Boris Blank (foto: Martin Wanner)

Interview: Boris Blank über sein neues Album „Resonance“ und Künstliche Intelligenz

Sein erstes Soloalbum hat Yello-Gründer Boris Blank mit über 60 vorgelegt. Jetzt erscheint sein  drittes: „Resonance“. Wie das mit dem Wohlfühlbereich eines Schwimmbads und mit quietschenden Straßenbahnen zusammenhängt, hat er Benjamin Fiege verraten.  

Herr Blank, Sie waren bekannt für Field Recordings, die Sie   in in Ihre Musik eingebaut haben. Machen Sie das immer noch?

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Es hat mir schon immer Spaß gemacht, mit Mikrofon und Aufnahmegerät loszuziehen. Ein Jäger und Sammler. Als ich damit anfing, war diese Technik ja neu. Mittlerweile habe ich  ein unheimlich großes Archiv an Sounds und Klängen.  Für mich sind diese Aufnahmen das, was für einen Maler seine Farben sind. Ich bin ein Lautmaler, ein Sample ist  der erste Klecks auf einer leeren Leinwand. Dann entstehen Konturen. Manchmal wird am Ende eine schönes Bild daraus. Und meine Bibliothek ist nicht ultimativ, sie ist nicht abgeschlossen. Es kommen immer wieder neue Aufnahmen dazu. Dafür nutze ich  die von mir entwickelte App Yellofier.

Sie finden also nach all den Jahren noch Klänge, die Sie überraschen, die Sie faszinieren?

Ja, sicher. Ein gutes Beispiel: der Klang einer Straßenbahn. Wenn die quietscht, klingt das furchtbar. Unter den richtigen Bedingungen aber, etwa in einer Regennacht, hört sie sich ganz anders an. Da hat man dann ein Geräusch, mit dem man  etwas anstellen kann, das zur Symphonie werden kann. Der Klang wird dann bearbeitet, vielleicht ein Effekt draufgelegt, Hall zum Beispiel. Und plötzlich hat man da einen Ausgangspunkt für etwas, das vielleicht mal ein Song wird.

Man würde Sie draußen auf der Straße also nicht mit Kopfhörern treffen?

Nein, ich gehe da lieber offen durch die Welt.

Stimmt es, dass der Ursprung Ihres neuen Albums in einer Auftragsarbeit für ein Schwimmbad liegt?

Ja, das war ein Auftrag für die Wellness-Therme Fortyseven im schweizerischen Baden. Es gibt dort einen Erlebnisbereich, sehr schön, mit viel LED. „Kosmos“ ist das übergeordnete Thema. Dazu habe ich das Klangbild entwickelt, einen Loop. Bei den Besuchern kam das gut an, an der Kasse wurde immer gefragt, ob man die Stücke käuflich erwerben kann. Da kam die Idee, ein Album daraus zu machen, mit minimalen Veränderungen. Für mich war das überhaupt spannend, weil es ein immersives Projekt war, wir also mit 3D-Sound gearbeitet haben. Das passt  gut zur Musik von Yello.

„Würde mich nicht einen Perfektionisten schimpfen“

Sie haben sich als Perfektionisten bezeichnet. Einen, der seine Musik schwer loslassen kann. Dann muss es schwierig sein, wenn man für so einen Auftrag eine Deadline hat.

Ja, die hat man natürlich im Blick. Ich würde mich aber nicht einen Perfektionisten schimpfen, wenn es um das kreative  Schaffen geht. Im administrativen Part aber kann ich zum Perfektionisten werden. Etwa wie bei diesem Job, wenn es darum geht, Frequenzen voneinander zu trennen, um das bestmögliche Erlebnis für den Hörer zu erzielen.

Sie haben überraschend spät Ihr erstes Soloalbum veröffentlicht. 2014, nach einigen Jahrzehnten im Geschäft. Warum so spät?

Eigentlich hat es mich nie gereizt, Solo-Künstler zu werden. Entsprechend gab es da nie einen Plan. Mein erstes Solo-Album „Electrified“ war auch nicht meine Idee, ich wurde vielmehr gefragt, ob ich denn in meinem Archiv noch unveröffentlichtes Material hätte und so ist eine Werkschau entstanden. Zu meinem zweiten Album kam es, als ich von der großartigen Jazz-Sängerin Malia wegen ein paar Demos angefragt wurde. Es hat so gut funktioniert, dass wir dann gleich ein ganzes Album gemacht haben.

Wie unterscheidet sich die Herangehensweise von der bei einem Yello-Album?

Gar nicht. Im Grunde ist es genau dasselbe. Ich komponiere die Musik. Bei Yello steuert Dieter dann am Ende die Texte und den Gesang bei. Er ist ja auch ein viel beschäftigter Mann, das geht bei ihm dann oft sehr schnell.

Dieter Meier hat mal gesagt, dass Sie jede Form der Mitarbeit nicht nur ablehnen, sondern dabei sogar physisches Unwohlsein verspüren. Geht es Ihnen bei Solo-Musik also besser?(lacht).

