Simon McBride hat große Fußstapfen zu füllen. Der Nordire hat bei Deep Purple die Nachfolge der Gitarren-Götter Steve Morse und Ritchie Blackmore angetreten. Gerade ist mit „=1“ das erste Album in dieser neuen Besetzung erschienen. Die Hard-Rock-Legenden werden es im Oktober unter anderem mit nach Mannheim bringen. Benjamin Fiege sprach mit McBride über seinen Einstieg bei Deep Purple, den Empfang durch die Fans und den Gig in der Quadratestadt.
Simon, Sie sind seit 2022 der neue Mann an der Gitarre bei Deep Purple. Wie kam es dazu?
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Die Band kam Ende 2021 auf mich zu und fragte mich, ob ich für ein paar Shows einspringen könnte, da ihr Gitarrist Steve Morse sich um seine an Krebs erkrankte Frau kümmern wollte. Das tat ich dann auch, im Mai 2022. Im Sommer kam die Band dann wieder auf mich zu. Irgendwann war es dann klar, dass Steve die Band komplett verlassen musste, weil er seine Frau nicht mehr alleine lassen konnte. Es ging ihr leider immer schlechter. Mittlerweile ist sie verstorben. Ich wurde dann gefragt, ob ich der permanente Gitarrist der Band sein wollte. Für mich ist das bittersüß, weil es natürlich einerseits eine große Ehre für mich ist, aber die Umstände natürlich traurig sind.
Sie hatten ja eine Solo-Karriere am Start. Wie schwer war da die Entscheidung, sich voll auf Deep Purple einzulassen?
Es kommt ja nicht jeden Tag vor, dass eine der ikonischsten Rockbands der Welt einen fragt, ob man mit ihnen spielen will. Das war also eine sehr einfache Entscheidung. Ich wäre ja mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen, da abzusagen. Wenn so eine Gelegenheit anklopft, muss man die verdammte Tür öffnen. Ich wusste ja auch, worauf ich mich einlasse, ich habe mit allen Jungs ja schon in diversen Konstellationen gespielt.
„Die Band war immer in Bewegung“
Sie sind jetzt der Nachfolger von legendären Gitarristen wie Steve Morse, Ritchie Blackmore oder Tommy Bolin. Verspüren Sie da Druck?
Nein, nicht wirklich. Natürlich weiß ich, dass ich verglichen werde. Aber bei Deep Purple war es immer so, dass sich die Dinge weiterentwickelt haben. Die Band war immer in Bewegung. Kein Gitarrist hat versucht wie seine Vorgänger zu klingen.
Man möchte nicht zur eigenen Tribute-Band werden …
100 Prozent korrekt. Ich möchte weder Ritchie noch Steve sein, sondern Simon, ich bringe andere Einflüsse mit. Nur so kann ich meine beste Arbeit liefern. Diese Freiheit habe ich auch. Wenn ich versuchen würde, jemanden zu kopieren, wäre die Band zu Recht sauer auf mich. Es beginnt ein neues Kapitel.
Wie würden Sie denn ihren eigenen Stil beschreiben?
Es ist schwer, sich selbst einzuordnen. Man denkt darüber ja nicht nach, sondern spielt einfach. Wir sind alle Produkte unserer Einflüsse, ich bin in den 1980ern aufgewachsen, da liebte ich den Sound von Gary Moore und Steve Lukather. Auch Joe Satriani und Paul Gilbert mochte ich.
Wie hat sich Ihr Leben seit dem Beitritt zu Deep Purple verändert?
Dramatisch! Ich bin jetzt unheimlich viel unterwegs. Das war im ersten Jahr besonders schwierig, weil wir da gerade Covid hinter uns gebracht hatten, wo wir jeden Tag zu Hause waren. Es macht aber sehr viel Spaß, ich bin sehr dankbar, in dieser Situation zu sein. Während der Pandemie hatte ich schon Panik, ob sich die Musikindustrie überhaupt erholen würde. Ich fragte mich, ob ich mir irgendwie einen anderen Job besorgen muss. Einen echten …
„Vielleicht wäre ich Musiklehrer geworden“
Hatten Sie denn einen „echten“ Job vor Ihrer Musikerkarriere?
