Rhonda (foto: Joachim Zunke)

Interview: Milo Milone über das beschlossene Aus von Rhonda, die letzte Tour und Mutterwerden im Musikbiz

Schon zu Beginn des Jahres schossen die Spekulationen ins Kraut, jetzt ist es offiziell: Rhonda machen Schluss. Die norddeutsche Neo-Soulband zieht zehn Jahre nach ihrem Debütalbum „Raw Love“ einen Schlussstrich. Ihre nun startende Abschiedstournee führt die Band um Frontfrau Milo Milone unter anderem auch nach Karlsruhe. Vorher sprach Benjamin Fiege mit Milo über die Gründe für das Aus der Band, Milones Leben in den USA und die anstehende Tour.

Milo, „This Is The End“ heißt eure aktuelle Tour – und das nicht zufällig. Es ist tatsächlich euer Abschied. Wie kommt’s dazu?

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Es ist im Prinzip die logische Konsequenz des Fakts, dass ich in Los Angeles lebe. Wir hatten es in den vergangenen Jahren trotz der räumlichen Trennung zwar immer irgendwie geschafft, Musik aufzunehmen und zu veröffentlichen, in Kontakt zu bleiben. Aber es hat dann am Ende nicht mehr so gut funktioniert wie vorher. Wir sind auch keine Band, die auf Social Media wahnsinnig aktiv ist, und dann fangen die Dinge an, langsam einzuschlafen. Wir hatten das Gefühl, die Band stirbt einen langsamen Tod. Daher haben wir uns überlegt: Vielleicht machen wir jetzt einfach nochmal eine große Sause, feiern das, was wir erreicht haben, schließen dann diese Tür – und machen eine neue auf.

Das heißt, in den letzten Jahren war Rhonda ohnehin für Euch nur noch ein Nebenprojekt?

Bis zur Pandemie lag schon der Hauptfokus auf der Band. Corona hat dann aber ganz schön was durchgeschüttelt. So ging es ja vielen anderen Künstlern auch. In der Musiklandschaft hat sich die vergangenen Jahre viel verändert. Die großen Acts wie Taylor Swift laufen immer noch gut, aber die kleineren Mittelklasse-Bands haben es immer schwieriger.

Stand der Entschluss denn schon lange fest?

Wahrscheinlich war es uns schon mit dem letzten Album „Forever Yours“ (2023) bewusst, auch wenn es damals noch niemand ausgesprochen hat. Als es dann aber tatsächlich diskutiert wurde – ich weiß gar nicht mehr, wer letztlich damit angefangen hat –, war das für uns alle relativ schnell klar. Bevor wir das letzte Album released hatten, verließ ja auch schon unser langjähriger Bassist die Band, um Musik für Filme zu komponieren. Das war schon ein erster Hinweis, da er zum Gerüst von Rhonda gehört hat und von Anfang an Teil der Gruppe war. Wir haben uns immer gut verstanden in der Band, aber in dieser ganzen Gemengelage fühlte sich das Ende nun doch auch konsequent für uns an.

„Von Angesicht zu Angesicht besprochen“

Wie muss man sich denn diesen Schlussstrich vorstellen? Habt ihr da praktisch über Zoom miteinander Schluss gemacht? Oder euch persönlich zusammengesetzt?

Das wurde schon von Angesicht zu Angesicht das erste Mal besprochen. Und auch während unserer bis dato letzten Tour war es dann Thema. Wir hatten sogar kurz überlegt, ob das damals schon die letzte Tour gewesen sein sollte. Sie war nämlich sehr erfolgreich, mit vielen tollen, ausverkauften Shows. Da gab es schon ein bisschen Herzschmerz. Uns war dann aber schnell klar, dass wir das Ende der Band richtig kommunizieren müssen. Wir hatten zehn Jahre lang eine gute Zeit, da hätte es sich falsch angefühlt, dieser nicht ein angemessenes Finale zu geben.

Wie bereitet man sich auf diese letzten Gigs vor?

Stand jetzt ist es wie immer. Durch die räumliche Trennung – auch die Jungs sind ja über Deutschland verteilt – kommen wir ja immer erst kurz vor der Tour richtig zusammen. Wir haben dann immer eine intensive Probephase. Die Jungs treffen sich jetzt schon, ich komme eine Woche vor den Konzerten nach Deutschland, dann proben wir nochmal intensiv. Aber wir haben natürlich schon so viele Konzerte gemeinsam gespielt, dass das alles auch wie eingebrannt ist.

Und wie ist die Gefühlslage?

Es ist noch total surreal für mich und noch gar nicht richtig bei mir angekommen. Weil es sich ja in der Vorbereitung anfühlt wie jede andere Tour. Und auch bei der Tour wird es dann wie ein Rausch sein, man fühlt sich ein bisschen gejtelagged, man freut sich auf die vielen Freunde, die man wieder sieht, ist positiv aufgeregt. Ich weiß auch noch gar nicht, was ich nach dem letzten Konzert machen werde, weil ich noch gar nicht weiß, wie sich das anfühlen wird. Es gibt Konzerte, da will man raus, an die Bar, mit Leuten sprechen. Und dann wieder andere, wo man einfach nach Hause will und Nudeln essen, um alles zu verarbeiten.

