Mann der vielen Talente: Musiker und Schauspieler Paul Sies legt mit „Mein schöner Hals“ ein schönes Album voll unmittelbarer, unverstellter Lyrik vor.
Schauspieler und Musiker? In Deutschland galt lange das Motto: entweder oder. Menschen, die gleich über mehrere Talente verfügen, wurden hierzulande immer etwas kritisch beäugt. Und das, obwohl es mit Künstlern wie Marius Müller-Westernhagen, Herbert Grönemeyer oder Manfred Krug ja durchaus leuchtende Beispiele dafür gab, dass es auch hierzulande Künstler gibt, die beides ganz gut beherrschen.
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Auch Paul Sies ist einer dieser Künstler, die sich in dieser Doppelrolle versuchen. Allerdings kommt das 1994 in Bad Nauheim geborene und in Darmstadt aufgewachsene Multitalent nicht vom Fernsehen, sondern vom Theater. Sies hat an der staatlichen Hochschule für Musik und Theater in Leipzig Schauspiel studiert, seit 2019 ist er festes Ensemblemitglied des Potsdamer Hans Otto Theaters. Mehr oder weniger parallel startete der Gute seine Musikkarriere. 2019 erschien Sies‘ Debütalbum „Die echte Welt“, 2022 dann der Nachfolger „Why nicht“.
Nun schiebt Sies Studioalbum Nummer drei nach. „Mein schöner Hals“ heißt das gute Stück. Sies und Produzent Patrick Reising haben sich dafür eine Mannschaft von Könnern zusammengetrommelt. Max Schröder (Olli Schulz, Tomte) an den Drums, Liv Solveig (Annett Louisan, Tristan Brusch) an der Geige, Jörg Holdinghausen (Wir sind Helden, Tele) am Bass und Christoph Bernewitz (Niels Frevert, Crucchi Gang) an der Gitarre – dazu wunderschöne Orchester-Arrangements von Johannes Christ für das Kammermusikensemble Laubenheim. Es wird geklotzt.
Nachdenklich, aber mit großer Geste
Die Songs, die dabei entstanden sind, sind von der nachdenklichen Sorte, warten aber mit der großen Geste auf. Sies erzählt davon, wie deprimierend und gleichzeitig schön das Dasein sein kann. Seine schwermütige Balladen erinnern teilweise etwas an Nick Cave, andererseits aber auch an die deutschen Liedermacher der 1970er Jahre. Sie ähneln bisweilen aber auch den Klängen zeitgenössischer Kollegen wie Tristan Brusch.
Zu den Glanzlichtern gehört dabei sicherlich der sexuell aufgeladene Titeltrack. „Traurig aber schon viel zu lang“, ein Song über Depression, dem Sies ein sehenswertes Musikvideo spendiert hat, geht unter die Haut. Und in „Geträumt“ (mit Moritz Krämer) bricht sich wunderbar der Weltschmerz Bahn.
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