Rico Friebe (foto: Saskia Friebe)

My Soundtrack: Rico Friebe

Nach 36 Jahren ohne ein einziges gesungenes Wort, führten unvorhersehbar tragische Ereignisse Rico Friebe an den Punkt, seine Stimme zu finden, um daraufhin in einen Kreativrausch des Songwritings überzugehen. Mit „Don’t Hurt Me Now“ hat der Musiker, Komponist und Produzent neulich den ersten Teil einer Single-Trilogie vorgelegt, die über den Sommer hinweg veröffentlicht wird. Die Zeit zwischen seinem jüngsten Album „Word Value“ und dem Nachfolger „Faces Meet“ im Herbst 2023 soll damit mit Leben gefüllt werden. „Don’t Hurt Me Now“, ursprünglich als intimer Piano-Song komponiert, entwickelte sich während den Aufnahmen zu einem multiinstrumentellen Stück. Der Track darf wie ein „Tanz durch das Leben“ verstanden werden, ist aber zugleich ein klarer Aufruf. Er knüpft an vergangene Musik-Projekte wie „Jenni“ an, bei dem Friebe das Problem von Gewalt gegen Frauen in den Fokus stellte. Wir freuen uns, dass wir Rico nun für unsere My-Soundtrack-Reihe gewinnen konnten.

Genesis – Burning Rope 

Aus heutiger Sicht ein wahrlich „blinder Fleck“ in der Diskographie von Genesis (und auch Phil Collins). Nach dem Ausstieg von Peter Gabriel und dann noch Steve Hackett stellte dieses 1978er Album eine zentrale Umbruchsituation bei Genesis dar und war zugleich der Beginn von dem, was sich in den 80ern zur großen Stadion-Band Genesis und dem hochgradig erfolgreichen Phil Collins auf Solo-Pfaden weiter etablierte – die, die eben (fast) jeder kennt oder schonmal „irgendwo gehört hat“. Der Song „Burning Rope“, häufig doch vergessen und damals auch nur selten live gespielt, wurzelt in jeglicher Hinsicht weit zurück in meiner Vergangenheit. In einer Zeit, in der ich letztlich noch nicht einmal sprechen konnte. 

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Das harmonisch geschickt (à la Tony Banks) aufgebaute und zugleich rhythmisch „wilde“ Collins-Drumming-Intro, die Hinführung zu dem einleitenden Instrumental-Thema, das dem Soundtrack eines späteren 80er-Jahre Arcade-Games entnommen sein könnte und wahrlich prägend in mir verwurzelt ist, die Strophen/Refrains mit Phil Collins bezeichnendem Gesang und Banks‘ Text, das spätere, progressiv-epochale Gitarren-Solo: Alles fasst meine musikalische Prägung perfekt zusammen. Mir ist erst vor zirka einem Jahr richtig klar geworden, dass dieser Song (aber unter anderem auch „Behind The Lines“ oder „Duchess“ vom späteren 1980er Album „Duke“) einen starken Einfluss auf meine Wahrnehmung von Harmonik, Melodik, Rhythmik, Gefühl und Bildsprache in Musik hatte. 

Pink Floyd – High Hopes 

Zu Pink Floyd gibt es viel zu sagen – über mehrere Jahrzehnte hinweg. Auch zu Roger Waters – zweifelsfrei, vor allem im Jetzt… 

„High Hopes“ ist einer dieser David Gilmour-Songs vom 1994er Album „The Division Bell“, dem eine unfassbar feine, gefühlvolle und vor allem menschliche, nostalgische und vergängliche Dramatik in einer einzigartigen Klangsprache (vor allem live) innewohnt. Auch die späten Pink Floyd haben nicht nur „High Hopes“, sondern eine unnachahmliche „High Quality“ in die Welt getragen. Das ganze Stück ist wie ein ehrwürdiger, respektvoller Rückblick und Abschied von einer irdischen Welt, die so viel Güte in sich tragen kann, wenn wir Menschen es nur zulassen und wollen. Solche Songs werden einfach nicht mehr geschrieben. Die Perspektiven und Schwerpunkte der Menschen befinden sich zwar stets im starken Wandel, doch die Welt an sich hat sich nie wirklich geändert – nur die Perspektive darauf. 

