Björk ist zurück: Die isländische Avantgarde-Künstlerin hat soeben mit „Fossora“ ihr zehntes Studioalbum vorgelegt. Es ist ihr erstes nach fünf Jahren Veröffentlichungspause. Und: Es will entdeckt werden. Man muss sich also mal wieder reinfuchsen.
„Fossora“? Nie gehört? Kein Grund, sich weniger intellektuell zu fühlen als vorher. Denn die Nichtkenntnis ist hier mitnichten eine Bildungslücke. „Fossora“ ist eine Wortschöpfung, die Björk selbst kreiert hat. Es ist eine Art weibliche Version des lateinischen Wortes für „Ausgräber“ und eine Reflexion über Wurzeln, Erdung, Liebe und Familie im Kontext einer unterirdischen Pilzwelt.
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Das Bild, das Björk da entwirft, kommt natürlich nicht von ungefähr. Die umtriebige Künstlerin, die sich ja längst nicht auf Musik festlegen lässt, nistete sich während der Pandemie lange genug in ihrer Heimat Island ein, um Wurzeln zu schlagen – sowohl buchstäblich in ihrer Heimatstadt Reykjavík als auch symbolisch. Während Björks letztes Album, das von der Kritik hochgelobte „Utopia“ von 2017, eine Stadt in den Wolken war, ist „Fossora“ also das musikalische Gegenteil: ein erdverbundenes, natürliches Ökosystem aus Bassklarinetten und druckvollem Bass.
Sperrigkeit als Konzept
Die stärksten Tracks: „Sorrowful Soil“ und „Ancestress“. Jeweils Tribute an Björks im Jahr 2018 verstorbene Mutter Hildur Rúna Hauksdóttir. Erstgenannter Song wurde geschrieben, als die Frau Mama noch lebte, der zweite nach ihrem Tod. Sehr persönlich, sehr intim, dadurch natürlich auch auf eine gewisse Weise zugänglich. Das gilt – man kennt Björk – natürlich beileibe nicht für den Rest der Platte (sieht man mal von dem vergleichsweise harmonischen „Ovule“ ab). „Fossora“ ist mal wieder nichts fürs Radio. Und das ist auch so gewollt.
Wobei in Sachen Sperrigkeit die Single „Atopos“ den Vogel abschießt. Hier stehen zunächst sechs Bassklarinetten im Vordergrund. Dann stößt aber noch Kasymin dazu, eine Hälfte des indonesischen Techno-Duo Gabber Modus Operandi. Sein Einfluss ist vor allem zum Ende von „Atopos“ unüberhörbar. Verbunden mit Björks Gesang ist das alles nur schwer zu fassen, so ehrlich muss man sein. Besser macht sie es in „Victimhood“. Ihrer einzigartige Stimme verleiht diesem Song etwas besonders Magisches.
„Atopos“ ist hier übrigens nicht der einzige Song, der als Kollaboration durchgeht. Die Platte enthält unter anderem auch Beiträge von der Band serpentwithfeet, Björks Sohn Sindri und Tochter Ísadóra, dem Klarinettensextett Murmuri, dem Hamrahlíð-Chor, Emilie Nicolas, Sideproject sowie El Guincho.
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