Melanie Raabe (foto: christian faustus)

Interview: Melanie Raabe über ihren neuen Roman „Die Wälder“

Der Erfolg kam nicht über Nacht. Fast zehn Jahre lang schrieb Melanie Raabe schon Romane, ehe sie mit „Die Falle“ 2015 ihren großen Durchbruch hatte. Mittlerweile ist sie Bestsellerautorin. Benjamin Fiege sprach mit der Autorin über ihren neuen Roman „Die Wälder“ und fragte sie, wieviel Landei in der Wahlkölnerin noch steckt.

Frau Raabe, wenn man Sie so in Interviews oder den sozialen Netzwerken erlebt, könnte man meinen, Sie sind ein sehr fröhlicher Mensch. Oder verbergen Sie einfach ihre düstere Seite besser? Woher kommt das Interesse an menschlichen Abgründen?

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Ich habe auch allen Grund fröhlich zu sein. Es geht mir gut, und ich darf das machen, was ich am meisten liebe: schreiben. Es wundern sich aber in der Tat viele Menschen, warum ein fröhlicher Mensch wie ich sich in diesem Genre bewegt. Aber ich bin ja nun auch nicht immer fröhlich, sondern bin – wie jeder andere auch – ein Mensch mit vielen Facetten. Und: So düster finde ich meine Bücher gar nicht. Sie enden ja meist hoffnungsvoll. Es ist Spannungsliteratur, oft mit einem mysteriösen Anstrich – ich habe da einfach eine Nische für mich gefunden. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, mal was ganz anderes zu schreiben. Nur eher keine Liebesromane.

Sie sind in Ihrem Genre, in Ihrer Nische, auf jeden Fall sehr erfolgreich. Der Verlag bewirbt Sie als Bestseller-Autorin. Schafft denn so ein Label auch Druck?

Eigentlich nicht. Ich bekomme es zwar mit, wenn ich in Bestsellerlisten auftauche, weiß aber gar nicht, wie viele Bücher ich  verkauft habe. Damit beschäftige ich mich  nicht. Es ist immer gefährlich, wenn der Antrieb beim Schreiben kommerzieller Natur ist. Wenn man sich von Zahlen leiten lässt. Ich bin dann zufrieden, wenn ich mein Bestes gegeben habe und am Ende ein fertiges Buch in der Hand halte. Das ist immer ein ganz besonderer Moment. Und ein gutes Buch bleibt ein gutes Buch, auch wenn es sich nicht so oft verkauft. Manchmal ist es ja auch so, dass ein Buch sich erst später verkauft, aus irgendeinem Grund neu entdeckt wird. Man darf sich davon nicht verrückt machen lassen.

Das heißt, der Verlag lässt Sie in Ruhe arbeiten?

Ja, inhaltlich mischt er sich nicht ein. Das wäre auch gefährlich. Und auch nicht sinnvoll. Denn letztlich weiß ja niemand, was sich warum und wann gut verkaufen wird. Wüsste man das, dann hätte man da sicher längst einen Algorithmus entwickelt.

Plötzlich bekannt

Hat sich denn in Ihrem Alltag etwas durch den Erfolg verändert? Werden Sie auf der Straße erkannt? Von vielen Autoren kennen die meisten ja nicht das Gesicht, sondern nur den Namen auf dem Buchdeckel.

Klar, mein Arbeitsalltag hat sich natürlich verändert. Ich schreibe jetzt hauptberuflich, gehe auf Lesereisen, gebe Interviews. Erkannt werde ich vor allem dann, wenn ich gerade mal im Fernsehen zu sehen war. Aber ich kann tatsächlich  noch ungestört durch die Straßen gehen, das ist fast wie früher. Der Vorteil eines Schriftstellers gegenüber eines Schauspielers oder Popstars.

Also haben Sie nicht sicherheitshalber einen Stapel Autogrammkarten im Kofferraum?

Oh mein Gott, nein. Das wäre mir irgendwie peinlich. Ich finde den Gedanken schon absurd, Autogrammkarten von mir zu haben. Vom Verlag habe ich zwar einen Satz bekommen,  aber den nehme ich noch nicht mal mit auf meine Lesereisen. Da signiere ich dann lieber Bücher oder so. 

Ihr Erfolg kam, auch wenn es so aussah, nicht über Nacht. Vor Ihrem Durchbruch mit „Die Falle“ haben Sie ja schon innerhalb von zehn Jahren vier Romane geschrieben, die aber allesamt keinen Verlag gefunden hatten. Was war denn damals der Plan B? Und wie haben Sie sich motiviert, am Ball zu bleiben?

Die Motivation war intrinsisch. Mir macht das Schreiben einfach Spaß und ich hatte  auch nicht den Druck, davon leben zu müssen. Es war nie der Plan oder das Ziel, Bestsellerautorin zu werden. Hauptberuflich war ich ja Journalistin, vor allem im Bereich Kultur, habe unter anderem für Print und TV gearbeitet. Das hätte ich dann einfach weiter getan und das Schreiben als Hobby betrachtet.

Hollywood ruft

Für mehrere Ihrer Bücher wurden bereits die Filmrechte verkauft. Ist da schon ein konkretes Projekt in der Pipeline?

Nein, die Rechte wurden zwar verkauft und man macht sich Gedanken. Aber ein konkretes Projekt gibt es da noch nicht.

So eine filmische Umsetzung birgt  immer auch Gefahren. Stephen King etwa hat Stanley Kubricks Adaption von „Shining“ gehasst.

