Es gilt als eines der am meisten schwarzgepressten Live-Alben der Musikgeschichte: „One Hand Clapping“ von Paul McCartney & Wings. 50 Jahre nach den Aufnahmen erscheint das gute Stück nun erstmals in offizieller Fassung.
Es ist das Jahr 1974. Seit nunmehr drei Jahren ist Paul McCartney mit seinen Wings unterwegs, eben jener Band, die er nach der Auflösung der Beatles gegründet hat und zu der neben ihm und seiner Frau Linda McCartney auch Multiinstrumentalist Denny Laine und weitere, zum Teil wechselnde, Musiker gehörten. Drei Alben hatte die Band zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht, „Wild Life“ (1971), „Red Rose Speedway“ (1973) und „Band on the Run“ (1973). War der Start mit „Wild Life“ noch ein holpriger, gelang mit Album Nummer zwei der Sprung an die Spitze der US-Charts. „Band on the Run“ war dann sowohl kommerziell als auch in den Augen der Kritiker einer der größten Würfe, die McCartney in seiner Post-Beatles-Zeit gelangen. Die Platte sorgte für mächtig Rückenwind.
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Vor diesem Hintergrund gingen McCartney – damals 32 Jahre alt – und die Wings im Sommer 1974 ins Studio, zunächst in Nashville, dann in die Abbey Studios in London. Das Ehepaar McCartney und Denny Laine wurden dabei erstmals durch Jimmy McCulloch (Gitarre) und Geoff Britton (Drums) ergänzt. Sie ersetzten Denny Seiwell und Henry McCullough, die die Gruppe nach den Aufnahmen zu „Band on the Run“ verlassen hatten. Zumindest für den Moment, denn Britton war schon ein halbes Jahr später wieder Geschichte.
Die nun angesetzten Sessions waren eigentlich für eine Doku (Regie: David Litchfield) geplant, auch ein Live-Album sollte dabei herausspringen. Aber: Nicht davon aber passierte: Die Doku wurde erst im Jahr 2010 das erste Mal gezeigt, das Album blieb offiziell unter Verschluss. Nur Bootlegs kursierten. Bis jetzt. 50 Jahre nach den Aufnahmen liegt das Album erstmals in offizieller Fassung vor.
Spielfreudig und energetisch
Es erscheint heute unverständlich, warum das, was heute „One Hand Clapping“ ist, seinerzeit in der Schublade verschwand. Fand sich Macca vielleicht als Oberbefehlshaber der Kapelle, der er ja offiziell nie sein wollte, zu unsympathisch? Who knows. Fakt ist: Paul McCartney & Wings präsentieren sich auf dem Album in ausgezeichneter Verfassung, sind spielfreudig und energetisch, gleichzeitig aber auch durchaus entspannt.
Kredenzt werden uns auf dem nun vorliegenden Live-Album (ohne Publikum) insgesamt 26 Tracks, darunter zwölf neu abgemischte, die nicht im Originalfilm erschienen sind. Die Setlist besteht aus Material, das Paul solo aufnahm, natürlich Songs aus den ersten Wings-Alben (aber auch bis dato unveröffentlichte), aber auch Cover-Nummern und Beatles-Klassiker wie „Let It Be“ oder „The Long and Winding Road“.
Es ist ein Album voller Perlen – und dabei ausgesprochen vielseitig: Der Prog-Rocker „Jet“ ist seiner Zeit voraus und nimmt schon mal den Synthie-Pop vorweg. „Soily“ überzeugt durch seinen harten Rock-Sound. „Sally G“ ist derweil eine astreine Country-Nummer, „Hi, Hi, Hi“ im Glam-Rock verhaftet und klingen da bei „C Moon“ und „Power Cut“ nicht sogar Reggae-Anleihen durch? Besonders stark: die Version von „Wild Life“, dem Titelsong des vernachlässigten Wings-Debüt. Besonders überraschend: Bei „Go Now“ übernimmt Denny Laine den Gesang, immerhin war er ja auch mal Teil der Moody Blues, die die Nummer seinerzeit bekannt machten.
Gut, dass McCartney spät, aber nicht zu spät, den Schritt gewagt hat, das Material in seiner Gänze zu veröffentlichen. Es dokumentiert eine Band im Werden, eine, die gerade ihren Sound gefunden hatte – und für diese Aufnahme ihre PS auch auf die Straße brachte. Da darf man durchaus sogar mit beiden Händen klatschen.
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