In den Neunziger Jahren landete die Schwedin Nina Persson mit ihrer Band The Cardigans jede Menge großer Hits. Mittlerweile hat sich die Sängerin eher rar gemacht. Sie macht nur noch das, wozu sie Lust hat. Und die hatte sie, als der schottische Musiker James Yorkston auf sie zukam und sie bat, mit ihm und dem schwedischen Second Hand Orchestra ein spannendes Projekt umzusetzen. Ergebnis des gemeinsamen Schaffens ist das Album „The Great White Sea Eagle“, das im Januar erschienen ist und mit dem Yorkston und Persson jetzt auf Deutschland-Tour gehen. Benjamin Fiege sprach mit den beiden vorab über die gemeinsame Zeit, verpasste Chancen, deutsche Bands und Zukunftspläne.
Auf Tour: Jamen Yorkston & Nina Persson
19.10.2023 Dresden, Beatpol
20.10.2023 Weinheim, Café Central
21.10.2023 Frankfurt, Brotfabrik
22.10.2023 Reutlingen, franz.K
23.10.2023 CH-Zürich, El Lokal
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Nina, James, auf dem Instagram-Post, mit dem Ihr Eure anstehende Deutschland-Tour bewerbt, sind lauter Paulaner-Bierflaschen zu sehen. Zielgruppenorientierte Promo-Aktion oder reiner Zufall?
Nina: Dass das bisher noch niemandem aufgefallen ist!
James: Wir hoffen, wir liegen mit der Marke nicht daneben?
Nina: Das Weißbier stammt aus unserem Rider. Aber es wäre natürlich cleveres Marketing, oder?.
James: Ein bisschen Lokalkolorit ist immer gut. Jackie Leven, der schottische Singer-Songwriter, hat über so viele Städte, in denen er gespielt hat, Songs geschrieben, dass man ihn immer wieder in diese eingeladen hat.
Smart! Was findet sich denn bei euch sonst so backstage auf Tour?
Nina: Ach, eigentlich recht normale Sachen. Wasser, Bier, Wein, Snacks, aber auch Obst oder Avocados. James ist ja Veganer.
James: Es ist alles sehr übersichtlich, wir sind ja auch nur zu zweit. Da versuchen wir, nachhaltig zu sein und nichts wegzuschmeißen.
Ihr seid in diesem Jahr ja schon einmal in Deutschland gewesen, seid schon ein bisschen getourt. Wie war denn die gemeinsame Reiseerfahrung bisher? Zumal ihr euch ja nun noch nicht so lange kennt …
Nina: Die Erfahrung ist sehr positiv. Zumal ja hier zwei Erwachsene miteinander unterwegs sind. Das macht es angenehm. Wir haben da früh Basics festgelegt.
James (grinst): Essen, Schlafen, …
Nina (lacht): Ja, genau.
James: Es ist ja auch nicht so, dass wir da nun blind miteinander losgereist sind. Wir hatten ja durch unsere Zoom-Calls und die gemeinsame Arbeit schon Zeit miteinander verbracht und schnell gemerkt, dass wir da auf einer Wellenlänge liegen und da keine Probleme zu erwarten sind. Es wird viel gelacht.
Fühlt sich das Touren anders als mit den Cardigans an, Nina?
Nina: Es fühlt sich tatsächlich ganz anders an. Bei den Cardigans war man ja als Künstler in Sachen Reisen eher passiv, es wurde einem gesagt, wo man jetzt hingeht und wie man dort hin kommt, man wurde auch gefahren. Jetzt hat man alles selbst in der Hand und muss schauen, wie man von A nach B kommt. Das ist auch schon ein kleines Abenteuer, macht aber viel Freude. Die meisten Künstler fangen ja so mit dem Musikmachen an, bei mir ist es umgekehrt. Hat ja auch was für sich.
James: Wir haben immerhin noch keinen Zug verpasst!
Von Nico bis Can
Da ihr ja jetzt nach Deutschland reist: Gibt es deutsche Bands, zu denen Ihr eine Verbindung habt?
James: Es gibt da ein paar deutsche Bands, die ich zu meinen Einflüssen zähle. Gerade aus dem Krautrock-Bereich. Can wären da zu nennen, aber auch Faust oder Neu!