Nein, ich hab zwar mal in einem Musikladen gearbeitet, aber das konnte man nicht einen echten Job nennen. Ich wollte schon immer Musik machen, schon als Kind. Was anderes kam nicht ernsthaft in Frage, da war ich stur. Hätte es mit der Karriere nicht gemacht, wäre ich vielleicht Musiklehrer geworden.
Wie haben Sie die Fans denn jetzt bei Deep Purple aufgenommen?
Sie waren wunderbar. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Man hat natürlich immer die dabei, die Veränderungen nicht mögen, Superfans, die seit Ritchie Blackmores Abgang mit der Band abgeschlossen haben und grundsätzlich jeden Nachfolger ablehnen. Aber ich würde sagen, 90 Prozent der Fans haben mich unterstützt. Gemessen an dem, was ich mitbekomme, auch online. Normalerweise bin ich nicht auf Social Media unterwegs, aber da war ich schon neugierig.
Halten Sie sich grundsätzlich von Social Media fern?
Es sind einfach so viele Kommentare. Da fehlt einem die Zeit. Und dann sind es eben Meinungen. Man geht ja bei einem Konzert auch nicht durchs Publikum und fragt jeden einzeln, wie ihm das Konzert nun gefallen hat. Da ist man doch eher im Moment. Warum setzt man sich dem also digital aus? Es gibt zwar viele tolle, nette Menschen da draußen, aber auch viele, die schreckliche Kommentare ablassen. Das kann einen runterziehen. Ich fühle mich in der realen Welt wohler, aber natürlich geht es ohne heutzutage auch nicht mehr ohne.
Social Media ist zwar irgendwie nötig, aber es verhindert doch auch eigentlich, dass Künstler heute noch zu Ikonen werden können. Sie entmystifizieren sich.
Das ist zu 100 Prozent so. Das fing mit „Big Brother“ an, seither ist jeder vom vermeintlich realen Leben, vom Leben hinter den Kulissen, dem Alltäglichen fasziniert. So können Künstler aber nicht zu Ikonen werden. Man kann einem Superstar doch nicht dabei zuschauen, wie er sich ein Spiegelei brät oder den Rasen mäht. Das nimmt den Schein weg, dass ist einfach alles zu normal.
Wie war es denn das erste Mal „Smoke On The Water“ als offizielles Bandmitglied zu spielen?
Das ist nicht nur beim ersten Mal, sondern immer etwas Besonderes. Das Publikum – und es sind ja oft sehr große Crowds, – spielt bei dem Song total verrückt. Man fühlt sich dann ein bisschen als Teil dieses ikonischen Deep-Purple-Vermächtnisses. Man ist stolz.
In einem Interview habe ich gelesen, dass du kein Die-Hard-Deep-Purple-Fan warst. Ist das heute ein Vorteil?
Ja, bandintern wäre es wohl komisch, wenn ich so ein Superfan wäre. Trotzdem bin ich mit der Musik aufgewachsen, mein Vater hat die Band oft gehört. Ich kannte viele, wenn auch nicht alle Songs. Für mich ist es heute insofern ein Vorteil, dass für mich viele der Songs frisch sind. Das macht es auch für die Jungs wieder aufregend, die spüren da das Adrenalin und die Freude. Das erste Mal „Smoke On The Water“ habe ich im Beisein von Ian Gillan gespielt, das muss man sich mal vorstellen.
Musik machen ist wie eine Droge
Was treibt die Band denn an? Sie könnte es sich ja leicht machen und einfach in die reine Nostalgie-Vermarktung einsteigen. Aber es kommen ja immer wieder neue Alben raus ..
.Dasselbe, das sie schon immer angetrieben hat: Musik. Sie lieben Musik, sie lieben es, etwas zu erschaffen, live zu spielen. Das haben sie im Blut. Für sie ist es wie eine Droge. Es geht da nicht ums Geld, das haben sie nicht mehr nötig. Wie könnte man nach so einem Leben, nach all diesen vielen Touren und großen Shows, plötzlich einfach zu Hause sitzen und Däumchen drehen?
