Tom Jones in Baden-Baden (foto: Fiege)

Live: Tom Jones in Baden-Baden – Musikalischer Formwandler

Er ist einer der letzten großen Entertainer: Tom Jones ist derzeit mit seinen 83 Lenzen noch mal auf kleiner Deutschland-Tour. Auf dieser machte er am Donnerstag in Baden-Baden Station. Dabei bewies er: Der Tiger kann es noch.

Es muss für Tom Jones die Mutter alle Zwickmühlen gewesen sein: Als der walisische Sänger am Anfang seiner Karriere stand, haben ihm  zwei Musik-Ikonen Ratschläge gegeben. Dumm nur, dass die völlig gegensätzlich ausfielen.  Frank Sinatra etwa soll dem Briten gesagt haben: „Tom, du musst mehr Standards singen, Sch… auf dieses ganze Rock’n’Roll-Zeug.“ Und Elvis Presley hatte genau das Gegenteil für den Tiger im Sinn, wie er mal der „Musik Week“ erzählte: „Elvis kaufte sich meine Platten und gab dann  Kommentare dazu ab. Ich hatte damals das Album ’From The Heart’ veröffentlicht, das nur aus alten Standards bestand. Er sagte mir: Tom, so etwas machen wir nicht. Lass das lieber Sinatra machen.“

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Am Ende ist Tom Jones aber seinen eigenen Weg gegangen, der irgendwo dazwischen lag. Und ist damit ja auch nicht schlecht gefahren. In seiner nun schon seit 60 Jahren andauernden Karriere hat der Mann  mehr als 100 Millionen Tonträger verkauft, dabei 36 Top-40-Hits im Vereinigten Königreich und 19 in den USA gehabt.  Da braucht sich Jones auch nicht vor seinen ikonenhaften Kumpels zu verstecken.

Jones kann auch rocken

Dass Jones durchaus rocken kann, das hat er am Donnerstag im Festspielhaus in Baden-Baden  eindrucksvoll bewiesen. Bei der letzten Zugabe war’s, dem großen Finale einer knapp zweistündigen Show, die keine Wünsche offen ließ. Für dieses letzte Hurra hatte sich Jones Chuck Berrys „Johnny B. Goode“ herausgesucht. Großes Kino.  „Elvis und ich hatten mal ein Konzert von Chuck Berry besucht und Elvis hatte ihn mir mit den Worten vorgestellt: Das hier ist der wahre König des Rock ’n’ Roll. Das ist also meine Hommage“, moderierte Jones den Song an.

Die Tatsache, dass Jones durchaus rocken kann, sollte aber niemanden überraschen. Der Mann ist schließlich in allen Genres zu Hause. Die New York Times beschrieb es 2008 vielleicht am besten, indem sie ihn als musikalischen Formwandler bezeichnete. Einen „shapeshifter“, dessen Stimme bei Bedarf entweder soulig raspeln oder poppig croonen konnte. Aber warum  „konnte“? Der Mann ist immer noch erstaunlich gut bei Stimme. Wenn man die Augen schließt, würde man nie annehmen, dass der, der sich da oben auf der Bühne die Seele aus dem Leib singt, doch schon stolze 83 Jahre (!) alt ist. Lebende Musikgeschichte, in Fleisch und Blut. Das hohe Alter merkt man Jones  nur bei den wenigen Tanzbewegungen und dem etwas wackeligen Bühnenabgang an.

Vorbild Willie Nelson

Doch auch in seinem Leben gibt es offenbar noch Momente, in denen  sich Jones noch als Küken fühlen darf. „Ich war neulich bei Willie Nelson, der ist ja schon 90 und steht immer noch auf der Bühne. Respekt“, sagte er  und verneigte sich mit dem Song „Across the Borderline“ vor seinem Kumpel.

Ansonsten bestand die Setlist in Baden-Baden aus einem guten Mix aus den großen Hits des Briten und neuerem Material. Mit „Green Green Grass Of Home“, „It’s Not Unusual“ (leider durch den albernen Carlton-Dance bei  „Der Prinz von Bel-Air“ belastet) , „What’s New Pussycat“, „Sexbomb“, „Delilah“, „Kiss“ oder „Tower of Song“ (die stärkste Performance des Abends!) ritt Jones mit dem Publikum durch die verschiedenen Pop-Jahrzehnte. Da wurde einem erst noch einmal richtig bewusst, wie oft man Jones bereits in seinem zweiten, dritten, vierten Frühling wähnte und wie mühelos der Formwandler sich zwischen den Welten bewegt. Pop, Gospel, R&B, Soul, Blues, Rock, alles dabei.

Da machten sich dann am Ende doch die gesalzenen Ticketpreise bezahlt, bei denen man nach Kauf der Karte doch noch mal nachfragen musste, ob man sich da gerade tatsächlich eine Konzertkarte erworben oder Tom Jones aus Versehen  für eine Privatveranstaltung gebucht hatte. Gut gefüllt war das Festspielhaus in Baden-Baden trotzdem, der Gig war auch einer von nur vier auf dieser Deutschland-Tournee. Und einen dieser letzten großen Entertainer noch mal live zu sehen, das lässt sich der eine oder andere dann doch noch mal was kosten. Inflation hin oder her.

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