Eine helle und eine dunkle Seite weist „Holy Noon“, das Debütalbum von Maika auf. Rauer Synthie-Pop trifft hier auf hypnotischen Singer-Songwriter-Soul. Die Platte ist soeben via Jazzhaus Records erschienen.
Maika – dahinter verbirgt sich die Jazz- und Improvisationsmusikerin Maika Küster. Der eine oder andere mag die Essenerin von Projekten wie „Der weiße Panda“, „(Wir hatten was mit) Björn“, dem Kollektiv Sungsound oder dem Duo Mockingbird kennen. Mit dem neuen Solo-Projekt schlägt die aus Dinslaken stammende Künstlerin nun das nächste Karriere-Kapitel auf. „Holy Noon“ heißt der erste Arbeitsnachweis, es geht darauf um Vergänglichkeit und Gier, aber auch um Sinnlichkeit und Verlangen.
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Inspiriert wurde Maika dabei von dem Umstand, dass am Mittag die Sonne ihren Höchststand erreicht. Der Tag teilt sich sozusagen in zwei Hälften, eine helle und eine dunkle. Mit ihrem Quintett hatte die Musikerin aus NRW bereits vier Songs live eingespielt, meditative Stücke mit Kontrabass und Klavier. Die A-Seite von “Holy Noon“ war somit komplett, vereinte hypnotischen Folk mit kantigem Soul und verwunschenem Indie. Und ja, auch eine Idee Jazz.
Die B-Seite? Ein kompletter Gegenentwurf. Maika: “Ich habe nach einem Gegengewicht gesucht. Es entspricht einfach nicht meinem Lebensgefühl, nur Kontemplatives aufzunehmen. Es brauchte noch tanzbare Songs mit Tiefe.“ So hat sie, fast ausschließlich in Eigenregie, die B-Seite produziert. Darauf: tanzbare Beats, Anklänge an die Achtziger und an elektronischen Pop. Sphärische Synthesizer, metallische Drums und betörende Streicher (von Maika selbst am Mellotron eingespielt).
Kate Bush und Depeche Mode im Geiste
Ein Glanzlicht: die kapitalismuskritische Komposition “Little Lizard“. Ein ohrwurmtaugliches Stück New-Wave-Pop, mit Kate Bush und Depeche Mode im Geiste. Den Synthie-Sound der Nummer hat Schlagzeuger Anthony Greminger mit geprägt, und platziert so den Text, für den Maika Youtube-Tutorials von selbsternannten Männer-Coaches studierte (“higher, faster, stronger“), auf ein kühles Electronica-Bett. Auch die derben Beats des britischen Rap/Punk-Duos Sleaford Mods waren hier ein Einfluss für Maika. Auch „WYAN“ bleibt haften mit seinem Mix aus Streichern und Synthesizer-Einschüben. Die vorab als Single veröffentlichte Nummer handelt von Liebe, Freundschaft und Solidarität.
Für den mal folkig versponnenen, mal am Post-Rock/Jazz einer Melanie de Biasio orientierten Klang des Albums sorgte eine feinfühlige Band, in der Anthony Greminger (Schlagzeug), Yannik Tiemann (Bass), Jan Krause (Gitarre) und Benedikt Ter Braak (Piano) mitspielen. Und dann ist da diese Stimme. Maika ist hörbar im Jazz geschult – und doch mit ihrem außergewöhnlichen Gesang in allen Genres zu Hause. Sie kann zärtlich säuseln und lasziv flüstern und sie kann druckvoll eine Melodie begleiten. Eine überaus klare Stimme, die jeden Jazzstandard zu veredeln vermag. Aber diese Zeiten sind vorbei. Maika hat keine Lust mehr, in eine Schublade gesteckt zu werden. “Holy Noon“ ist erst der Anfang.
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