Steiner & Madlaina haben Grund zu feiern: Vor genau zehn Jahren veröffentlichten die Schweizerinnen ihre ersten Songs. Die Sause steigt in Form einer kleinen, intimen Tour, die sie am Freitag nach Kaiserslautern führt. Benjamin Fiege hat sich vorab mit (Nora) Steiner und Madlaina (Pollina) unterhalten.
„Nah dran“ heißt eure aktuelle Tour, für die ihr euch kleinere Locations ausgesucht habt. Warum?
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Nora: Wir spielen im Duo, ohne Band, wollen dabei die Songs ganz roh zeigen, in ihrem Anfangsstadium. Da geht es um Lieder aus zehn Jahren Bandgeschichte, auch ein paar Raritäten sind dabei. Auch Lieder unseres neuen Albums, an dem wir gerade arbeiten. Die kleinen Venues passen zu diesem Konzept, der Zuschauer ist wirklich ganz nah an uns dran, es geht nicht um die große Show.
Heißt, ihr spielt die Songs in Akustikversionen?
Madlaina: Nicht unbedingt. Wir spielen zwar einige Songs in Akustikversionen, es ist jedoch alles verstärkt. Die Songs werden aber reduziert vorgestellt. Da geht es für uns zurück zu unseren Wurzeln. Es gibt uns seit zehn Jahren, die letzten fünf sind wir aber immer mit einer fünfköpfigen Band aufgetreten.
Nora: Wir werden in dem intimen Rahmen auch Geschichten und Road-Stories erzählen. Und Einblicke in unseren Alltag geben.
Ihr habt Songs von der noch nicht erschienenen Platte dabei. Seid ihr nervös, sie erstmals öffentlich zu spielen?
Madlaina: Ja, aber wir freuen uns auch riesig darauf. Es ist immer so ein Zwischending: Als Künstler hat man einerseits Spaß, weil man der Songs noch nicht müde geworden ist. Aber man ist natürlich aufgeregt. Daher sind wir gerade kräftig am Proben.
Hat das Feedback, das ihr jetzt vom Publikum bekommt, vielleicht sogar noch Einfluss auf die Art und Weise, wie der Song letztlich auf der Platte klingen wird?
Nora: Nein, das nicht. Die Songs sind schon, wie sie sind.
Madlaina: Ich erinnere mich aber, dass in unserer Anfangszeit, in der wir noch viel auf Englisch geschrieben haben, mal eine Frau zu uns an den Merch-Stand kam und uns sagte, wir sollten doch mehr auf Mundart machen. Da gebe es – im Gegensatz zum Englischen – zu wenig Gutes. Dieses Feedback hat uns beeinflusst.
Lest Ihr Kritiken oder Kommentare? Oder haltet ihr das eher fern von euch?
Madlaina: Es wäre gelogen, zu sagen, man liest nichts. Manchmal tun wir das, natürlich nicht alles. Mal freut man sich, mal bereut man es.
Bei Steiner & Madlaina geht es viel um die Lyrics. Wurden eure Songs schon missverstanden?
Nora: Ja, aber das ist egal. Wenn ein Song draußen ist, gehört er nicht mehr uns, sondern dem, der ihn hört und für sich interpretiert. Deswegen erkläre ich unsere Texte nicht gerne. Es ist schöner, wenn der Zuhörer seinen eigenen Zugang findet.
Was könnt ihr uns über das neue Album verraten?
Madlaina: Es wird anders. Wir hatten Lust, wieder mehr Chanson und Singer-Songwriter-Elemente einfließen zu lassen, wie zu Beginn unserer Karriere. Mit dem Unterschied: Wir sind besser geworden, sind nicht mehr so limitiert in unserer Vorstellungskraft. So haben wir diesmal auch orchestrale Elemente eingebaut.
Nora: Wir haben uns ausgetobt. Bläser, Streicher, alles dabei. Es passiert viel. Und wir haben viele kurze Songs. Es wird ein langes Album.
Gibt es einen thematischen roten Faden?
Nora: Ein Konzeptalbum ist es nicht. Mehr möchten wir nicht preisgeben.
Ihr seid am Anfang vielsprachig unterwegs gewesen, jetzt auf Deutsch. Ist das so in Stein gemeißelt?
Nora: Das weiß man bei uns nie. Es ist aktuell die Tendenz. Vielleicht werden wir aber mal durch eine Reise durch Frankreich inspiriert, plötzlich auf Französisch zu schreiben. Da würden wir nichts ausschließen.
Ist es auf Deutsch herausfordernder, über Gefühliges zu schreiben? Sagen ja etwa Tocotronic.
Nora: Unsere erste Sprache ist ja eigentlich Mundart, nicht das Hochdeutsche. Vielleicht ist daher die Scham gegenüber der eigenen Sprache nicht so stark wie bei deutschen Bands. Das Deutsche hat etwas Analytisches, eine Härte. Aber das macht es für mich interessant, mit ihr Romantisches zu beschreiben.
Man hat den Eindruck, Mundart wird im Pop immer salonfähiger.
Nora: Bei euch sicherlich. Den Trend haben wir auch schon mitbekommen. In der Schweiz war die Mundart allerdings schon immer angesagt.
Thematisch seid ihr breit aufgestellt. Bei euch geht es um Liebe, Beziehung, aber auch um Politik. Wie politisch wird es auf der neuen Platte?