Stelle es mir nicht einfach vor, das sonnige Kalifornien für einen Kurztrip ins regnerisch-kalte Deutschland zu verlassen …

Heute ist es hier sehr deutsch, sehr grau, das war es gestern auch schon. Viele wissen gar nicht: Auch in Kalifornien hat es ja verschiedene Jahreszeiten.  Das goldene Licht hier ist aber meistens da, auch im tiefsten Winter. Ich kann mich trotzdem gut davon lösen, komme immer wieder gerne nach Deutschland. Und jetzt fahren wir ja an so viele Orte, die wir schon kennen, an Locations, deren Besitzer wir lieben, wo wir gute Erfahrungen hatten. Daher freue ich mich auch richtig.

„Keine Ahnung, ob das der Ort für immer ist“

Was hat dich damals nach Los Angeles verschlagen?

Mein Mann ist Kameramann und Regisseur. Es hat sich dann plötzlich die Chance aufgetan, nach L.A. zu gehen. Wir dachten erst, wir probieren das mal für ein Jahr aus. Da war unser Sohn drei Jahre alt. Jetzt ist er fast zehn und wir sind immer noch da. Das geht vielen Einwanderern hier so, die wir kennengerlernt haben. Auch aus Deutschland. Keine Ahnung, ob das hier jetzt der Ort für immer ist.

Ich habe neulich mit Fran Healy von Travis gesprochen, der ja mittlerweile auch in L.A. lebt und sein Studio in Skid Row hat. Hoffe, du hast dir da ein besseres Fleckchen ausgesucht?

Skid Row ist interessant. Definitiv ein Ort, an dem man abends nicht unbedingt allein herumlaufen will.

Eine Stadt der krassen Gegensätze auf jeden Fall. Großes soziales Elend trifft auf die Glitzerwelt Hollywoods. Machen diese Gegensätze mit dir auch künstlerisch etwas?

Der Ort, an dem man arbeitet, macht immer etwas mit einem, beeinflusst einen, auch künstlerisch. Das ist auch bei mir so. Aber das hat nichts mit den sozialen Klassen hier zu tun, sondern eher mit der Natur, der Umwelt, mit Klima, mit Vegetation. Ich bin etwa ein riesiger Fan der Wüste, mich zieht es da immer wieder hin, wir wären als Familie da fast sogar hingezogen. Aber dieser Vibe macht viel mit mir. Und dann ist Kalifornien eben ein gewaltiger Bundesstaat, alles ist extrem, das Wetter, die Menschen. Man merkt, wie ruhig und behütet es im Vergleich in Deutschland ist. Und dann sind die Kalifornier sehr offen in ihrem Denken. Wir haben hier viele inspirierende Menschen kennengelernt.

Wären Kalifornien beziehungsweise die USA nicht eigentlich auch die perfekte Umgebung für die Musik von Rhonda gewesen? Du hast mal in einem Interview gesagt, dass Rhonda stilistisch eigentlich gar nicht so gut auf den deutschen Markt gepasst haben. Gab es da mal Pläne, es drüben zu versuchen?

Ja, eigentlich ganz witzig, dass wir das nie versucht haben. Ich glaube auch, dass das funktioniert hätte. Das Feedback, das ich hier von Menschen hinsichtlich unserer Musik bekomme, legt das zumindest nahe. Dass wir es nicht gemacht haben, liegt zum einen an der Pandemie, zum anderen aber auch an der Tatsache, dass ich Musikkarriere und Mutterwerden werden parallel gemacht habe. Da sind Labels manchmal vorsichtig. Ich wäre mit Rhonda aber gerne den internationalen Weg gegangen.

„Viele Labels haben sich die Zähne an uns ausgebissen“

Zumal ihr ja auch immer auf Englisch gesungen habt, nie auf Deutsch.

Wenn es ums Singen geht, ist Deutsch einfach nicht meine Sprache. Es gibt viele, coole neue Bands, die das auf Deutsch toll machen, die sind dann aber meist in anderen Genres unterwegs. Soul auf Deutsch, das passt für mich persönlich nicht. 

Da seid ihr euch in der Band immer einig gewesen? Oder liegt da irgendwo im Rhonda-Giftschrank ein nie veröffentlichter Versuch, Soul auf Deutsch zu machen?

Nein, den Versuch gab es nie. (lacht) Da waren wir uns in der Band immer klar drüber. Aber der Wunsch wurde an uns oft herangetragen. Viele Labels haben sich da die Zähne an uns ausgebissen.

Wenn du jetzt Bilanz ziehen müsstest: Habt ihr erreicht, was ihr euch vorgenommen hattet?