In den frühen 2010er Jahren gab es ja immer wieder mal Gerüchte, dass Deep Purple keine Alben mehr aufnehmen wollten, weil sich das finanziell nicht mehr lohnen würde.
Es ist ja leider so: Wer kauft heute noch groß Alben? Nicht mehr sehr viele Leute. Die meisten streamen. Die Musikindustrie hat sich da gewandelt. Es hat aber etwas mit Genugtuung und Stolz zu tun, wenn man etwas erschaffen hat, auch wenn es nicht allzu viele kaufen. Und es ist jetzt irgendwie wieder ein bisschen wie in den 1950er Jahren, wo die meisten Leute auch keine Platten zu Hause hatten, sondern vielleicht nur ein Radio und man mit neuer Musik dann eher seine Konzerte promotet hat.
Jetzt habt Ihr ja wieder ein neues Album am Start. Wie waren denn die Aufnahmen? Muss man sich Deep Purple da als gut geölte Maschine vorstellen?
Wenn es um den Aufnahmeprozess geht, ist der immer mit Schwierigkeiten verbunden. Da läuft nie alles glatt. Wir sind es sehr old schoolig angegangen, haben uns zusammengesetzt, gejammt, haben Ideen mitgebracht und Spaß gehabt. Ohne Regeln, ohne Druck. Und wenn es mal nicht lief, sind wir runter ins Pub. Ansonsten haben wir live aufgenommen. Meine Gitarren habe ich zum Teil dann in meinem eigenen Studio später nochmal aufgenommen, weil ich da doch schon ein ziemlicher Perfektionist bin. Bob Ezrin war schon ein harter Knochen, der einem ganz schön Beine machen konnte. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich musste mich nur erst ein bisschen dran gewöhnen.
Wird in einem demokratischen Prozess entschieden, welche Songs am Ende auf dem Album landen? Oder hat am Ende einer den Hut auf?
Wir haben es Bob entscheiden lassen. Dafür wird er ja bezahlt. Wenn man uns fragen würde, welche Songs wir auswählen würden, würden wir wohl sagen: alle. Wir sind da zu nah dran und brauchen jemanden, der mit etwas Distanz sagen kann: Das hier, das ist das Album.
Das Vorgänger-Album ging ja auf Platz eins der Charts. Spielt das eine Rolle bei den Aufnahmen? Macht das Druck?
Ach, man nimmt das natürlich positiv zur Kenntnis. Aber man weiß auch: Heute auf Platz eins zu sein ist anders, als in den 1970ern auf Platz eins zu sein. Damals war man dann vielleicht die größte Band der Welt. Deep Purple waren das auch. Heute muss man dafür ja gar nicht mehr so unheimlich viel verkaufen. Man nimmt es wahr, beschäftigt sich aber nicht weiter damit. Man freut sich einfach, dass Leute immer noch die Musik lieben. Denn darum geht es ja letztlich.
Was können die Hörer vom neuen Album stilistisch erwarten?
Die Band legt sich nie Regeln auf, was immer rauskommt, kommt raus. Da kann mal Jazz-Rock sein oder was Bluesiges oder eine Hard-Rock-Nummer. Mal was mit klassischem Anstrich. Es ist diesmal nicht allzu viel Hardrock, sondern ein großes Sammelsurium verschiedenster Einflüsse.
Ihr kommt mit dem neuen Album auch nach Mannheim. Was können wir da erwarten? Ein Greatest-Hits-Programm mit ein bisschen neuer Mucke?
Ja, wir wollen auch ein paar neue Sachen spielen, da sind wir noch am Schauen und Proben. Bei Deep Purple ist ja immer die Frage: Welchen Song kann man überhaupt weglassen? Es wird wohl ein längeres Set.
Es ist aber keine Farewell-Tour …
Nein, es gibt nicht den Plan, aufzuhören.
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