Madlaina: Es wird auf jeden Fall auch politisch. Es ist wieder alles drin.
Nora: Es wird vielleicht etwas weniger wütend, dafür etwas trauriger.
Die Schweiz hat mit ähnlichen Problemen wie wir in Deutschland zu kämpfen. Der Rechtspopulismus ist auf dem Vormarsch. Ist es da die Aufgabe von Künstlern, Haltung zu zeigen?
Madlaina: Ich finde schon. Klar, eine unpolitische Person muss man auch nicht in diese Rolle zwingen. Wir aber interessieren uns stark für Politik und spüren die Verantwortung, unsere Plattform zu nutzen.
Nora: Das Weltgeschehen und die Politik – das löst ja alles Gefühle aus. Positive wie negative. Deswegen ist in der Kunst auch Platz dafür. Hier werden Gefühle verhandelt. So konsumieren wir selbst künstlerische Produkte, wir suchen uns Musik, Filme, die unsere Gefühle aufgreifen. Wir selbst wollen so eine Fläche für andere sein.
Wer Haltung zeigt, bekommt Gegenwind. Kriegt ihr mit, dass der Ton rauer wird? Gerade auf Social Media?
Nora: Wir meiden Social Media eigentlich mittlerweile. Es sind keine idealen Orte mehr.
Madlaina: Früher haben wir viel gepostet. Aber die Menschen, die diese Plattformen betreiben, werden immer schlimmer. Leider kommen wir nicht ganz an ihnen vorbei.
Nora: Im Grunde zeigen wir unsere Haltung lieber durch unsere Musik.
Madlaina: Ab und an, wenn wichtige Abstimmungen in der Schweiz anstehen, posten wir aber doch noch etwas.
Wie kommt es dazu, dass heutige politische Bewegungen keine musikalische Begleitung mehr haben? Wo ist der Soundtrack zum Protest von heute?
Nora: Vielleicht liegt das daran, dass die alten Songs, die früher mit Protest oder einer bestimmten Haltung verbunden worden sind, immer noch in ihren Rollen funktionieren und nicht verdrängt werden konnten.
Mit dem Erstarken der rechten Kräfte wird auch so ein altes, hypermaskulines Männlichkeitsideal entstaubt. Spürt ihr das im Musikgeschäft? Werden da erzielte Fortschritte wieder zurückgedreht?
Madlaina: Wahrscheinlich werden wir uns ein Bild davon machen können, wenn wir wieder auf Tour sind. Da merkt man das immer am stärksten.
Nora: Dass sich das quotentechnisch wieder alles zurückentwickelt, etwa auf Festivals, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.
Madlaina: Auch abseits des Musikgeschäfts ist es für Frauen wieder schwieriger geworden, auf jeden Fall.
Nora: Man merkt auch ganz stark, dass bei vielen eine gewisse Müdigkeit da ist, wenn man solche Themen anspricht.
Die Müdigkeit, die auch bei euch die Wut in den Songs ersetzt hat?
Madlaina: Ja, schon. Man spürt ob der Entwicklungen eine gewisse Hilflosigkeit. Eine Ohnmacht. Ein Problem wird durch das nächste ersetzt, wobei ersteres gar nicht gelöst ist, das zweite ist nur noch akuter.
Greift ihr dann lieber zu Musik, mit der ihr dieses Weltschmerz-Gefühl wegspült? Oder die es eher verstärkt?
Nora und Madlaina unisono: Beides!
Madlaina: Neulich sind wir zufällig über das Antikriegslied „Sag’ mir, wo die Blumen sind“ von Marlene Dietrich gestolpert und mussten es gleich on repeat hören. Man merkt, wie stark ein Song wie dieser einen in diesen Zeiten berührt.
Eskapismus und Gefühlsverstärker in einem: Das gilt auch für Nicoles „Ein bisschen Frieden“ − ein Song, den ihr Ende 2024 überraschend gecovert habt. Eure Version war düsterer als das Original. Das Projekt wurde an euch herangetragen. Schlager. Hattet ihr da Berührungsängste?
Nora: Das werden wir vor allem in Deutschland gefragt! Bei euch hat der Song irgendwie einen schlechten Ruf, ganz anders aber in der Schweiz. Daher waren wir schnell dabei.
Madlaina: Für uns war das echt keine Frage.
Wird der Song auch beim Konzert in Kaiserslautern zu hören sein?
Madlaina: Eigentlich nicht. Wir haben ihn nicht auf der Setlist. Könnte man sich aber eigentlich noch mal überlegen.
Nora: Es wird auf jeden Fall einen Coversong zu hören geben. Welchen, verraten wir aber nicht.
Info
Steiner & Madlaina sind ein Zürcher Pop-Duo, das aus Nora Steiner (Gesang, Gitarre) und Madlaina Pollina (Gitarre, Gesang, Piano) besteht. 2015 erschien die Debüt-EP der Band, danach folgten drei Alben: „Cheers“ (2018), „Wünsch mir Glück“ (2021) und „Risiko“ (2023). Steiner und Pollina kennen sich seit Schulzeiten. Madlainas Vater ist der Cantautore Pippo Pollina, ihr Bruder hat sich als „Faber“ ein Namen im Musikgeschäft gemacht.
Am kommenden Freitag, 28. März, 20 Uhr, treten Steiner & Madlaina im Cotton Club der Kammgarn in Kaiserslautern auf. Karten vorab sind unter anderem via reservix.de erhältlich.
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