Für ihren Dokumentarfilm „Die Arier“ hat sich die afrodeutsche Moderatorin Mo Asumang (50) mit Neonazis und Ku-Klux-Klan-Anhängern getroffen. Nachdem der Film bereits auf arte lief, soll er im Herbst auch in die Kinos kommen. Wir haben mit Mo Asumang über ihre Erfahrungen beim Dreh gesprochen.
Frau Asumang, sind Sie lebensmüde?
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Ich hatte einfach die Schnauze voll. Wenn man sich in Europa umschaut, merkt man, dass die Neonazis wieder auf dem Vormarsch sind. In Frankreich, Finnland, Schweden, den Niederlanden. Auch hier. Da muss man etwas tun. Und weil ich in Deutschland lebe, fange ich eben hier an.
Der Anlass zu ihrem Debütfilm „Roots Germania“ war eine Morddrohung einer Neonazi-Band gegen Sie. Was war der Auslöser, „Die Arier“ zu drehen?
Die Idee kam, als ich bei einer Recherche auf die Tatsache stieß, dass Arier gar nicht blond und blauäugig sind, sondern dass es sich ursprünglich um ein nomadisierendes Hirtenvolk aus dem Iran handelte. Also sind die, die sich Arier nennen, zum Teil unter und in diesem Namen morden – wie etwa die US-Prison-Gang Aryan Brotherhood – per Definition gar keine Arier. Ich wollte mich mit diesem Thema näher befassen.
Welche Erfahrungen mit Rassismus haben Sie in Ihrem Leben gemacht?
Ich erinnere mich an meine Zeit als Taxifahrerin in den frühen 90er Jahren, in der ich mehrfach angegriffen wurde. Man hat meinen Kopf aufs Taxidach geschlagen, mich mit einer Pistole bedroht. Das hatte eindeutig einen rassistischen Hintergrund.
Fühlt man sich als dunkelhäutiger Mensch in Deutschland sicher?
Ja. Es ist nicht so, dass ich hier hinter jedem Gebüsch eine Gefahr für mich vermute. Die Mehrheit der Menschen hier denkt ja auch nicht so. Aber es gibt eine kleine, rassistische Minderheit – und die ist gefährlich.
Wird das Thema Rassismus hierzulande ausreichend diskutiert?
Es wird bereits viel diskutiert und getan, aber es könnte immer mehr sein. Medial wird das Thema oft falsch aufbereitet. Da sieht man dann immer irgendwelche Glatzen und Springerstiefel. Durch diese Bilder werden Ängste geschürt. Ängste, die zwar teils berechtigt sind, aber die diesen Menschen in die Karten spielen. Man muss aber in den Dialog mit ihnen kommen, am besten mit Einzelnen. Sie mit dem in ihrem Kopf konstruierten Hassbildern konfrontieren. Das habe ich in meinem Film versucht.
Ich kann mir vorstellen, dass es nicht gerade leicht war, Gesprächspartner vor die Kamera zu bekommen …
Vor allem hierzulande. In den USA ist viel durch die Meinungsfreiheit, die „freedom of speech“, abgedeckt – und das nutzen diese Leute aus. Denen macht es nichts aus, vor der Kamera rassistische Parolen abzusondern. Hier ist das anders. Aufgrund unserer Vergangenheit in Deutschland ist hier nicht alles erlaubt, da bekäme man mit manchen Aussagen rechtliche Probleme. Das ist auch gut so. Entsprechend halten sich die Nazis hier öffentlich zurück. Und die Wortführer halten ihre Mitläufer dazu an, zu schweigen. Vor allem gegenüber der Presse. Ich als Schwarze und Pressefrau hatte es also doppelt schwer.
Stichwort „Wortführer“. In den USA haben sie einen der bekannteren rassistischen Wortführer, Tom Metzger, getroffen. Am Ende hat er sie umarmt. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Das war ein besonderer Moment. Weil er sich da demaskiert hat und erahnen ließ, dass das Ganze ein großer Schwindel ist. Für Leute wie Metzger ist das Schüren von Hass vor allem eines: ein Geschäft. Er verdient damit sein Geld, hat in den USA eine Internetradioshow. Er sagte mir dabei: Lassen Sie das bloß niemanden sehen, sonst bin ich erledigt.
Ticken die amerikanischen Rassisten anders als die deutschen?
Ja. In Deutschland sind das, überspitzt gesagt, unter anderem junge Leute, die Opa verteidigen wollen. Opa war doch ein Guter. Die sind davon überzeugt. Hier ist das Thema anders verwurzelt. Jeder hat ja eine familiäre Verbindung in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. In den USA hat das mehr eine B-Movie-Qualität. Wenn sich da einer mit einer Swastika „schmückt“, hat das was von einem schlechten Theaterstück. In beiden Fällen denken diese Menschen leider nicht wirklich mit, und, was noch schlimmer ist, fühlen nicht mit.
Gab es Momente während der Dreharbeiten, in denen Sie auch Angst hatten?
Mulmig war mir manchmal. Etwa, als ich in den USA nachts am Waldesrand Mitglieder des Ku-Klux-Klans traf. Die kamen dann an, in voller Montur, und hatten auf dem Rücksitz ihres Wagens zwei Maschinengewehre liegen. Da wurde mir mulmig. Wow, das ist Amerika, habe ich gedacht. Aber meine Fragen habe ich trotzdem gestellt.
Wie haben Sie es geschafft, während der Interviews die Contenance zu wahren?
Das war manchmal natürlich schwer. Aber ich wollte mit diesen Leuten kommunizieren. Sie mit ihrem Hassbild, mir, einer Schwarzen, konfrontieren – und sehen, wie sie reagieren. Ihnen zeigen, dass es ein Miteinander geben kann. Ich habe festgestellt, dass man bei dem einen oder anderen durchdringen kann. Wenn man mit ihnen einzeln spricht, und nicht in der Gruppe.
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