Werner Köhler (foto: swr1)

Im Interview: Werner Köhler – Der Geschichtenerzähler

Im Südwesten der Republik eine große Erfolgsstory: In seiner Show „Hits & Storys“ erzählt SWR1-Musikexperte Werner Köhler spannende Geschichten, die sich hinter berühmten Pop-Songs verbergen. Mit Benjamin Fiege sprach Werner Köhler über den Erfolg seines Projekts, den gesundheitlichen Zustand des Radios und den Bedeutungsverlust von Musik.

Herr Köhler, Ihre „Hits & Storys“-Show läuft nun bereits in vierter Staffel. Die Shows, so liest man, sind stets gut besucht. Hat Sie der Erfolg überrascht?

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Total überrascht. Am Anfang hatte ich tatsächlich massive Zweifel, ob man das Publikum dazu bringen kann, im Rahmen eines Rockkonzerts Geschichten zu lauschen. Wirklich zuzuhören, auch in stillen Momenten. Ein ähnliches Format gab es ja vorher nicht. Schon die erste Staffel 2016 lief aber sehr erfolgreich, und die anderen, die danach kamen, zum Glück ebenfalls.

Man könnte den Erfolg als Indiz dafür werten, dass das Medium Radio doch noch nicht tot ist.

Ja, das sehe ich auch so. Seit 15, 20 Jahren, also seit das Internet seinen Siegeszug angesetzt hat, wird prophezeit, dass das Radio den Bach runtergeht. Das Gegenteil ist aber der Fall, das sieht man auch an den Einschaltquoten. Die sind doch ziemlich stabil. Und das hat auch etwas mit der Musik zu tun, mit der Emotion, die da vermittelt wird. Sicher, Musik-Playlists kann ich mir heutzutage ebenso gut über Streaming-Dienste zusammenstellen, aber das ist einfach nicht dasselbe.

Sie selbst sind überzeugter Radio-Mann? Oder haben Sie mal mit dem Fernsehen geflirtet?

Nein. Das kann ich mit Bestimmtheit sagen. Fernsehen wäre für mich nichts gewesen. Ich bin Radio-Mann. Das liegt mir eher. Das Schnelle, das Direkte, das umgehend auf Sendung gehen Könnende. Im Fernsehen muss man sich mit lauter Sachen beschäftigen, die mich nicht so interessieren. Kamera, Schnitt und so weiter. Da ist man beim Radio flexibler.

Als Radio-Mann, der ja sonst eher im Studio sitzt, ist der direkte Kontakt mit dem Publikum für Sie ja keine Alltäglichkeit. Ist man da auf der Bühne nervös?

Ich bin immer nervös! Das war ich schon, als ich als Musiker auf der Bühne stand. Ich dachte, das wird im Alter besser, aber das ist nicht der Fall. Meistens legt es sich dann, wenn ich ein paar Minuten auf der Bühne stehe und alles ins Rollen kommt. Es ist nicht so, dass mich die Nervosität komplett lahmlegt, dass ich vor lauter Zittern keinen Ton mehr rausbringe. Man hat halt diesen Kloß im Bauch. Aber ich habe kürzlich ein Interview mit Senta Berger gelesen, dass sie die Probleme mit ihren 77 Jahren immer noch hat. Da habe ich das dann auch für mich akzeptiert.

So ein Publikum ist ja immer unberechenbar. Waren Sie schon in der Situation, dass eine Idee, die am Schreibtisch funktioniert hat, dann auf der Bühne in die Binsen ging?

Zum Glück werden solche Dinge normalerweise in den Proben ganz gut herausgefiltert. Ich erinnere mich, als ich für ein James-Bond-Song-Segment in unserer Show mal geplant hatte, im Miss-Moneypenny-Outfit auf die Bühne zu gehen und unserem Bandleader Peter Kühn einen geschüttelten Martini zu reichen. Das hatten wir dann geprobt und der Rest der Truppe fand das zu albern: So kannst du nicht auf die Bühne gehen, haben sie mir gesagt. Da höre ich dann natürlich drauf.

Aber es gibt natürlich immer diese Zweifel, ob diese Wechsel zwischen Spaß und Stille, vielleicht auch traurigen Momenten, und das innerhalb einer Geschichte, tatsächlich auf der Bühne funktionieren. Bisher ist das aber zum Glück ganz gut gelungen.

Ich habe in einem Interview von Ihnen gelesen, dass ein Großteil der Geschichten, die Sie auf der Bühne erzählen, aus eigenen Interviews stammt, die Sie geführt haben.

