Es gibt Momente, für die man sich einen „Pause & Play“-Button wünschen würde. Um die Möglichkeit zu haben, sie richtig bewusst zu genießen. Und wenn es einen gibt, der eben so Momente erzeugen kann, die wir uns am liebsten im Hirn als Erinnerungsvideo abspeichern würden, dann ist das Olli Schulz. Das hat er neulich in der Frankfurter Batschkapp bewiesen.
Frankfurt tobt, als Olli Schulz auf die Bühne tritt und die Menge gleich mal mit einem Seitenhieb gegen das deutsche Punk-Establishment begrüßt: „Die Toten Hosen würden euch jetzt fragen: ,Habt ihr Bock?´. Wie unnötig ist das denn? Es wäre doch zu geil, wenn ihr alle dann sagen würdet: ,Nö‘. Aber so richtig unmotiviert. Wie würden die dann gucken? Bitte, wir üben das mal: Frankfurt, habt ihr Bock?“ – Publikum, bemüht gelangweilt: „Nö.“ Olli Schulz klatscht in die Hände und lacht so albern wie ein Teenager. „Hahaha, danke. Ihr seid geil.“ Es ist sein infantiler Humor, der ihn als Sidekick von Joko und Klaas berühmt gemacht hat. Die meisten Zuschauer kennen ihn aus dieser Zeit. Als witzigen Anekdotenerzähler. Und sie gieren dauergrinsend nach seinen Geschichten, die er immer wieder ins Programm einbaut. Doch mindestens genauso wie er gerne herum blödelt, ist Olli Schulz Musiker. Bereits vor zwölf Jahren debütierte er mit seiner Band Olli Schulz und Max Schröder alias der Hund Marie mit dem Album „Brichst Du mir das Herz, brech‘ ich Dir die Beine“. Vor seiner Fernsehzeit seien es gerade mal 30 Leute gewesen, die ihn in der Alten Batschkapp in Frankfurt hatten hören wollen. Schulz erinnert sich: „Das war beinahe so intim, als lägen wir alle zusammen in einem Bett.“ Diesmal ist die Halle ausverkauft, mehr als 1500 Gäste sind da. So ändern sich die Zeiten. Dennoch, auf den vergangenen Konzerten hat Schulz gemerkt, dass er gerade sein junges Publikum warnen müsse: „Nicht wundern, wenn heute viel gesungen wird.“
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Diese Warnung sollte überflüssig bleiben: Oft genug bricht er inmitten seiner Lieder ab, um etwas so Banales wie seinen Lieblingswitz zu erzählen. Nur beim Sauna-Song nicht – der ist eh Unterhaltung pur. Aber nicht nur dafür wird Schulz gefeiert. Sondern auch, weil man sich immer wieder über ihn wundern muss. In seinen Songtexten offenbart er, dass er ebenso Spaßvogel wie Melancholiker ist. Das gilt allein schon für den halbenglischen Titel seines neuen Albums „Feelings aus der Asche“ (Trocadero/Indigo) – ein ebenso albernes wie geniales, auf jeden Fall irgendwie nettes Wortspiel mit melancholischem Subtext. Ebenso nachdenklich sind seine Songs „Boogieman“, „Phase“ oder „Als Musik noch richtig groß war“. Letzterer ist über die der jungen Generation so fremden Mixtape-Ära, in der man schon froh war, wenigstens Teile eines geilen Liedes aus dem Radio mitgeschnitten zu haben und Musik noch nicht durch Dauerstreaming entwertet worden war. In „Ich dachte, Du bist es“ aus seinem 2012 erschienenen Album „SOS – Save Olli Schulz“ erzählt der Wahl-Berliner von einer flüchtigen, aber intensiven Begegnung mit einer jungen Frau, in die er sich verliebte. „Ich stellte mir vor, dass wir Komplizen wären, so bonnie-und-clyde-mäßig. Und auch, dass wir Sex haben – aber nur ganz, ganz selten“, witzelt Schulz, der gerne Mumpitz mit der Realität vermischt. Auch um die Dramatik zu reduzieren, denn: Er sah die Frau nie wieder. Aber das mache alles nichts, weil – und das sagt der Hamburger sehr schön – man müsse in seinem Leben für jemanden schwärmen können. Dann singt er wieder: „Wenn es gut ist, wird es schön sein und ein Leben lang passieren./Wenn es böse ist, dann beißt es und du wirst es schnell verlieren.“
Sein nächster Ratschlag: Sich selbst nicht zu ernst nehmen.Gerade in Momenten der Selbstüberschätzung, als sich Schulz mit seinem Song „Human Of The Week“ Chancen im internationalen Musikbusiness ausgerechnet habe. „Mein Englisch ist total beschissen, ihr hört jetzt warum es nicht geklappt hat“, sagt er. Zeilen wie „Baby, so come closer, rollercoaster“ aber belegen, dass ihm Wortspiele auf Englisch doch liegen. Und so endet zwar sein Titelsong „Feelings aus der Asche“ ebenfalls mit einer englischen Strophe, zeigt aber auch, dass Schulz etwas weniger ulkig, dafür umso nachdenklicher geworden ist: „One, two moments after you/ I breathe a little lighter/ We know this to be true./ And you were always turning/ And I can’t keep chasing you.“
Doch auch wenn Schulz‘ neues Album besinnlicher ist als seine Vorgänger: Auf Konzerten hat er sie alle im Gepäck. Nach dem abruptem Ende seiner zweistündigen Show ohne Vorband holt er sein Publikum vom Melancholie-Trip zurück und treibt ihnen die Wehmut wieder aus mit dem Zugabe-Song „H.D.F.K.K“ („Halt die Fresse, krieg’n Kind“). Diesen Balanceakt zwischen Clownerie und Melancholie schafft so kein Zweiter.
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