Ja, das habe ich auch mal gelesen. Ich mache mir da weniger Sorgen, sondern finde es eher spannend, wie ein Filmemacher den Stoff umsetzen würde. Mein Buch kaputtmachen, kann er nicht. Es bliebe durch so einen Film ja unverändert.

Sie würden also nicht darauf bestehen, das Drehbuch zu schreiben?

Nein, sicher nicht. Das ist auch nochmal etwas ganz anderes als einen Roman zu schreiben. Eine Kunst für sich. Da gibt es sicher Leute, die das besser können. Und ich würde es fast als Strafarbeit empfinden, mich noch einmal so tiefgehend mit einem Projekt beschäftigen zu müssen, das ich eigentlich für mich schon abgeschlossen habe. Ich will mich ja weiterentwickeln.

Ein unheimliches Erlebnis im Wald

Mit „Die Wälder“ haben Sie nun gerade ein neues Buch veröffentlicht. Als Inspirationsquelle soll auch ein persönliches Erlebnis im Wald gedient haben …

Prinzipiell ist es ja so, dass die Angst vor dem Wald eine Urangst des Menschen ist. Gerade in der Nacht. Er ist dunkel, unübersichtlich, bietet viele Verstecke – und dann sind dann diese vielen Geräusche, die man nicht einordnen kann. Ich war vor etwa 15, 16 Jahren mal nachts alleine  mit dem Auto  in einem Waldgebiet unterwegs, als plötzlich ein Reifen mitten auf der Fahrbahn lag. Eine unheimliche Situation, es sah so aus, als wäre er da absichtlich platziert worden. Ich habe dann lange mit mir gerungen, ob ich aussteigen soll oder nicht. Am Ende habe ich ihn umfahren und nicht von der Straße geräumt. Wenn auch mit einem schlechten Gewissen.

In einem Interview haben Sie gesagt, dass Sie beim Schreiben viel reflektiert haben. Was haben Sie denn über sich herausgefunden? Wie viel Landei steckt denn noch in der Wahl-Großstädterin?

Oh, total viel. Das ist eigentlich ganz witzig. Ich habe  nur acht Jahre meines Lebens wirklich im Dorf gelebt, aber offenbar war das ziemlich prägend. Es kommt vor, dass Bekannte, die meine Bücher lesen, mir sagen: Hey, was du hier beschreibst, das ist doch der Vorgarten von Soundso. Oder dieses Haus, das sieht doch so aus wie das von XY. Da gibt es anscheinend viele verschüttete Erinnerungen, die beim Schreiben wieder ans Tageslicht kommen. Das Landei steckt also immer noch in mir, ich mag das Dörfliche, das Ländliche. Es war der Job, der  mich letztlich nach Köln verschlagen hat. Aber mir gefällt es auch, in der Großstadt zu leben – oder in große Städte zu reisen. New York ist ein Lieblingsort.

Die Heldin Ihres Romans ist wieder eine starke Frauenfigur. Ist das Zufall? Oder eine bewusste Entscheidung?

In diesem Fall würde ich sagen: Sie ist nicht die alleinige Protagonistin in diesem Buch. Da gibt es auch noch die Figur des Jungen. Aber es stimmt, in der Vergangenheit waren meine Hauptfiguren immer Frauen. Das ist aber keine bewusste Entscheidung gewesen, das entwickelte sich einfach organisch. Die Geschichte diktiert mir immer die Hauptfigur. Wenn eine Geschichte mal einen männlichen Protagonisten verlangt, hätte ich damit auch kein Problem.

Die Literaturszene war gerade im Thriller-Bereich lange Zeit männlich dominiert. Das scheint sich langsam zu ändern. Oder sieht das von außen nur so aus?

Nein, ich glaube, für Frauen ist es in diesem Bereich tatsächlich einfacher geworden. Das liegt natürlich daran, dass in diesem Genre Frauen in den vergangenen Jahren auch viel Großartiges geleistet haben. Sei es in der Literatur oder in Hollywood. Ich selbst fühle mich in der Branche sehr wohl und habe da noch keine schlechten Erfahrungen gemacht.

Auf Lesetour: Melanie Raabe macht in der Pfalz Station

Kommende Woche sind Sie nun in Grünstadt zu Gast. Waren Sie denn schon mal in der Pfalz?

Gelesen habe ich in der Pfalz noch nicht, aber ich bin hier in der Region schon mal gewandert. Wo genau, weiß ich aber gar nicht mehr. Ich erinnere mich aber, dass es sehr schön war – und dass ich hier guten Wein getrunken habe.

Wälder hat es ja hier auch.

Solange ich da nicht im Dunkeln durch muss, ist das ja völlig in Ordnung.

Als Autor verlässt man für solche Lesungen ja seinen geschützten Raum und muss – oder darf – mit dem direkten Feedback des Lesers leben. Sind Ihnen da besondere Ereignisse in Erinnerung geblieben?

Mir macht das Lesen unheimlich viel Spaß. Das nutzt sich für mich nicht ab. Negative Erfahrungen gab es da noch nicht. Die meisten Menschen kommen ja zu einer Lesung, weil sie den Autor beziehungsweise sein Werk grundsätzlich mögen. Aber es gab durchaus berührende Momente. Manchmal merkt man, dass Dinge, die man beschreibt,  manchen  Lesern wirklich nahe gehen. In „Die Wahrheit“ etwa geht es um einen Geschäftsmann, der auf einer Südamerika-Reise spurlos verschwindet. Bei einer Lesung erzählte mir dann mal jemand, dass diese Story ihn sehr an einen Fall erinnerte, der sich in seinem Bekanntenkreis abgespielt hat. Das sind Momente, die einen dann als Autorin natürlich auch bewegen.

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