Wallis Bird (foto: jens oellermann)

Im Interview: Wallis Bird

Wallis Bird war wütend. Auf die Pöbler, die Rassisten, die Ungerechten. Und so hat sich die irische Singer-Songwriterin entschlossen, mit ihrem neuen Album „Woman“ ein Statement zu setzen. Am 4. November stellt die 37-Jährige die Platte im Mannheimer Capitol nun vor.

Wallis, die Plattenfirma bewirbt Ihr neues Album als Kampf gegen Arschlöcher, Ewiggestrige, Schwarzmaler und Hetzer. Ganz konkret: Wen haben Sie da vor allem im Blick?

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Das sind natürlich starke Worte, aber sie passen ganz gut. Ich ziele damit auf Rassisten ab; Menschen, die Stimmung gegen Flüchtlinge machen. Menschen, die nicht in der Lage sind, Empathie zu zeigen. Narzissten, die nichts anderes tun als labern. Sexisten. Leute, die Krieg wollen. Die Welt dreht sich gerade in die falsche Richtung, und man kann nicht länger still sein und dabei zu schauen.    

Nachdem es auf dem Vorgängeralbum „Home“ noch um Liebe, Beziehungen und Sexualität ging, wird es nun also politisch.

Ja, das kann man so sagen. Die Liebe war eigentlich immer mein großes Thema. Ich habe viel aus meiner persönlichen Erfahrung in meine Musik einfließen lassen, darin praktisch meine lebenslange Suche nach dem passenden Gegenüber verarbeitet. Ganz unpolitisch war das aber auch nicht, denn es ging ja um Gay Love, homosexuelle Liebe. Im Grunde war das auch ein Versuch, ein Beitrag dazu, LGBT-Themen in der Musik zu normalisieren. Aber jetzt, im Jahr 2019, hatte ich vor dem Hintergrund von Trump, dem Brexit und der anhaltenden  Flüchtlingsdebatte das Gefühl, dass es an der Zeit ist, mich von so universellen Themen wie der Liebe zu lösen und einen Standpunkt zu aktuellen sozialpolitischen Fragen einzunehmen.

In Deutschland halten sich viele Künstler eher zurück, wenn es um klare politische Aussagen geht. Fehlt es den Künstlern hier an Haltung?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Man denke nur beispielsweise an die Zeit der Punk-Bewegung, da waren deutsche Künstler vorne mit dabei. Auch so manche große Namen wie Udo Lindenberg, Nena oder Herbert Grönemeyer haben im Laufe ihrer Karriere immer wieder Stellung zu großen sozialen Fragen bezogen. Das war schon sehr wichtig. Von so manchen Künstlern, die heute den Mainstream-Pop dominieren, würde man sich da vielleicht aber auch mal eine klare Aussage wünschen.

Ihre erste Vorab-Single „As The River Flows“ sei eine Konversation mit diesem einen rassistischen Typen, den sie noch aus der Schulzeit kennen, heißt es. Was können Sie darüber erzählen?

Das war eine Geschichte, die sich auf Facebook abgespielt hat. Ich bin da auf einen Post dieses Mannes gestoßen, der mich wirklich wahnsinnig wütend gemacht hat. Darin sagte er sinngemäß, dass er jeden Flüchtling, der sich schutzsuchend in seinen Garten verirrte, am liebsten über den Haufen schießen würde. Was für eine menschenverachtende Aussage. Von einem Menschen, bei dem man sich sicher sein konnte, das er bisher wenig bis gar keinen Kontakt zu Fremden hatte. Diese Begebenheit habe ich dann in dem Song verarbeitet.

Haben Sie denn im engeren privaten Umfeld Enttäuschungen erlebt, seit das Thema Flüchtlinge diskutiert wird?

Ja, das ist leider vorgekommen. Man wird manchmal von Freunden oder in der Familie mit Aussagen konfrontiert, bei denen man sich denkt: Oh nein, das so etwas von dir kommt! Das kann einen schon manchmal traurig machen. Ich versuche dann aber, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, mit ihnen zu reden, zu diskutieren. Manches lässt sich dann auf diese Weise klären.

