Die Illustratorin Magali le Huche ist ein wahnsinnig großer Beatles-Fan. Und das schon seit ihren Kindheitstagen. In der autobiografischen Graphic-Novel „Nowhere Girl“ erzählt sie von ihrer Liebe zu den Fab Four.
Es muss der Film „Love Me Tender“ gewesen sein, der die Welt, wie ich sie bis dahin kannte, komplett aus den Angeln hob. Elvis Presley hatte mich direkt in seinen Bann gezogen. Diese Aura! Dieses Charisma! Und: diese Stimme! Ich war damals sieben Jahre alt, und meine Begeisterung kannte fortan keine Grenzen. Und das, obwohl es die frühen Neunziger Jahre waren, Elvis längst tot war und ganz andere Künstler die Charts bestimmten. Für mich gab es eine ganze Weile nur Elvis. Mit Neid blickte ich auf meine Eltern, die Elvis noch zu dessen Lebzeiten erlebt hatten (aber eigentlich selbst nie Fans waren). Ich wollte alles von ihm hören, lesen, sehen, besitzen. Jegliche Bekehrungsversuche, die ich an meinen Mitschülern unternahm, blieben seinerzeit erfolglos. Mit meinem Musikgeschmack stand ich damals ziemlich alleine da.
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Ähnlich, aber doch ganz anders ist es der französischen Illustratorin Magali le Huche gegangen. Ihr Spleen drehte sich nicht um Elvis, sondern die Beatles. Und während meine Vorliebe für Elvis eher drollig war, sorgte ihre ureigene Beatles-Mania tatsächlich für Schwierigkeiten beziehungsweise waren ein Ausdruck tiefliegender psychologischer Probleme. Aber der Reihe nach. Mit elf Jahren entdeckte die schüchterne Magali die Musik der Fab Four und wurde deren größter Fan. Zeitgleich mit ihrer glühenden Liebe für John, Paul, Ringo und George begann für Magali aber auch eine Phase der Furcht, Isolation und schließlich Rückzug aus Schule und allen sozialen Bezügen. Die kleine Magali litt unter einer alles beherrschenden Schul- und Versagensangst. „Beide Themen, die Leidenschaft für die Beatles und das Leid in der Schule, waren unentwirrbar verbunden“, so Magali le Huche. Und weiter: „Mir wurde klar, dass ich dieses Kapitel in meinem Leben ziemlich verdrängt hatte, vielleicht, weil es für mich immer noch so schambehaftet war.“
Graphic-Novel-Debüt für le Huche
Und so erzählt „Nowhere Girl“, das autobiografische Graphic-Novel-Debüt von le Huche, von einem zeitlos-universellen Problem. Einem Problem, das sich mit der Zeit immer mehr verschärft hat: den Folgen von Leistungs- und Schuldruck auf die Psychen junger Menschen. Es geht um die Phobie, die sie dazu brachte, sich zwei Jahre lang von der Schule zurückzuziehen. Vor allem aber erzählt Magali le Huche von der Leidenschaft, die ihr Zuflucht bot – Beatles, Beatles, Beatles –, von der langsamen Rückkehr in die Schule und den ersten Schritten als Künstlerin. Musik als Möglichkeit zur Wirklichkeitsflucht. Musik als Form des Eskapismus. Dabei lässt sie das Paris der 1990er-Jahre mit unzähligen unterhaltsamen Details wiederauferstehen. Wie Alice im Wunderland gleitet sie in ein Paralleluniversum, und der Leser taucht kopfüber ein in einen schillernden Wirbelwind der Farben. Der Strich erinnert hier und da an den Stil von Riad Sattouf und dessen Reihe „Esthers Tagebücher“, auch wenn beide Protagonistinnen sich unterscheiden.
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