Ludovico Einaudi (foto: Fiege)

Live: Ludovico Einaudi in Mannheim – Der elegante Minimalist

Er ist der meistgestreamte klassische Musiker aller Zeiten: Ludovico Einaudi. Der Italiener ist in der Tat ein Phänomen. Auch hierzulande: Jetzt gastierte er in der ausverkauften SAP-Arena in Mannheim.

Nein, so richtig warm werden die Feuilletons dieser Welt mit der Neoklassik nicht. Nicht fortschrittlich genug, nicht avantgardistisch genug, zu niederschwellig, zu sehr auf den Massengeschmack getrimmt, purer Kitsch – in schöner Regelmäßigkeit wird in den Redaktionsstuben über dieses Genre die Nase gerümpft, dem sich viele Hörer durch Filmsoundtracks genähert haben. Während die einen in der Neoklassik ob ihrer Zugänglichkeit die Rettung der klassischen Musik, sehen die anderen in ihr den letzten Sargnagel. Den Untergang.

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Ludovico Einaudi ist einer der Superstars dieses Genres und damit also entweder der Retter der Klassik oder ihr Totengräber. Je nach Standpunkt. Angeblich streamen den italienischen Komponisten um die drei Millionen Hörer pro Monat. Und auch ganz analog zieht der Name Einaudi. Ausverkauftes Haus, meldet die Mannheimer SAP-Arena. Da, wo sonst große Rockbands wie Kiss, Metallica, Depeche Mode oder Lenny Kravitz die Bühne abfackeln; wo sonst die Adler Mannheim oder die Rhein-Neckar-Löwen ihre Fans zum Kochen bringen, wird an diesem Samstagabend einem 69-jähriger Italiener mit seinem Klavier gelauscht. Und zwar andächtig. Da wird kein Smartphone gezückt, da werden keine Fotos geschossen, keine Videos gedreht. Einaudi und sein Ensemble haben die Aufmerksamkeit einer ganzen Arena.

Kein großes Brimborium

Und das, obwohl der 1955 in Turin geborene Künstler auf allzu viel Brimborium verzichtet. Es gibt stimmungsvolle Beleuchtung, ja, aber keine ausgefeilte Light-Show. Kein Feuerwerk, keine Visuals auf der Leinwand. Auf dieser sieht man meistens die Finger des Maestros über die Tasten gleiten. Selbst die Kleidung ist unauffällig, der Italiener und seine Musiker treten komplett in Schwarz an,  ausgefallen ist nur der schwarze Hut, den Einaudi trägt. Er selbst beschreibt sich übrigens als Minimalisten. „Im Allgemeinen mag ich keine Definitionen, aber ,Minimalist’ ist ein Ausdruck, der Eleganz und Offenheit bezeichnet, sodass ich lieber Minimalist genannt werden möchte als etwas anderes.“ Den Stempel „Neoklassik“ lässt er sich, obwohl er doch deren bekanntester Repräsentant ist, nur ungern aufdrücken.

Doch natürlich findet sich in seiner Musik all das, was man an der Neoklassik lieben und hassen kann. Einaudi versteht es mit seiner Musik wie kein anderer seiner zeitgenössischen Kollegen, atmosphärische, cinematographische Klanglandschaften zu schaffen, in die man als Hörer wunderbar abtauchen kann. Die einen emotional packen. Die aber eben auch nicht wahnsinnig komplex sind, immer wieder denselben Mustern folgen, und das, obwohl der Mann doch ein Schüler der Avantgardisten Luciano Berio und Karlheinz Stockhausen war. In seiner Musik schimmert das nicht durch. Sie ist mehr eine wärmende Decke, Balsam für die in diesen Zeiten so geschundene Publikumsseele.

Der Soundtrack-Maestro

Im Fokus stehen an diesem Abend Songs aus seinem jüngsten Album „The Summer Portraits“. Die im Januar erschienene Platte wurde von einem Trip Einaudis in eine Landvilla auf der toskanischen Insel Elba inspiriert, die Songs tragen einen zurück in die Sommerzeit der 1950er-, vielleicht auch der 1960er-Jahre, sie sind melancholisch, nostalgisch, aber irgendwie auch tröstend. „Rose Bay“ darf sogar gleich den Opener geben. Ein guter Einstieg.

Natürlich hatte Einaudi auch Tracks aus dem Soundtrack zur französischen Komödie  „Ziemlich beste Freunde“ dabei, die 2011 zum weltweiten Erfolg wurde. Auch dank der Musik Einaudis, die genau die richtigen emotionalen Knöpfe drückte.  In Mannheim spielte er aus eben jenem Werk „Una Mattina“ und „Fly“, zwei Stücke, mit denen dem Mann spätestens auch hierzulande der Mainstream-Durchbruch gelang. Funktionieren beide auch live wunderbar.

Am Ende des etwas mehr als zweistündigen Mannheimer Konzerts durfte sich auch „The Tower“ als Zugabe nochmal aufrichten. Danach: großer Applaus für den Maestro, der sich denn auch nochmal dem Publikum von vorne zeigte. Das kam selten genug vor bei diesem Auftritt, saß der Italiener doch mit dem Rücken zum Publikum. Er ist eben auch auf der Bühne eher ein eleganter Minimalist – und kein Zampano.

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