Mit „All Of Us Flames“ legt die US-Musikerin Ezra Furman den letzten Teil einer Album-Trilogie vor, die mit „Transangelic Exodus“ begann und mit „Twelve Nudes“ eine Fortsetzung erlebte.
Es war schwer was los bei Ezra Furman in den vergangenen Jahren. Nach „Twelve Nudes“, dem bis dato letzten Studioalbum, steuerte sie nicht nur den Soundtrack zur erfolgreichen Netflix-Serie „Sex Education“ bei, sondern identifizierte sich auch öffentlich als Trans-Frau und wurde Mutter. Und dann kam, wie bei uns allen, auch die Pandemie dazu – und brachte alles durcheinander.
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Furman hat die Zeit aber genutzt, um an einem neuen Album zu basteln. „All Of Us Flames“ ist in diesem Sinne also eine waschechte Pandemie-Platte. Geschrieben hat sie die Songs dabei irgendwo in Massachussetts, an verschiedenen Orten. Genauer: An ruhigen Orten, denn in ihrem Haus war es voll und laut, wie Furman sagt. Die Songs, die ihr dabei in den Sinn kamen, drehten sich stark um Themen wie Gemeinschaft und Fürsorge-Netzwerken. Überlebenssysteme, die zwangsläufig von Menschen kultiviert wurden, die ihrer historisch beraubt waren. „Das ist ein Erste-Person-Plural-Album,“ sagt Furman. „Es ist ein queeres Album für jene Phase in deinem Leben, wenn du begreifst, dass du kein einsamer Wolf bist, sondern deine Familie, deine Leute findest und viel davon abhängt, wie du als Teil eines großen Ganzen funktionierst. Ich wollte Songs für all jene machen, die sich immer wieder bedroht sehen: Trans-Menschen und Juden.“
Inspiration bei Dylan und 60s-Girl-Groups
Inspiration holte sich Furman dabei von Bob Dylan. Genauer: den Dylan-Alben der 1980er Jahre, deren Vibe sie als ein bisschen bitter, aber auch als ein bisschen hoffnungsvoll beschreibt. Dazu bediente sie sich am Sound der 1960er-Jahre-Girl-Groups, vor allem bei den Shangri-Las und den Ronettes. Furman: „Ich habe ‚Dressed in Black‘ von den Shangri-Las Hunderte Male gehört. Als ich gerade dabei war, meine Songs zu schreiben, las ich, dass Mary Weiss von den Shangri-Las immer eine Kanone in ihrer Handtasche auf Tour dabei hatte. Ein Mädchen oder eine Frau zu sein, das bedeutet auch mit viel Gewalt konfrontiert zu werden. Alles ist süß einerseits, aber Menschen versuchen, dich umzubringen. Das ist das Leben. Das ist das Leben einer Frau.“
Zu den Highlights der neuen Platte gehört neben der kathartischen Lead-Single „Forever in Sunset“ denn auch die Verbeugung vor den Shangri-Las, sinnigerweise ebenfalls „Dressed in Black“ genannt. Ein eskapistischer Song, in dem Furman davon träumt, mit ihrem Lover an einen sicheren Ort zu fliehen. Im Kontrast dazu steht „Lilac and Black,“ in dem Furman und ihre „queer girl gang“ davon sinnieren, ihre Unterdrücker zu vertreiben. Auch das soulig-gefühlige „Point Me Toward The Real“ bleibt hängen.
„Das Album ist eher biblisch als politisch informiert“, sagt Furman. „Die Wahrheit, sowohl die aktuelle als auch die alte, ist, dass es den Reichen erlaubt ist, die Armen zu töten. Verachteten Menschen wird ihr Leben ruiniert oder wie selbstverständlich genommen. Die Bibel ist besessen davon, die Schwachen aufzurichten. Menschen, die keine Rolle spielen, sind Gottes Hauptanliegen.“ Und so bezieht sich der Titel des neuen Furman-Albums auch auf eine Bibelstelle: „I want there to be a book of our names / None of them missing / None quite the same / None of us ashes / All of us flames.“
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