Es ist ein geheimnisvoller Name, den Father John Misty für sein sechstes Studioalbum gewählt hat. „Mahashmashana“ heißt das gute Stück und ist zugänglicher als es der Titel vermuten ließe. Zumindest musikalisch. Inhaltlich schlägt der Kritiker-Liebling doch wieder eher apokalyptische Töne an.
Hinter dem mysteriös anmutenden Album-Titel verbirgt sich ein Sanskrit-Begriff. „Mahāśmaśāna“ (महामशान) bedeutet wörtlich übersetzt „großer Feuerbestattungsplatz“. Es bezieht sich auf einen Ort der Einäscherung oder Bestattung, der in der indischen spirituellen Tradition häufig symbolisch verwendet wird. In bestimmten religiösen und philosophischen Kontexten, insbesondere im Hinduismus und Buddhismus, kann der Begriff auch die Vergänglichkeit des Lebens und die spirituelle Transformation betonen.
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Wir stecken ja in transformativen Zeiten, die Welt, wie wir sie kannten, ist in der Umwälzung. Das lässt allerlei Raum für dystopische, nihilistische oder wenigstens melancholische Gedankenspiele – und die hat es auf „Mahashmashana“ reichlich. Dabei gibt sich Josh Tillman aka Father John Misty auf dem Nachfolger zu “Chloë and The Next 20th Century” (2022) ausladend. Entgrenzt, möchte man sagen. Es ist eine Platte voller Epen geworden, gleich der titelgebende Opener lässt sich 9:20 Minuten Zeit. „I Guess Time Just Makes Fools Of Us All“ liegt nur eine knappe Minute darunter, zwei weitere Titel sind mehr als sechs Minuten lang und unter fünf Minuten bleibt mit „Summer’s Gone“ nur der Rausschmeißer des Albums. Acht Lieder, 50 Minuten Spielzeit: Father John Misty legt sich auf „Mahasmashana“ keinerlei Beschränkungen auf, greift stattdessen zur größtmöglichen Geste.
Dekadent, aber nicht geschmacklos
Zum Glück für uns Hörer. Derart dekadent, opulent und bombastisch zu arrangieren, ohne dabei ins Geschmacklose abzugleiten, das schaffen nur wenige. Father John Misty ist einer dieser Ausnahmekünstler. Er hat ein Händchen (oder besser: ein Ohr) für das Dramatische. Diesmal hat er sich Support von Produzent Drew Erickson geholt, der unter anderem schon mit Lana Del Rey gearbeitet hat.
Die Texte: gewohnt elegant, gewohnt poetisch, auch mal humorig, oft düster, immer intelligent. Sie kreisen um Vergänglichkeit und die großen Fragen des Lebens. Die Musik: mal Mid-, mal Uptempo, auch viele Balladen (die beste: „Screamland“), unzählige Perlen, wundervolle Melodien. FJM bewegt sich zwischen Las-Vegas-Elton-John-Pomp (der Titel-Track) und Chamber Folk bis hin zum Sound of Hollywood („Summer’s Gone“). Ja, selbst Blues-Rock (das groovige „She Cleans Up“), Smooth Jazz („Mental Health“) und Funk („I Guess Time Makes Fools Of Us All“) mogeln sich dazu.
Ob’s das Abschiedswerk von Father John Misty war? Dass Josh Tillman nicht ewig an seinem Alter Ego festhalten würde, war klar. Immer wieder regte er sich darüber auf, dass seine Songs ob der Kunstfigur FJM als unecht empfunden würden. Jetzt ist Tillman überdies Vater geworden, da bietet sich eine grundsätzliche Veränderung ja an. Sollte es das mit Father John Misty gewesen sein, war es auf jeden Fall eine wundervolle Elegie.
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