Birgit Weyhe - Rude Girl (foto: avant-verlag)

Birgit Weyhe – Rude Girl

Erscheinungsdatum
März 1, 2022
Verlag
Avant-Verlag
Unsere Wertung
9

In „Rude Girl“ zeichnet die Comic-Künstlerin Birgit Weyhe die außergewöhnliche Biografie einer schwarzen US-Germanistik-Professorin nach – und setzt sich dabei unter anderem mit Themen wie Rassismus, kultureller Aneignung und Kapitalismus auseinander.

Birgit Weyhe, Jahrgang 1969, gehört zu den spannendsten deutschen Comic-Künstlerinnen der Gegenwart.  Die Münchnerin, die ihre Kindheit und Jugend in Ostafrika verbracht hat, lässt sich für ihre Arbeiten gerne von Menschen und Geschichten inspirieren, die kulturell und emotional zwischen Europa und Afrika treiben. Und auch ihr Artwork verbindet Elemente aus europäischer Comic-Tradition und afrikanischer Ikonografie. Keine Frage: Weyhes Werke haben eine ganz eigene Ästhetik.

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Die Idee zu „Rude Girl“ ist aus einem Projekt heraus entstanden: Zwischen 2017 und 2019 hat Weyhe für die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ die Comicstrip-Reihe „Lebenslinien“ produziert. In dieser hat sie Lebensgeschichten von Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrungen aufgegriffen. Dabei traf sie auch auf die amerikanische Germanistik-Professorin Priscilla Layne. Diese kam als Tochter von Einwandern aus Barbados in die USA, wuchs in Chicago auf und war ein Großteil ihres Lebens eine Außenseiterin. Den Weißen war sie zu schwarz, den Schwarzen zu weiß, den karibischen Frauen zu bubenhaft – und dann war auch immer noch das Geld knapp. Als Jugendliche entwickelte Layne ein Interesse an der deutschen Sprache und Kultur. Als „Rude Girl“, als Mitglied der linken Skinhead-Subkultur, verschlug es sie sogar nach der Wende nach Berlin, wo sie zwischen Punk-Konzerten, Spätis und WG-Plena Deutsch lernte.

Kritischer Dialog mit ihrer Hauptfigur

Aus der Begegnung zwischen Priscilla Layne und Birgit Weyhe erwuchs erst ein Mini-Comic und in drei Jahren Arbeit nun die Graphic Novel „Rude Girl“, die auf über 300 Seiten von dieser exemplarischen und doch so außergewöhlichen Einwandergeschichte erzählt. Der Clou: Birgit Weyhe macht auch ihr eigenes Schaffen – vor allem ihre Comicerzählungen aus und über Afrika – zum Gegenstand ihrer Graphic Novel. Welche erzählerischen Grenzen gibt es für sie als weiße Autorin, die Geschichten über People of Color erzählt? Wo fängt die viel diskutierte kulturelle Aneignung an? Warum sind zunächst alle Figuren weiß gezeichnet? Und ist das tiefe Schwarz nicht genauso falsch?

Layne taucht überdies in sogenannten Korrektur-Kapiteln auf, die die Graphic Novel gleich mehrfach unterteilen. Auf dieser Erzählebene kommentiert Layne vorangegangene Seiten, korrigiert, löst Missverständnisse auf und gibt die eine oder andere interessante Erklärung ab. Dadurch entsteht ein spannender meta-fiktionaler Dialog, eine Kooperation zwischen Künstlerin und ihrem „Gegenstand“, der aus der Comicerzählung weit mehr macht als eine bloße Biografie.

„Rude Girl“ ist am Ende nicht nur die Erzählung einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte, sondern auch ein Werk, das einen nachdenklich zurücklässt und einen dazu zwingt, sich mit den eigenen Privilegien auseinanderzusetzen. Das aber, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben.

9
Wertvoll.

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