Irgendwo zwischen Hamburger Schule und modernem Indie-Pop, mit Referenzen an Bands wie Tocotronic, Blumfeld oder Die Sterne. So kann man den Sound des Wahl-Berliners Andreas Liebert vielleicht am besten beschreiben. Der Singer-Songwriter hat gerade mit „Mondlandung“ eine neue EP vorgelegt. Darauf zu hören: vier melancholische Songs, in denen es viel um Einsamkeit und Abschied geht. Reinhören lohnt sich – und reinlesen: in diese My-Soundtrack-Ausgabe, für die uns der Gute zur Verfügung stand.
Hansen Band – Baby Melancholie
Früher war es nur Pop-Punk. Die Songs, die in „Tony Hawk’s Pro Skater“ rauf und runter liefen. Alles englisch und laut –genau richtig. Es war die Zeit, in der das Zähe des Alltags von diesen kurzen, schnellen Tracks aufgefangen wurde. Aber dann, mit 18, saß ich eines Abends vor dem Fernseher. Es lief einer dieser späten Filme auf den dritten Programmen, wo man nie genau wusste, was kommt. Keine Lieder über Liebe. Ein Drama. Ein Dokumentarfilm über die fiktive Band, Hansen, mit Mitgliedern von Kettcar, Tomte und Olli Schulz & der Hund Marie.
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Und auf einmal war da deutsche Musik. Texte, die nicht um den heißen Brei redeten, sondern direkt waren, so klar, dass sie fast wehtaten. Vorher hatte ich nie darüber nachgedacht, dass Musik auch so klingen kann. Und dann war da kein Zurück mehr. Es fühlte sich plötzlich echter an – wie ein Spiegel, der einem das zeigt, was man selbst nicht richtig greifen konnte.
Death Cab For Cutie – The Sound of Settling
Da war also dieser Name, der immer wieder auftauchte – auf Plakaten, in der VISIONS, die ich vor vielen Jahren abonniert hatte. Keine Ahnung, wie sie klangen. Es war die Zeit vor Streaming. Alles, was ich hatte, war die Vorstellung: Post-Punk. Lärm. Wut. Gitarren, die wie Brechstangen alles auseinandernehmen. Unbequem und unmelodisch.
Dann, 2010: Transatlanticism. Und alles war anders. Plötzlich diese Melancholie, diese Weite. Es hat nicht lange gedauert, bis ich Fan war – so schnell, dass ich mir „The Sound of Settling“ als Klingelton einrichtete. Damals ließ man Leute dafür noch am Hörer warten, nur um den Song ein wenig länger zu hören.
Heute höre ich sie immer noch. Jedes Album. Sie sind geblieben, nie weit weg. Und als Grafikdesigner durfte ich dann im Rahmen ihrer letzten Tour das Gigposter für ihr größtes Konzert in London gestalten. Ein Kreis, der sich schließt – aus Fantasie & Realität.
Blumfeld – Wir sind frei
Als ich 2014 mit der Musik begann, war Blumfeld für mich ein Name, der allenfalls auf Festivalplakaten vorbeizog – unbemerkt, weil ich nicht die Zielgruppe war. Jochen Distelmeyer? Kein Begriff. Dann kam diese eine Review zu meiner ersten EP „Durchgelebt“. Meine Songs wurden mit Die Bienenjäger, Distelmeyers erster Band aus Bad Salzuflen, verglichen. Ob das ein Kompliment war, wusste ich nicht. Aber es öffnete mir die Tür zu Blumfeld. Und damit zu Jochen Distelmeyer.
Seitdem begleitet mich diese Musik. Ob Regen die Scheiben ziert oder die Sonne ihre Wärme auf alles legt – Blumfeld ist da. Die Texte sie sind wie eine Landkarte einiger Gefühle, die in Worte gegossen werden, bevor ich sie selbst verstehen kann. Es fühlte sich an, als würde ich etwas wiederfinden, von dem ich gar nicht wusste, dass es mir fehlte. Als „Ich-Maschine“ erschien, war ich fünf. Als ich „Wir sind frei“ zum ersten Mal hörte, war ich 28. Und ich freue mich darauf, diese Begegnung noch viele Male zu wiederholen.
Matilda Mann – Bloom
Wer hier auf die übliche Liste von Klassikern hofft, wird vergeblich warten. Natürlich mag ich Musik, aber eher die, die noch frisch ist, die noch nicht lange auf dem Stapel liegt. Vor drei Jahren hörte ich „Bloom“ von Matilda Mann im Radio. Ein Morgen wie jeder andere, doch dieses Lied blieb. Meine Foto-App war sofort mit einem Screenshot gefüllt – wie immer, wenn ich Musik auf dem Smartphone entdecke, das ich festhalten muss. Normalerweise höre ich Songs einmal, lasse sie ziehen. Doch „Bloom“? Das blieb. Wieder und wieder lief es. Ein Lied, das sich so leise entfaltet, als könnte man dem Wachsen selbst zuhören.
Im Spätsommer 2024 stand ich dann in der Columbiahalle, Berlin. Matilda Mann spielte live, und „Bloom“ schloss das Set. Ein Song, der längst verblasst war, tauchte wieder auf. Ein Moment, in dem Erinnerung und Gegenwart eins wurden.
Donots – I Quit
Die Donots begleiteten mich durch die rauen Jahre des Erwachsenwerdens. Ihre Musik, laut und kompromisslos, immer da, wo sie sein musste. Doch es war nicht nur die Energie des Punkrocks, die mich fesselte. Es waren die Überzeugungen, die Haltung, mit der sie auftraten. Eine Band, die nicht nur spielte, sondern Stellung bezog. Gegen Rechts, für Respekt. Eine Klarheit, die mich beeindruckte. Auch heute höre ich sie noch und es ist nicht die Nostalgie, die mich treibt. Es ist die Freude darüber, dass man immer noch Neues entdecken kann. Der wahrscheinlich erste Song, den ich hörte: „I Quit“, der erste Song von „Pocketrock“. Und manchmal denke ich: Wie anders hätte alles sein können, wenn dieser erste Song nicht so gewesen wäre, wie er war.
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