Allison Russell - Outside Child (foto: fantasy records)

Allison Russell – Outside Child

Erscheinungsdatum
Mai 21, 2021
Label
Fantasy Records
Unsere Wertung
9
Anspieltipps
Nightflyer
Montreal
Persephone
4th Day of Prayer
The Runner
9
Geht unter die Haut.
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Dichterin, Sängerin, Songwriterin, Multi-Instrumentalistin – Allison Russell ist eine Frau mit vielen Talenten. Die Mitbegründerin der Bands Our Native Daughters und Birds of Chicago hat mit „Outside Child“ gerade ihr Solo-Debüt vorgelegt. Und das geht unter die Haut. Auf der von Dan Knobler produzierten Platte kehrt die Kanadierin ihr Innerstes radikal nach außen – und offenbart ihre schwierige Jugend in allen Einzelheiten.  

Selten, wirklich nur ganz selten erreicht Musik ein Level an Authentizität, die so schmerzhaft wahrhaftig ist, dass man als Hörer fast ein schlechtes Gewissen bekommt. Allison Russell hat so eine Platte vorgelegt. Eine Platte, auf der sie ein schweres Trauma verarbeitet; eine herzzerreißende Reflexion über eine Kindheit, die niemand ertragen sollte. „Ich wurde vor allem von meinem Adoptivvater missbraucht. Das ging ungefähr zehn Jahre. Darüber zu reden, ist Teil meiner Heilung. Ich denke, wir müssen anfangen, darüber zu sprechen, wenn wir etwas ändern wollen“, sagte Allison Russell jüngst im Interview mit dem „Deutschlandfunk Kultur“. Und im Gespräch mit „No Depression“ fügte sie hinzu: „Er war ein white supremacist, ein Heuchler. Es hat Jahre gedauert, bis ich realisiert habe, dass dieser Missbrauch für ihn auch seine Art war, mich zu versklaven.“ Sie sei als Teenager dann von zu Hause weggelaufen, habe jahrelang obdachlos auf den Straßen ihrer Geburtsstadt Montréal gelegt. Teils hat sie sogar auf Friedhöfen übernachtet.

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Letztlich war es die Musik, die Allison Russell rettete. Die Frau hat die Kurve gekriegt, ist heute stark, hoffnungsvoll, lebensfroh. Und vor allem: couragiert. Es gehört eine Menge dazu, derlei schmerzhafte Erfahrungen mit der Welt zu teilen. Vor allem, wenn man, wie Russell, gar nicht mal so gern an vorderster Front steht, sondern sich immer am liebsten in einem Bandkollektiv sah, das einem ja auch eine gewisse Geborgenheit, einen gewissen Schutz gewährt. Sie tut das nicht nur, um Herrin über ihre eigene Geschichte zu werden, als eine Art Akt der Rückgewinnung, sondern auch um das Augenmerk auf das Thema Missbrauch von Minderjährigen zu lenken. Um Betroffenen so Mut zu machen und Hoffnung zu spenden.

„Es fühlt sich wie Magie an“

Entstanden sind die elf Songs in Nashville, die ersten schon 2019, nachdem Russell gerade eine Schreibblockade überwunden hatte. Für die Musikerin ist Nashville ein Ort der Heilung, der Mutterschaft, der Partnerschaft – und vor allem: eine neue Heimat. Das Album enthält Beiträge von vielen der künstlerischen Familienmitgliedern, die sie dort gefunden hat, darunter Yola, Erin Rae, The McCrary Sisters, Ruth Moody, Produzent Dan Knobler, Jamie Dick, Joe Pisapia und ihr Partner JT Nero. „Es ging einfach darum, diese Songs auf die ehrlichste Art und Weise zum Leben und Atmen zu bringen“, sagt Russell. „Wir haben gelacht, wir haben geweint. Und die Verbundenheit zwischen den Musikern, ich hoffe, die Leute können das auf der Platte hören. Es fühlte sich wie Magie an.“ 

Es klingt auch genauso. Magisch. Musikalisch bewegt sich das Ganze zwischen Blues, Folk, Country und Chanson, sogar ein bisschen Gospel. Die Texte: oft herzzerreissend, unter die Haut gehend, poetisch. Wie etwa im Song „4th Day of Prayer“, in dem Allison die Vergewaltigungen durch ihren Adoptivvater verarbeitet („father used me like a wife“), während ihre nichts ahnenden Freunde ihr ständig weismachen wollten, dass sie gerade die beste Zeit ihres Lebens durchmachte. „‚These are the best years of your life‘ … If I’d believed it, I’d have died … Something told me that they lied“.

„Outside Child“ ist aber eben auch vor allem ein Album, das Russells Reise Richtung Erlösung schildert. In „Persephone“ schildert sie, wie sich sich erstmals einer Klassenkameradin anvertraute. Ihre erste Liebe. Und in „Nightflyer“ singt Russell über die heilende Kraft der Mutterschaft und nutzt die Weite des Tracks, um die Stärke zu vermitteln, von der sie nicht wusste, dass sie sie hat. Die Zeile „I am the mother of the evening star / I am the love that conquers all“ ist „die trotzigste, triumphierende, hoffnungsvolle Zeile, die ich je geschrieben habe… sie handelt von der Geburt meiner Tochter und wie sie mich verändert hat.“

Schön, dass Russell uns an ihrem Triumph teilhaben lässt. Eine Platte, die inspiriert.

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