Alle Farben (foto: Phil Hessler)

Interview: Alle Farben über seinen schweren Unfall, Essen auf Tour und den Generationenkonflikt in der elektronischen Musik

Frans Zimmer gehört zu den gefragtesten DJs in Deutschland. Seit seinem Durchbruch im Jahr 2012 schwimmt der Berliner, der unter dem Künstlernamen Alle Farben firmiert, auf der Erfolgswelle. Anfang 2025 warf ihn allerdings ein Schicksalsschlag aus der Bahn. Der 39-Jährige war im Januar in einen schweren Unfall verwickelt, im selben Monat richtete er sich mit einem Instagram-Post aus dem Krankenbett an seine Fans. „Ich hatte einen Schutzengel und ganz viel Glück. Ich wäre fast umgekommen“, berichtete er, ohne aber ins Detail zu gehen. Seither kämpft sich Frans ins Leben zurück. Und er ist optimistisch: Im Sommer will er wieder auf Festivals spielen. Auch beim SWR Sommerfestival in Speyer am 27. Juni. Benjamin Fiege hat mit Frans gesprochen.

Frans, das Wichtigste vorweg nach Ihrem schweren Unfall. Wie geht es Ihnen?

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Es geht mir mittlerweile schon wieder etwas besser. Ich bin aus dem Gröbsten heraus. Bleibende Schäden werde ich nicht davontragen, daher kann ich positiv in die Zukunft schauen.

Sie sind gerade in der Reha-Phase?

Ich habe keine klassische Reha gemacht, dafür viermal die Woche Physio, um wieder fit zu werden.

Gibt es da etwas, was Ihnen in dieser Zeit Optimismus und Motivation gegeben hat?

Vor allem das Ziel, wieder auf die Bühne gehen zu können. Das war ein wichtiger Anker. Und ich habe viel Unterstützung aus meinem Umfeld, vom Team und auch von Fans genossen. 

Spielt Musik da eine Rolle für Sie im Prozess?

Ja, aber vor allem der performende Punkt. Ich konnte relativ schnell wieder Musik machen, weil ich nicht allzu fit sein musste, um in einem gemütlichen Stuhl am Rechner zu sitzen. Die Zeit jetzt habe ich also zumindest zum Musikmachen genutzt. Aber die Lust wächst schnell, die Sachen live vorstellen zu können. Das ist die Motivation.

Weniger also Musikkonsum?

Ich höre viel Musik, der Unfall hat meinen Musikkonsum nicht verändert. Lediglich in der Zeit im Krankenhaus etwa habe ich keine Musik gehört. Das konnte ich nicht. Erst als ich wieder zu Hause war, habe ich immer Musik laufen lassen und bin durch die Wohnung getanzt.

Schön, dass Sie auf dem Weg der Besserung sind. Sie stecken ja schon in den Planungen für den Festival-Sommer, der Sie unter anderem auch nach Speyer bringen soll. Wissen Sie schon konkret, was Sie da auf der Bühne zeigen?

Ich schaue immer, dass ich meine Shows einzigartig mache. Einerseits durch Gast-Auftritte, aber auch durch Remixe von aktuellen Liedern, die mir gerade gefallen. Dann habe ich eigene, bislang unveröffentlichte Songs dabei. Es wird also wohl im Vergleich zum Vorjahr ein komplett neues Set geben.

Testen Sie unveröffentlichtes Material vor dem Release gerne vor Publikum aus?

Ja, total. Das mache ich sehr oft. Da gibt es verschiedene Testläufe. Mal sage ich vorher an, dass es sich um ein neues Lied handelt und fordere die Leute auf, mal reinzuhören. Da ist die Reaktion meist enthusiastischer. Unverfälschter ist die Reaktion, wenn man es mal nicht ankündigt. Da kann man dann wirklich sehen, ob ein Song funktioniert.

Haben Sie einen Song im Kopf, der durch das Publikum eine richtig krasse Veränderung erfahren hat?

Tatsächlich einer der aktuelleren. Ein Lied, das ich vergangenes Jahr auf dem einen oder anderen Festival gespielt habe. Das wird jetzt noch mal aufgebohrt. Die Reaktionen waren nicht verhalten, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, noch mal ran zu müssen. Der Song bekommt jetzt Gesang und wird schneller.