Das heißt, Sie suchen grundsätzlich mit solchen Menschen immer das Gespräch? Oder wird mit manchen auch radikal der Kontakt abgebrochen?

Das geht natürlich nicht immer. Bei manchen Menschen geht da argumentativ nichts mehr. Und wenn es dann zu krass ist, dann habe ich diese Leute auch schon aus meinem Leben verbannt.

Sie leben seit Jahren in Berlin. Der Künstler Ai Weiwei verlässt es gerade: Die Stimmung hierzulande habe sich ins Negative verändert. Nehmen Sie das auch so krass wahr?

Ich lebe in Neukölln, einem sehr bunten Stadtteil. Dort fühle ich mich auch sehr wohl. Es ist schade, dass Ai Weiwei das so sieht, aber er führt natürlich auch ein anderes Leben, hat einen anderen Background, andere Erfahrungen. Ich weiß nicht, welche Erfahrungen er hier gemacht hat. Und dann stellt sich ja die Frage: Wohin würde er denn ziehen wollen? Denn solche Strömungen, die hier die Stimmung negativ beeinflussen, gibt es ja leider auch in allen anderen westlichen Ländern.

Wie unterscheidet sich denn da die Stimmungslage hier von der in Ihrer irischen Heimat. Das irische Asylsystem gilt ja als sehr strikt.

Das stimmt, die Asylgesetzte in Irland sind sehr scharf. Aber wir haben das Glück, dass mit Premierminister Leo Varadkar und Präsident Michael D. Higgins durchaus empathische Politiker am Werk sind. Dort wird keine Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht, sie moderieren das Thema in der Öffentlichkeit sehr gut und unaufgeregt, mit der nötigen Menschlichkeit. In dieser Hinsicht sollte das echt Vorbildcharakter haben.

Haben Sie denn die Hoffnung, dass sich die Empathie am Ende doch im Rest Europas durchsetzt?

Ich bin grundsätzlich ein optimistischer, positiver Mensch. Daher bin ich überzeugt, dass sich das Gute am Ende durchsetzt.

Ihr neues Album heißt „Woman“ und feiert, dass die feminine Kraft auf dem Vormarsch ist. Wäre Politik denn empathischer, wenn mehr Frauen in verantwortlicher Position wären?

Ich denke schon. Die Kommunikation wäre sicher eine andere. Es gäbe vielleicht mehr Verständnis, mehr Respekt. Das kann man ja schon an kleineren Beispielen sehen – schauen Sie sich nur das typische Büro an. Da gibt es je nach geschlechtlicher Zusammensetzung ganz unterschiedliche Dynamiken. Am besten ist es aber, wenn sich die Geschlechter die Waage halten. Und das gilt auch für die Politik.

Der Albumtitel bezieht sich aber auch auf mein eigenes Erwachsenwerden. Ich bin jetzt 36, da gilt man eben nicht mehr als Mädchen, sondern als Frau. Und das Wort „Woman“ steht hier auch stellvertretend für den Trend, dass sich im LGBT-Bereich doch so einiges tut – und immer noch tun muss.

Gibt es eine Politikerin oder starke weibliche Persönlichkeit, die Sie bewundern?

Da gibt es schon einige. Michelle Obama beispielsweise, wobei natürlich auch ihr Mann genannt werden muss. Und Angela Merkel, die mich in der Flüchtlingsdebatte am Anfang wirklich beeindruckt hat. Aus Irland fallen mir da die frühere Staatspräsidentin Mary Robinson ein, die sich viel um Menschenrechte und Klimagerechtigkeit gekümmert hat, und ihre Nachfolgerin Mary McAleese, die sich ebenfalls vielen sozialen Fragen gewidmet hat.

Am 4. November spielen Sie im Mannheimer Capitol. Sie haben ja hier mal eine Weile gelebt und die Popakademie besucht. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Stadt?

Nur positive. Mannheim ist für mich eine besondere Stadt, hier habe ich das Leben kennengelernt, die Liebe. Es ist außerdem eine Arbeiterstadt, mit einem ganz besonderen Flair. Ich bin immer wieder gerne hier. Und auch über die Popakademie habe ich viele wichtige Verbindungen geknüpft – und viel gelernt.

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