Nina: Ich muss leider sagen, dass ich neuere Musik gar nicht mehr so sehr verfolge. Bin da nicht mehr ganz so up to date. Mir gefielen aber immer Nico, und ja, auch Can.
Ich habe gelesen, du hast Alphaville gehört, Nina?
Nina: Oh mein Gott ja, Alphaville. Die Musik habe ich wirklich geliebt, sie gehört auch zu den frühesten musikalischen Erinnerungen, die ich habe. Ich war ein echter Fan und richtig verknallt.
James: Wir hören natürlich auch viel David Hasselhoff.
Wie es zu dem gemeinsamen Album kam
Schön, er sang ja sozusagen mit „Looking for Freedom“ unsere Nationalhymne. Ihr kommt nach Deutschland mit einem gemeinsamen Album. Wie ist es denn zu diesem Projekt gekommen?
James: Ich hatte mit dem schwedischen Second Hand Orchestra 2021 das Album „The Wide, Wide Sea“ veröffentlicht. Wir wollten dann ein Nachfolgealbum machen, weil alle Beteiligten Spaß an der Sache hatten. Das Konzept sah vor, dass ich die Songs schreibe und sie dann mit ins Studio nehme, wo sie dem Rest zum ersten Mal vorgespielt werden. Karl Jonas „KJ“ Winqvist, der Kopf des Orchesters, hatte die Idee, eine Sängerin mit dazu zu holen. Er hat mir dann eine Liste geschickt mit Namen, alles tolle Leute, auf der auch Nina stand.
Und warum musste es dann Nina sein?
James: Ich dachte: Wow, können wir sie wirklich bekommen? Ich kannte ihre Arbeit natürlich und speziell das Cardigans-Album „Life“ fanden ich und meine Kumpels in Edinburgh damals sehr gut. Die Idee, mit Nina zusammenzuarbeiten, hatte es mir da daher direkt angetan. Ich habe dann gegoogelt, um zu schauen, ob sie denn noch immer so toll klingt wie damals. Und ich fand: Sie klingt sogar noch besser. Dann haben wir das eingefädelt.
Warum hast du zugesagt, Nina? Du bekommst ja sicherlich viele Angebote.
Nina: Ich kannte James vorher tatsächlich nicht, aber der Kontakt durch KJ, einem gemeinsamen Bekannten von uns, war sicherlich ein großer Faktor. Seinem Urteilsvermögen kann man vertrauen. Und dann waren da natürlich seine Songs. Ich habe mir ein paar seiner früheren Arbeiten angehört, auch seine frühere Platte mit The Second Hand Orchestra. Ich liebte sie. Er hat ein gutes Händchen für Lyrics, für einfache, aber berührende Melodien. Später haben wir dann telefoniert, gezoomt, besser gesagt, und hatten das Gefühl, dass das funktionieren könnte. Spannend war natürlich auch, dass es direkt um ein ganzes Album und nicht nur einen einzelnen Song ging.
Natürlich sage ich auch sonst viele Sachen ab. Sachen, die mich langweilen oder bei denen ich das Gefühl habe, da will man jetzt einfach nur meinen Namen auf die Platte drucken.
Wie Nina fast einen Bond-Song sang
Hast du dich schon mal über ein Angebot geärgert, dass du abgelehnt hast, weil es am Ende doch sehr erfolgreich wurde?
Nina: Tatsächlich haben wir mit den Cardigans es mal abgelehnt, einen Bond-Song aufzunehmen. Das wäre für „Tomorrow Never Dies“ gewesen. Der kam 1997 mit Pierce Brosnan in die Kinos. Wir haben das damals abgelehnt, eigentlich ja ziemlich arrogantvon uns. Ich war zu der Zeit aber ziemlich erschöpft, hatte da dann keine Lust drauf, obwohl wir das Material, den Song, eigentlich hatten und ihn nur leicht hätten verändern müssen. Im Nachhinein ein Fehler. Sheryl Crow hat den Bond-Song dann am Ende gesungen. Schade, heute denke ich, dass ich damit vor meinem Sohn hätte angeben können.
James, für das Album hast du die Songs geschrieben und sie dann dem Orchestra und Nina zur Weiterverarbeitung überlassen. Ist das schwierig? Muss man da sein Ego als Songwriter hintenan stellen?
