immer ohne externe Hilfe gearbeitet. Man kennt sich aber schon länger. Auch ein Label-Wechsel hat es gegeben, die Jungs haben die Indie-Plattenfirma Staatsakt verlassen und beim Major-Label Universal Music angeheuert. Das alles hat aber nicht dazu geführt, dass Isolation Berlin ihrem Wesenskern verlustig wurden.
Die Band klingt immer noch so, wie man es erwartet. Das Indie-Herz schlägt erst einmal weiter – und beim Anhören der neuen Platte auch höher. Beim Hören der insgesamt elf neuen Songs fühlt man sich wie bei einem Rundgang durch Berlin. Man treibt mit Bambuschke durch die deutsche Hauptstadt, sieht die verschiedenen Charaktere praktisch vor sich, die Bambuschke in den Songs beschreibt. Die Verliebten. Die Säufer. Das Ungeziefer.
Glanzlichter gibt es auf der neuen Platte en masse. Die Liebeslieder etwa: wunderbar gefühlig, ohne dabei zu kitschig zu sein. Immer gibt es Brüche. Dreck auf dem Zuckerguss. In „In dem Park auf der Bank“ etwa singt Bambuschke: „Die Luft riecht nach U-Bahn und Zeitungspapier / Ich hab’ solche Sehnsucht nach dir.“
Kritik an der digitalen Welt
Wiederholt schießen Isolation Berlin gegen die Digitalisierung und ihre gruseligen Auswüchse, vor allem die Selbstinszenierung auf Social Media. Auf dem Titelstück „Electronic Babies“ ist da die ganze Verachtung für diese Welt zu spüren, auf dem Opener „Echt sein“ mischt sich da aber auch ein bisschen Selbstkritik dazu. Bamborschke singt: „Mit hoch erhobenem Finger / Und wild entschlossenem Blick / So stand ich wütend da / Doch da wurd mir rechtzeitig klar / Ich bin ja selber so ein Arsch“. Der Sänger hat Social Media inzwischen verlassen, sehnt sich in „Verliebt in dieses Lied“ in die gute alte analoge Zeit zurück („Die Tage waren unendlich sanft / Der liebe Gott hat uns noch alle sehr geliebt / Wir guckten Nickelodeon / Und dann kam was / Und dann kam was auf MTV“).
Und sonst? Abgründig kommt die Postrock-Nummer „Ratte“ daher; geradezu depressiv „Drugs“. Der Titel „Der Trinker“ lehnt sich clever an einen Roman von Hans Fallada und ein Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner an. Im titelgebenden Stück „Electronic Babies“ wird die ganze Verachtung der digitalen Welt. Bei dem Industrial-inspirierten „Maschine“ lehnen sich Isolation Berlin an D.A.F. an. Und Sven Regener (Element of Crime) hilft bei „Liebe tut gut“ an der Trompete aus.
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