Zu einem Markenzeichen von Ihnen gehört, Live-Musiker mit auf der Bühne zu haben. Wird das auch in Speyer so sein?

Ich denke schon. Trompete oder Gesang, vielleicht sogar beides!

In der Pfalz waren Sie schon häufiger zu Gast. Sind die Pfälzer die Feierbiester, für die sie sich halten?

Ich habe zumindest sehr schöne und lang zurückgreifende Erinnerungen an die Region, auch an die weitere Region. Beim Sender SWR3 etwa war ich nach der Veröffentlichung meines Debütalbums Teil des New Pop-Festivals. Das war mein erstes richtiges Konzert als DJ. Das hat sich bei mir eingebrannt.

Wie ist Ihr Eindruck von der pfälzischen Küche? Sie betreiben ja einen Kochkanal „Alle Farben Kitchen“ auf Social Media. Saumagen habe ich da nicht entdeckt!

Ich koche sehr gerne, aber oft asiatisch. Ehrliche deutsche Küche feiere ich total, auch wenn ich mir zuhause nichts in der Richtung zubereite. Aber ich bin viel unterwegs und teste dann gerne die regionale Küche aus.

Können Sie beim Kochen gut abschalten?

Absolut. Auch wenn ich dabei immer super gestresst aussehe, bin ich tiefenentspannt. Kochen hat für mich etwas Meditatives.

Es sollte also besser niemand anderes in der Küche sein, wenn Sie kochen?

Doch, ich habe da ganz gerne Menschen um mich herum. Nur die wenigsten dürfen aber helfen, weil ich doch immer meinen Plan habe.

Wie ist das auf Tour? Kann man sich da gut ernähren?

Man ernährt sich auf Tour zwischen Himmel und Hölle. Manchmal sind wir in den tollsten Restaurants der Stadt, beim nächsten Mal reicht die Zeit gerade mal noch für einen Besuch bei einer Fast-Food-Kette. Mir fehlt da oft die Stabilität beim Essen. 

Haben Sie immer noch den Traum, mal ein eigenes Restaurant zu eröffnen?

Ja, den gibt es noch. Aber es eilt nicht. Irgendwann, wenn ich mal weniger toure, werde ich mir den Traum sicherlich erfüllen. Aktuell habe ich aber einen Food Truck, mit dem ich beispielsweise schon bei einem Festival war. Es war toll, da direkt ein Feedback von den Menschen zu bekommen. Beim Kochen für die Social Media Kanäle freut sich am Ende ja nur der Kameramann über das Essen.

Stichwort Festivals. Da treten Sie mittlerweile häufiger als in Clubs, so scheint es.

Ich habe im Herbst eine kleine Clubtour geplant, aber die fällt tatsächlich nicht so üppig aus. Ich spiele nicht mehr so viele Clubshows. Zum einen, weil viele der Songs, die ich spiele, eher Festival-Songs sind, zum anderen, weil die Clubs auch oft zu klein sind. Im Ausland, wo ich vielleicht noch unbekannter bin, sind es dann vielleicht eher noch Clubs, in denen ich auftrete.

Sie kommen aus Berlin. Das Thema „Clubsterben“ wird da heiß diskutiert. 

Ja, das passiert leider gerade. Es sind vor allem die Kleineren betroffen. Super fies, das wird einiges kulturell verändern. Eine traurige Entwicklung, das fühle ich auch, weil ich da meine Karriere gestartet habe.

Verändert das auch die Stadt? Ihren Vibe?

Noch merkt man das nicht. Erst werden die Clubs weg sein, dann die Leute – und dann wird man das merken. Aktuell gibt es noch genügend spannende Sachen, die Leute aus aller Welt nach Berlin locken. Aber wenn die Entwicklung nicht gestoppt wird, wird sich auch das Stadtklima ändern.

War die Pandemie der Brandbeschleuniger?

Die Pandemie hat das nochmal befeuert, klar, die Tendenz gab es aber auch schon vorher. Das Feierverhalten der Leute hat sich über die Jahre verändert, in der Pandemie hat sich dann nochmal eine krasse Lücke aufgetan.