James: Ach, mein Ego habe ich schon vor langer Zeit abgestreift. Das hat mir also keine Probleme gemacht. Zumal ich da ja mit hervorragenden Musikern zusammengearbeitet habe, die genau wissen, was sie tun. Das sind richtige Charaktere. Denen brauchte ich dann auch nicht reinreden. Was ja auch geradezu vermessen gewesen wäre. So im Stil von: Die Violine würde ich anders spielen. Nina, den Song würde ich eigentlich anders singen. Nein, nein.
Manche Lyrics sind ja sehr persönlich. Fiel es da schwerer, loszulassen?
James: Es kommt da immer auf den Song an. Bei manchen war es mir durchaus wichtig, sie selbst auch mitzusingen, andere wiederum wurden dadurch universeller, dass ich sie eben nicht sang. Das muss man immer von Fall zu Fall entscheiden. Und Nina ist eine fantastische Sängerin. Sie bringt Emotion mit, aber auch viel Natürlichkeit. Viel Wärme. Das wirkt nie aufgesetzt.
Nina, du hast ja selbst auch viele Lyrics von Cardigans-Songs geschrieben. War es für dich neu, das Material eines anderen zu interpretieren?
Nina: Es war nun nicht komplett neu für mich. Ich war in den vergangenen Jahren ja immer als Gast-Sängerin mal irgendwo dabei, coverte auch gerne mal Songs, die mich inspirierten. Das war also nicht neu oder ungewöhnlich für mich.
James, du hast die Songs auf dem Klavier komponiert, nicht auf der Gitarre wie sonst. Wie kam es dazu?
James: Ich wollte einfach mal etwas Neues ausprobieren. Ich spiele seit 30 Jahren Gitarre, Klavier aber erst seit drei Jahren. Da umzustellen, bedeutet gleichzeitig ein Ausbruch aus der Routine. Das hat mir letztlich ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Auch der Zufall spielte eine Rolle, weil ich zu der Zeit das Haus eines Freundes hütete, in dem es ein Piano gab und ich erstmals uneingeschränkten Zugang zu diesem Instrument hatte.
Bei den Aufnahmen war viel Improvisation im Spiel. Setzt sich das auch auf der Bühne fort?
Nina: Ja, die Improvisation bleibt Teil des Ganzen. Das Maß an Improvisation war schon aufregend, auch wenn ich das Improvisieren auch von früheren Arbeiten kenne, etwa von den Proben mit den Cardigans oder auch von meinen Jazz-Konzerten.
James: Wir versuchen, es nicht langweilig werden zu lassen, hören auch aufs Publikum. Das gehört live ja auch dazu
Wie ich gelesen habe, sollen dir die Jazz-Konzerte ja nicht allzu großen Spaß gemacht haben, Nina.
Nina: Ich sage es mal so: Es war eine wunderbare Erfahrung. Ich hatte eine gute Zeit, war mit tollen Musikern unterwegs. Man hat mich immer wieder gefragt, warum ich nicht mal Jazz ausprobiere. Jetzt kann ich wenigstens sagen: Das habe ich jetzt, aber es ist nicht meins.
Was kann man denn nun von den anstehenden Konzerten erwarten? Das Konzert in seiner Gesamtheit?
Nina: Nein, nicht in seiner Gesamtheit.
James: Es werden aber neue Sachen sein. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, alte Sachen mit einzubauen. Es soll frisch bleiben. Ich glaube, wir hatten nicht einmal Cover dabei.
Nina: Das könnten wir aber. Warum nicht?
James: Ja, warum nicht. Eine Elton-John-Tribute-Passage traue ich mir bei meinem Klavierspiel allerdings noch nicht zu.
Weiteres Album geplant
War das jetzt mit Euch eine einmalige Sache? Oder plant Ihr schon neue gemeinsame Projekte?
James: Ich will jetzt nicht zu viel verraten, weiß auch nicht, ob wir da drüber schon so viel sprechen dürfen oder sollten: Aber ja, wir werden ein neues Album für Domino machen, wieder mit dem Second Hand Orchestra. Das wird sicher wieder super, ich freue mich schon wahnsinnig drauf.
Also man kann festhalten: Es wird ein neues Album und es wird wohl kein Jazz sein.
James (lacht): Darüber haben wir zwar noch nicht im Detail gesprochen, aber nein, ich glaube, in diese Richtung wird es nicht gehen. So viel kann man sagen.
Nina (grinsend): And what’s Jazz after all?
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