Ich bin grundsätzlich ein positiver Typ. Daher bin ich vielleicht ein bisschen voreingenommen. Ich bin super dankbar und stolz auf das, was wir geschaffen haben. Auch weil wir die Band ja nie mit einem bestimmten Ziel gegründet hatten. Wir haben angefangen als eine Sixties-Szene-Band und das ist dann so schnell viel größer geworden als wir dachten. Natürlich hätte das eine oder andere besser laufen können, wir haben hinsichtlich unserer Labels vielleicht nicht immer die richtige Entscheidung getroffen. Aber das ist egal. Ich bin für all diese Erfahrungen, für dieses Glück dankbar. Zu hören, dass nach zehn Jahren unsere Musik immer noch die Leute berührt – das sind Komplimente für die Ewigkeit. Da bin ich super gerührt.

Gibt es einen Moment, den du als besonders schön in Erinnerung behalten wirst?

Ein Highlight war das Konzert mit dem Babelsberger Filmorchester. Wir fingen als Sixties-Soul-Band an, die Musik wurde aber über die Jahre filmischer, da hat das mit dem Filmorchester wunderbar gepasst. Zu hören, wie diese 60 Leute deine Musik spielen, das war  unvergesslich. Ich mochte aber auch immer die kleinen Shows im intimen Rahmen, da gab es viele magische Momente. Etwa meinen ersten Stagedive.

„Eine Schwangerschaft macht so manche Tür zu“

Und was war der schwierigste?

Der Ausstieg unseres Bassisten gehört sicher dazu. Das fühlte sich beinahe wie eine Trennung an, weil man so viel miteinander erlebt hat. Persönlich hart für mich war aber auch, dass man als Mutter und Musikerin anders angesehen wird als wenn man keine Kinder hat. Bevor ich mit meiner Tochter schwanger wurde, hatten wir einen ziemlichen Wind um uns herum, viele internationale Angebote, bei Festivals aufzutreten. Durch die Schwangerschaft ist vieles weggefallen. Da hatten Geschäftspartner Angst, dass man nicht abliefern würde können. Das fand ich schade, dass so etwas Schönes, eine Schwangerschaft, mit etwas Negativem verbunden wird. Zumal ich ja bei meiner ersten Schwangerschaft schon bewiesen hatte, dass ich beides schaffe. Eine Schwangerschaft macht aber leider so manche Tür zu. 

Man liest ja immer wieder, dass es für Bands mit Frauen am Mikro, ob Mutter oder nicht, ohnehin schwerer ist, etwa für Festivals gebucht zu werden. Dort sind diese immer noch  unterrepräsentiert.

Bei kleineren Festivals ist es schon so, dass sie versuchen, eine fairere Ratio zu haben von Frauen, die in Bands spielen. In der Anfangszeit von Rhonda war es aber bei Festivals tatsächlich so, dass ich die einzige Frau war. Es ist cool, dass das heute schon etwas anders ist. Früher haben die Leute gedacht, ich sei ein Groupie der Band. Das kann einen schon sauer machen. Aber die fehlende Akzeptanz von Müttern/Kindern ist immer noch so ein Punkt. Es ist möglich, Musikerin und Mutter zu sein. Es erfordert vielleicht ein bisschen mehr Planung und Arbeit, aber es geht.

Wirst du denn nach zehn Jahren Rhonda immer noch mit dem Namen angesprochen?

Ja, das passiert, aber tatsächlich nicht so oft. Zumindest nicht so oft, dass ich mich darüber hätte aufregen müssen. 

Ist es wahr, dass die Fernsehserie „ALF“ bei eurer Namensfindung eine Rolle gespielt hat?

Genau. Ich bin ein riesiger Fan der Serie. Und ALF hatte auf seinem Heimatplaneten Melmac eine Freundin namens Rhonda. Den Namen fand ich immer super. Und er hat hervorragend zur Band gepasst. Als wir uns aus der Band Trashmonkeys in die neue Band reingemorpht haben, habe ich den Kollegen den Namen vorgeschlagen. Der Name verrät nicht so viel über das, was man macht. Er hat in unserer Anfangszeit, aber auch später funktioniert, auch wenn wir uns stilistisch weiterentwickelt haben.

Nochmal zurück zu eurer nun anstehenden Tour: Was kann man denn von den Konzerten erwarten? Wird es zum Abschied auch nochmal neue Songs zu hören geben?

Es wird tatsächlich einen neuen Song geben. Er heißt „The More We Are Together“. Er hat total Spaß gemacht, ist einfach so passiert. Und das passt einfach gut zur Band, in der auch immer viel einfach passiert ist, ohne großen Plan dahinter. Auf der Tour spielen wir ihn dann zum ersten Mal zusammen überhaupt.

Live-Termine

21.11.2024 – Hannover – Lux
22.11.2024 – Berlin – Privatclub
25.11.2024 – Köln – Helios37
26.11.2024 – München – Milla
27.11.2024 – Karlsruhe – Alte Hackerei
28.11.2024 – Wetzlar – Kulturzentrum Franzis
29.11.2024 – Bremen – Schaulust
30.11.2024 – Hamburg – Mojo Club

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