Ja, das war zumindest in den ersten Staffeln so. Und sie sind natürlich auch immer noch der Grundstock. Ich greife aber mittlerweile auch auf Material aus Interviews von Kollegen oder auf Autobiografien zurück. John Lennon etwa, um den es viel in der neuen Show geht, habe ich nicht selbst getroffen. Wichtig ist mir aber, dass das, was ich auf der Bühne erzähle, aus erster Hand kommt. Also ein O-Ton eines Künstlers ist und dass es nicht aus Sekundärliteratur stammt. Und dass natürlich die Dramaturgie stimmt.

Wie wählen Sie die Geschichten aus Ihrem großen Fundus denn dann aus? Bestimmen Sie allein? Oder ist das ein demokratischer Prozess?

Ich bespreche mich da vor allem mit meinem Bandleader Peter Kühn. Wir bringen beide unsere Ideen ein, schauen, was sich auf der Bühne umsetzen lässt und was nicht. Ich sehe uns da als gleichberechtigte Partner. Von Peter stammt etwa die Idee, Songs der britischen Band Marillion mit ins neue Programm aufzunehmen. Zu der Gruppe hatte ich zunächst gar keinen Bezug, aber zu ihren Songs wie „Kayleigh“ ließen sich dann doch tolle Geschichten finden.

Entsprechend wird dann auch die Band ans Programm angepasst?

Die Band Pop-History besteht in ihrem Kern schon länger, aber wir holen in jeder Staffel ein, zwei Gastmusiker dazu, je nach Schwerpunkt. Diesmal haben wir etwa ein Saxofon neu dabei. Das ermöglicht uns dann, Songs wie „Baker Street“ auf die Bühne zu bringen.

Inwiefern berücksichtigen Sie denn auch zeitgenössische Songs?

Das versuchen wir auch immer wieder. Aber nicht ganz aktuelle, die wahre Geschichte eines Songs erfährt man ja oft erst lange nach Erscheinen. Aber wir haben zum Beispiel Nummern von Amy Macdonald dabei. Im Wesentlichen sind es aber Songs aus den 60ern, 70ern und 80ern.

Sie hatten ja schon den einen oder anderen großen Namen am Mikro. Gibt es noch Stars, bei denen Sie nervös werden?

Nein, das ist mittlerweile nicht mehr so. Zu Beginn meiner Radiokarriere war das schon eher der Fall. Ich erinnere mich, wie ich mal Gary Brooker von Procol Harum („A Whiter Shade Of Pale“) interviewen sollte. Ich war schon eine halbe Stunde früher beim Termin, hatte mir jede Frage aufgeschrieben, bin alles mehrfach durchgegangen, weil ich Angst hatte, dass mich mitten im Gespräch mein Englisch im Stich lassen könnte. Es lief dann aber zum Glück sehr entspannt – und Gary Brooker war ein echt netter Gesprächspartner.

Gab es da besonders schräge Situationen, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind?

Oh ja, die gab es. Huey Lewis etwa hat mich mal wirklich hochgenommen. Da hatte ich eine ziemlich weite Anreise auf mich genommen, und dann kam er eine halbe Stunde zu spät, mit verstrubbeltem Haar und offensichtlich schlecht gelaunt, und gab mir zunächst nur Ein-Wort-Antworten. Als ich schon innerlich fast resigniert hatte, hat er mir dann auf die Schulter geklopft, gelacht, und mir gesagt, dass das nur ein Spaß gewesen sei. Danach hatten wir ein gutes Gespräch. Meiner Erfahrung nach sind die älteren Rockstars oft zugänglicher und dankbarer, weil sie wissen, was sie ihren Fans zu verdanken haben. Jüngere tragen oft mehr Allüren mit sich herum. Eines meiner liebsten Interviews war vor wenigen Jahren mit Udo Lindenberg, der damals ehrlich erfreut schien, dass da extra einer aus Mainz wegen ihm nach Hamburg gefahren kam, um mit ihm zu sprechen.

Sie selbst sind ja studierter klassischer Musiker. Haben Sie je einen Unterschied zwischen U- und E-Musik gemacht?

Gar nicht. Für mich gibt es nur gute oder schlechte Musik. Für mich ist ein Schubert-Werk genauso wichtig wie eine gute Beatles-Nummer. Ich kann beides genießen – und lege mir auch beides zu Hause auf.

Welche Relevanz hat denn Musik in Ihren Augen heute noch?

Es hat natürlich ein Bedeutungsverlust stattgefunden, das ist klar. Musik, das hatte früher auch etwas mit Lebensweise, Lebensstil zu tun. Heute wird sie eher konsumiert, sie ist jederzeit verfügbar, man gibt kaum noch Geld für sie aus.

Ist Ihre Show da auch ein Versuch, Musik zumindest für diesen einen Moment wieder mit Bedeutung aufzuladen?

Auf jeden Fall! Wir möchten den Wert der Musikstücke, die wir vorstellen, an diesen Abenden herausarbeiten – und ihnen so ihre Bedeutung zurückgeben.

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