Hat sich durch die Pandemie auch die elektronische Musik an sich verändert? Kritiker sagen, sie sei in dieser Zeit schneller, greller, kommerzieller, billiger, lauter geworden …

Es gibt immer die ältere Generation, die sagt: Früher war alles besser. Wenn man sich aber die Entwicklung der elektronischen Musik von damals bis heute anschaut, wird man feststellen, dass es immer Moden und Trends gibt, die sich auch wiederholen. Ich finde: Jede Generation braucht ihren eigenen Sound. Und ihre eigenen Künstler. Es ist falsch, sich dagegen zu lehnen. Es ist ja auch keine Frage des Entweder-oder. Man kann koexistieren. Es ist schade, dass da so gegeneinander gearbeitet wird.

Eine Art Generationenkonflikt also …

Zum Teil kann ich es verstehen. Wenn einer mit 40 noch gerne feiern geht und dann sind da die ganzen 20-Jährigen mit ihren Smartphones und TikTok, natürlich nervt den das dann. Vielleicht muss er sich dann aber einfach andere Veranstaltungen suchen, die besser zu seinem Geschmack passen. Die Entwicklung ist halt da, ich finde sie auch nicht partout schlecht.

Sie selbst sahen sich ja in ihrer Anfangszeit auch Kritik der Vorgänger-Generation ausgesetzt. Denen waren Sie stilistisch zu breit aufgestellt.

Ja, da gab es damals gerade auch einen Entwicklungssprung. Da hat sich die ältere Generation über mich und meine Generation aufgeregt. Jetzt regt sich meine Generation über ihre Nachfolger auf. (lacht) Viele haben mich damals auch in die falsche Schublade gesteckt. Sie meinten, ich käme aus dem Underground und warfen mir dann vor, mich an den Mainstream herangeworfen zu haben. Dabei war ich nie Underground, ich war immer etwas kommerzieller, ich wollte immer eine Melodie. Ich wollte anders sein als dieser Minimal-Techno, der bei diesen Leuten damals gerade in war. Ich bekam richtige Hass-Nachrichten in der Zeit. Damit musste ich erst einmal umgehen. Das passiert auch bestimmt gerade jüngeren Künstlern.

Was würden Sie denen raten? Wie haben Sie damit umzugehen gelernt?

Ich habe lange einfach nichts gelesen, keine Kommentare, keine Rezensionen. Jetzt mache ich es wieder, weil ich jetzt besser damit klarkomme. Mein jüngeres Ich, gerade frisch am Start, hat das alles mehr an sich rangelassen.

Man bekommt 50 gute Bewertungen und eine schlechte, letztere trifft einen dann aber …

Ja, der böse Kommentar konnte mich dann wochenlang bewegen.

Ist das alles auch eine typisch deutsche Debatte, was jetzt in der elektronischen Musik sein darf und was nicht?

Ich weiß zumindest, dass sich die Musik überall stark verändert hat, dass der Sound zum Teil wesentlich härter oder tiktoklastiger geworden ist. Ob es im Ausland diese Debatten auch gibt? Kann ich schwer beantworten, weil ich mich da jetzt nicht in den Kommentar-Spalten aufhalte.

Weil Sie TikTok ansprechen: Hat das Medium auch bei Ihnen Einfluss aufs Songwriting?

Wenn ein Song gerade entsteht, nicht. Das kommt vielleicht erst später, wenn man noch weiter dran schraubt. In erster Linie gilt aber: Ein guter Song ist immer noch ein guter Song. Auch wenn er nicht das typische TikTok-Schema hat. Nicht jeder Künstler muss auf TikTok funktionieren. Für mich ist der Live-Aspekt wichtiger als TikTok. Das TikTok-Publikum ist vielleicht auch nicht mehr unbedingt das Publikum, das auch auf Festivals geht.

Ihr letztes Album ist schon ein paar Jahre her, in der Zwischenzeit haben Sie eher auf Singles gesetzt.

Ja, der Markt ist für Alben gerade nicht gemacht. Das ist eher etwas für Liebhaber, selbst bei größeren Künstlern laufen Alben nicht mehr so wie früher. Ich hätte schon Lust, irgendwann mal wieder ein Album zu machen. Vielleicht ein Konzeptalbum. Oder eben eine Compilation mit Hits der letzten Jahre.

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