Die einen sagen, sie sind die lauteste Band der Welt, die anderen, sie sind die klischeebehaftetste: Manowar. Die Metal-Legenden machten am Dienstag in der SAP-Arena Station. 8000 Zuschauer waren dabei.
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Sicher, bei beiden Acts handelt es sich um Männer um die 70 Jahre, die mit einer gewissen Vorliebe schwarz tragen. Da hat es sich dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Gut möglich, dass man als Reporter (abzüglich des Personals in der SAP-Arena) die einzige Schnittstelle zwischen diesen beiden Events war, schwer vorstellbar, dass da nun wahnsinnig viele Zuschauer Karten für beide Gigs kauften. Augenscheinlich war die Dichte an Kutten und Hals-Tattoos bei Manowar deutlich höher. Auch mit „Du alte Hackfresse, du bist doch schon total voll“ hat man sich bei Einaudi eher nicht begrüßt. Und die Anzahl derer, die sich nach Song zwei schon wieder Bier-Nachschub organisieren mussten, war bei Manowar ebenfalls deutlich größer.
Minimalismus vs Bombast
Minimalismus statt Bombast hieß es bei Einaudi, bei Manowar war es direkt umgekehrt. Während Einaudi die Zuhörer mit sanften Klavierklängen einlullte, bliesen ihnen Manowar mit ihrem druckvollen Sound die Nasennebenhöhlen frei. Zeigte die Leinwand bei ersterem meist dessen sanft über die Klaviertasten gleitenden Finger, wurden die Künstler selbst bei Manowar überhaupt nicht auf die Leinwand geworfen. Stattdessen: apokalyptische Szenen, Muskelprotze im Conan-der-Barbar-Stil, Schwert und Hammer in der Hand, angeschmachtet von Frauenfiguren, die in ihrer Ästhetik an Porno-Stars der 1980er-Jahre erinnerten, brennende Burgruinen, fliegende Drachen, Dämonen, Feuerseen. Wir lassen Sie an dieser Stelle jetzt raten, bei welchem Act ordentlich auf Pyrotechnik gesetzt wurde und welche(r) darauf komplett verzichtete.
Aber: Während Ludovico Einaudi ein neues Album im Gepäck hatte, kamen Manowar ohne neues Material. Eigentlich hatten sie ja eine neue Platte versprochen, als sie die aktuelle Tour im Jahr 2023 ankündigten. Lange genug hatten die Fans ja schon darauf gewartet, der letzte Manowar-Longplayer „The Lord of Steel“ erschien im Jahr 2012, seither gab es nur ein paar EPs. Aber zuletzt war es merkwürdig still um einen neuen Studio-Arbeitsnachweis der Band, vielleicht ist er ihnen unterwegs in einen Feuersee gefallen oder wurde vom Drachen gefressen. Wer weiß das schon.
Blick zurück statt nach vorn
Statt den Blick nach vorn beziehungsweise in die Gegenwart zu wagen, richtete man ihn also bei der laufenden Tournee in die Vergangenheit. Neben Fan-Favoriten, also den obligatorischen großen Hits (wie etwa „Warriors of the World United“, „Fighting the World“ oder „Brothers of Metal Pt. 1“), fokussiert sich die Band bei den derzeitigen Konzerten auf die beiden Alben „Hail to England“ und „Sign of the Hammer“. Zwischen den einzelnen Konzerten wird abgewechselt, in Mannheim etwa wurde das komplette „Hail to England“-Album auf die Bühne gebracht.
Beide Alben stammen aus dem Jahr 1984, die 1980 in Auburn (US-Bundesstaat New York) gegründete Kapelle hatte in dieser Zeit gerade den europäischen Markt für sich entdeckt. Die Metal-Fans in der alten Welt empfingen Manowar mit offenen Armen, in der US-amerikanischen Heimat wurden die Jungs ob des vielen Macho-Kitschs und ihrer Posen auch damals schon eher belächelt.
Aus der Anfangszeit sind übrigens nur noch Sänger Eric Adams und Bassist Joey DeMaio dabei. In die Gitarrensaiten greift derzeit Michael Angelo Batio, angetrieben wird die Kapelle von Drummer Dave Chedrick, beide stießen 2022 dazu. Bei allem Gepose: Könner ihres Fachs sind die Mitglieder von Manowar allesamt. Batio hat einen unglaublichen Speed, nicht umsonst wurde er vom Magazin „Guitar On“ schon mal zum schnellsten Gitarristen aller Zeiten gewählt. DeMaio ist am Viersaiter eine Ikone. Und Eric Adams, immerhin auch schon 72 Jahre alt, hat immer noch ein Organ, um das ihn so mancher Rock-Kollege beneidet. Die Luft reicht immer noch problemlos für einen halbminütigen Metal-Schrei.
Macho-Gehabe und Hypermaskulinität
Natürlich wirkt diese ganze Conan-hafte Inszenierung von Männlichkeit ein bisschen albern. Fast schon wie eine Metal-Karikatur. Noch vor Kurzem hätte man hier vielleicht geschrieben: Das ist alles aus der Zeit gefallen. Doch in den letzten Monaten scheinen Macho-Gehabe und Hypermaskulinität auf der Weltbühne ja wieder auf dem Vormarsch zu sein. Härte, Gewalt, eine ungesunde Haltung zu Frauen und Sex; Einstellungen, die gerade leider wieder etwas entstaubt werden. Und so ist es schon eine spannende Frage, ob man(n) sich die meist martialischen Texte von Manowar heute oder in Zukunft immer noch mit der gewissen ironischen Distanz anhört wie in der Vergangenheit. Oder ob sie dann eher der Bestätigung des eigenen Weltbilds dienen.
Nach fast zwei Stunden ist das Spektakel zu Ende. Die Band verabschiedet sich von den Fans, wie sie sie begrüßt hat. Mit dem zum Markenzeichen gewordenen „Sign of the Hammer“-Gruß. Hat etwas unheimlich Pathetisches, klar, aber augenscheinlich auch etwas stark Vereinendes. Ob sich das Einaudi vielleicht abgucken könnte?
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