Also von physischen Schmerzen würde ich jetzt nicht sprechen. Aber es ist schon so, dass es mich stört, wenn mir jemand  reinredet. Ich arbeite lieber zurückgezogen und gehe mit mir selbst in Klausur.  Abgeschieden wie ein Mönch.

Werden Sie die Musik von „Resonance“ auf die Bühne bringen?

Nein, Konzerte sind nicht geplant. Aber wir basteln an einem Projekt, einer Installation, bei der man die Musik erleben kann. Da sind wir gerade dran.

Yello haben ja in ihrer jahrzehntelangen Existenz nur einmal, 2016, ein paar Konzerte gespielt. Würde ein solches  Geschäftsmodell heute noch funktionieren?

Sicher nicht. Wir waren da zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und es war damals schon nicht üblich, keine Konzerte zu spielen. Wir hatten aber das Glück, unorthodox und witzig genug zu sein, dass wir trotzdem irgendwie herausstachen und den Menschen so im Gedächtnis blieben.

Wie halten Sie’s mit der KI?

Sie galten ja immer als Innovator der elektronischen Musik. Wenn Sie jetzt auf Entwicklungen in Sachen KI schauen: Dominiert da der Innovator oder eher der Skeptiker?

Ich denke: beides. Einerseits hat man da nun eine spannende neue Technologie, die neue Möglichkeiten eröffnet. Andererseits: Ich war neulich zu Gast in einem Podcast zu dem Thema und da haben mir die Journalisten kichernd einen KI-erstellten Song vorgespielt, der offenbar nach Yello klingen sollte. Tat er aber nicht. Da fehlte jede Originalität, jede Tiefe, das war Gedudel und hier und da ploppte eine tiefe Stimme auf. Absolut katastrophal. Aber natürlich wird die KI in Zukunft einen Einfluss auf das Musikgeschäft und die Kunst haben.

Erinnert Sie die Diskussion um KI an die eigenen Anfänge in der elektronischen Musik?

Es gibt durchaus Parallelen. Als wir vor 45 Jahren anfingen, elektronische Musik zu machen, war man  schnell in einer Verteidigungshaltung, man musste viel erklären. Dass man das Handgemachte, einen Basslauf oder Schlagzeugspiel, einfach so  ersetzen konnte, wollten viele nicht verstehen. Heute leben wir in ganz anderen Zeiten, in einer durch und durch digitalisierten Welt, mit mehr Akzeptanz für den technologischen Fortschritt.

Fehlt es KI-generierter Musik an Originalität?

Ich denke, das trifft es. Noch ist sie nicht in der Lage, originell zu sein.

In einem Interview sagte Ihr Yello-Kollege Dieter Meier mal, die Originalität der Band habe darauf beruht, dass sie eigentlich nichts konnte. Ist das Understatement?

Nein, das unterschreibe ich so. Wir waren immer Dilettanten, haben kein Instrument virtuos beherrscht und hatten auch nie den großen Plan hinter unserer Musik. Vieles ist aus dem Moment heraus entstanden, aus der Situation. Wenn wir Musikvideos gedreht haben, stand da oft die Crew erstaunt um Dieter und mich herum und hat sich gewundert. Wir haben einfach gemacht, hatten immer diese kindliche Lust am Ausprobieren. Das hat zum Glück ein Publikum gefunden.

Ist im Pop denn heute überhaupt noch wirklich Neues möglich? Der britische Autor Simon Reynolds hat ja mal die These aufgestellt, dass Pop mittlerweile in einem ewigen Recycling-Zyklus feststeckt.

Da ist sicherlich was dran. Aber ich bin überzeugt, dass auch heute  noch Neues entstehen kann. Möglicherweise im Zusammenspiel mit der Veränderung von  Lebensgewohnheiten. So war es ja letztlich auch beim Techno, beim Rave. Musik und gesellschaftliche Veränderung gingen da Hand in Hand.

Gibt es noch jüngere Künstler, die Sie begeistern?

Auf jeden Fall. Mir ist wichtig, dass ich Authentizität spüre. Dass ich das Gefühl habe, da ist jemand mit seiner Musik er  oder sie selbst und hechelt nicht irgendwelchen Trends hinterher, weil sich da gerade etwas gut verkauft. Derzeit höre ich zum Beispiel afrikanischen Metal. Oder ( … geht durch seine Spotify-Liste …) „Ova“ von Biga*Ranx. Lil Slow. John Grant ist gut. Little Dragon. Es gibt da draußen immer noch viel Spannendes zu entdecken. Aber natürlich greife ich   auch gerne zu den Klassikern:  Lou Reed, Robert Palmer, Sade, Manu Chao …

Zur Person

Boris Blank, Jahrgang 1952, ist ein Schweizer Musiker und Komponist. Ende der 1970er Jahre gründete er mit Carlos Perón die Band Yello, zu der kurz darauf Dieter Meier als Stimme stieß. Die Gruppe, die seit Beginn der 1980er nur noch aus Blank und Meier besteht, landete einige Hits, darunter „Oh Yeah“ und „The Race“. Blank ist mittlerweile auch als Solomusiker aktiv.

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