Simon & Garfunkel – April Come She Will 

„Songs, die so nicht mehr geschrieben werden…“ – die Zweite: Ursprünglich vom 1965er „The Paul Simon Songbook“, bereits im Jahr 1964 geschrieben, beweist dieser Song die subtilen Fähigkeiten eines Paul Simon, Dinge poetisch und metaphorisch mit den richtigen Tönen und einem pointiert instrumentierten Klangbild auf den Punkt zu bringen. Zugleich verbleibt ein gewisser Hauch an Ironie, dass dieser Song letztlich auf einem entwendeten Kinderreim basiert. Natürlich war Art Garfunkels Stimme auf den einst von Simon eher etwas kühler gesungenen Song eine ganzheitlich vollkommene Ergänzung, um ein kleines Stück Ewigkeit für die Ewigkeit zu schaffen. Ein Song, der ganz tief in meinem Unterbewusstsein zu sitzen scheint und eine persönliche Geschichte in sich birgt, die ich hier nicht in vollem Umfang ausbreiten kann. 

Die in „April Come She Will“ präsentierte sensible Intimität und zugleich ungewisse Unnahbarkeit einer Frau, repräsentativ für alle Frauen, stellte in meiner Interpretation nie das mangelnd Greifbare oder gar Wankelmütig-Ungewisse, sondern eine magische Besonderheit und den Glanz von Frauen an sich heraus, dem in unserer Gesellschaft leider nicht die verdiente Wertschätzung und Anerkennung zukommt – ein Thema, das mir persönlich auch einfach sehr nahe liegt. Einen solchen Song nur über einen Mann kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen – dessen Perspektive braucht es aber wohl, um einen solchen zu schreiben. Yin und Yang. 

Frank Zappa – Peaches En Regalia 

54 Jahre in der Vergangenheit glänzt(e) ein Album namens „Hot Rats“, mit dem Frank Zappa, leider zu früh gestorben und gemeinhin leider teils zu verkannt, ein Meisterwerk seines eigenen Genres erschaffen hatte, das unter anderem Jazz, Rock und Blues auf einzigartige Weise vermischt. „Peaches En Regalia“ ist hinsichtlich der Idee, der Instrumentierung, des Arrangements, der Ausführung und des Klangs ein Song, der wohl noch jede zukünftige Generation bis zum Ende der Menschheit erreichen oder zumindest zum ohrwurmhaften Mitwippen und Erinnern bewegen kann. Er paart, wie so oft bei Zappa, einen gewissen „Wahnsinn“ (auch wenn wirklicher Wahnsinn meiner Einschätzung nach eher im „Normativen“ liegt) mit äußerst lieblichen und letztlich jedem zugänglichen Momenten – so wie alles im Leben.

Meine Faszination, nicht nur mit diesem Stück von Zappa, mündet in genau diesen Eigenschaften und der Zeitlosigkeit von etwas, was über Stile und Trends erhaben ist. Es hat auch als Instrumentalstück eine Aussagekraft, die manche Songs mit Texten der letzten Jahrzehnte, aber vor allem der jüngeren Vergangenheit, nie erreichen könnten. So wie Beethovens „Ode an die Freude“ gleicht dieses Stück wahrlich einer „Ode an das Leben“. Diejenigen, die Gutes, aber auch (Heraus-)Forderndes hervorbringen, müssen wohl stets zu früh gehen… 

Sigur Rós – Njósnavélin 

Individualität sollte die Grundvoraussetzung für jegliches kreative Tun sein. Dinge 1:1 zu wiederholen oder so zu sagen, wie sie bereits endlose Male gesagt wurden, bringt nichts voran und führt nebst Stagnation leider auch in den Rückschritt und damit langfristig zur Resignation. 

Sigur Rós haben ihre wahrlich eigene Welt erschaffen und erzählen in ihrer einzigartigen Art und Weise Geschichten, die Alles und auch Nichts sein könnten. Das „muss man mögen“, könnte man sagen, aber ich glaube, dass es ein höchst erstrebenswerter Moment ist, sich in diese Welt einzufinden, was mir 2002 mit „( )“ gelungen ist. Ein Song wie „Njósnavélin“ ist ein musisches „Ommm“, das an liebevoller Bildsprache in jener repräsentierten Welt kaum zu überbieten ist. Vor allem sprengt es, so wie das Gesamtwerk von Sigur Rós, alle Grenzen und Ketten von Zeit, die sowieso nur menschgemacht und mehr Last als Entlastung sind. Es entschleunigt und schafft unklare Klarheit und klare Unklarheit zugleich. Auch wenn man sich in Sigur Rós‘ Gesamtwerk etwas verlieren könnte, so halte ich es für ein wertschätzendes Zeugnis dessen, wozu Menschen in der Lage sein können und zugleich für eine besondere Idiosynkrasie in meinem persönlichen, stetig wachsenden Musikkatalog, der auch mich als Mensch und damit meine musikalische Sprache beeinflusst hat 

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