Mit „What Happened To The Heart?“ legt die Norwegerin Aurora ihr nunmehr viertes Album vor. Ein Album, in das die Norwegerin viel Weltschmerz gepackt hat.
Alles begann mit einem offenen Brief. Im April 2022 las Aurora ein Schreiben, der sie zum Nachdenken brachte. „We Are The Earth“ lautete das Schriftstück und wurde von indigenen Aktivisten mitverfasst. Er rief zum Handeln auf, ja, man könnte sagen: zur Revolution. Es ging darin um die globale Erwärmung und die Frage, wie man das Land heilen könnte. Die Indigenen beschrieben, mit dem Land „durch unsere Herzen“ verbunden zu sein, und die Erde als „das Herz, das in uns pulsiert“. Nach dem Lesen stellte sich die immer etwas elfenhaft daherkommende Aurora die Frage: Was ist mit dem Herzen passiert?
anzeige
„Alles, was wir tun, dreht sich um Gier, um Geld, um Massenkonsum, um Kapitalismus“, sagt Aurora. „Es gibt überall Krieg, Länder stehen unter Wasser, Blumen in der Antarktis. Wir ruinieren unser Land, misshandeln unsere Tiere, unsere Kleidung und uns gegenseitig. Wir haben aufgehört, aus dem Herzen zu führen.“ Und so begann die 27-jährige norwegische Art-Pop-Musikerin Bücher über die menschliche Anatomie zu studieren. Sie wollte verstehen, wann und warum in der westlichen Kultur das Herz nur noch rein funktional betrachtet wurde.
Menschlichkeit und Spiritualität
Die Frage wurde auch zum Leitfaden für das nun vorliegende Album „What Happened To The Heart?“, dem Nachfolger ihres 2022er Machwerks „The Gods We Can Touch“. Hier geht es um das Fehlen von Spiritualität in der heutigen westlichen Gesellschaft, um fehlende Menschlichkeit, fehlende Empathie. Musikalisch umhüllt wird das Ganze aus einer Mixtur aus (Art-)Pop, Techno und Folk.
Zu den Glanzlichtern gehört dabei etwa das an Kate Bush erinnernde „To Be Alright“. Oder die düstere Elektro-Pop-Nummer „Some Type Of Skin“. Auch die Techno-Nummer „Starvation“, produziert von Nicolas Rebscher, bleibt haften. Hier gibt sich Aurora technologiepessimistisch, macht KI als großes Problemfeld aus, in dem Frauen ausgenutzt werden. In „When The Dark Dresses Lightly“ sitzen bei einer eindringlichen, folkloristischen Melodie Herz und den Verstand an einem Tisch und trinken zusammen. Das Klirren der Gläser inklusive.
Düster und doch verspielt
Obwohl das Album hier und da ziemlich düster ist, hat sich Aurora dabei doch eine Verspieltheit bewahrt. Sie arbeitete mit Lieblingskünstlern und -produzenten aus Norwegen zusammen, von Ane Brun bei „My Name“ bis Matias Tellez bei „Invisible Wounds“. Bei einigen Tracks spielt sie selbst Schlagzeug, es wurden ein Fiedelspieler und ein traditioneller chinesischer Pipa-Spieler eingebracht- Und einige Songs enthalten ein „wunderschönes Mandolineninstrument aus den 60ern“, sagt sie.
Es gibt sogar einen Disco-Song, „Do You Feel?“, produziert von ihrem langjährigen Kollaborateur Magnus Skylstad. „Es macht keinen Sinn, ich habe keine Ahnung, warum er auf dem Album ist“, lacht Aurora. „Aber meine Schwester wurde in den 80ern geboren und ich dachte irgendwie an sie. Und mir gefiel die Idee, einen Song zu haben, der keinen Sinn ergibt.“
Und zeichnet sich Kunst nicht am Ende durch das Fehlen jeglichen Sinns aus? Vom Fehlen jeglicher Funktion? Und da sind wir doch auch schon irgendwie wieder beim Thema …
anzeige