Karat gehören zu den erfolgreichsten Rock-Exporten der DDR. Gerade feiern die Rocker 50-Jähriges. Ihre Jubiläumstour hat sie am Sonntag in den Mannheimer Rosengarten geführt.
Wer ein Gefühl dafür bekommen möchte, wie einschneidend die Wende für erfolgreiche Ost-Bands gewesen ist, wie krass ihr Bedeutungsverlust nach der Wiedervereinigung war – und wie wenig wertgeschätzt ihr musikalisches Erbe zunächst im Westen war, der muss sich nur mal vor Augen führen, was mit dem Bestand von Amiga passiert ist. Amiga war das große Musiklabel der DDR. 30.000 Lieder, rund 2200 Schallplatten und knapp 5000 Singles wurden hier produziert. Kein Schatz, nach dem man sich zunächst die Finger leckte. Nach der Wende wurde alles im Paket an einen norddeutschen Autohändler verramscht. Später griff dann Sony-Vorläufer BMG zu, bezahlte aber auch nur Peanuts.
anzeige
Für die Ost-Bands standen die Zeichen nach der Wende schlecht. Im Westen interessierte man sich nicht für die Popkultur des Ostens. Und im Osten waren die Menschen schwer damit beschäftigt, erstmal das Neue zu entdecken. Plötzlich stand ihnen die ganze popkulturelle Welt offen, der ganz alte Kram interessierte da nicht mehr. Für Ostalgie war es noch zu früh.
Eine ostdeutsche Ausnahme-Gruppe
Es gibt nicht viele Ost-Bands, die im wiedervereinigten Deutschland überlebt haben. Karat gehören zu diesen Ausnahme-Gruppen. 50-jähriges Bestehen feiert die Band in diesem Jahr, an sich schon eine Hausnummer, angesichts der Umstände umso mehr. Was hat diese Kapelle – übrigens die einzige DDR-Band, die je bei „Wetten, dass..?“ auftrat – nicht alles überstanden. Die Argusaugen der DDR-Zensoren. Mehrere Besetzungswechsel. Den Tod des Sängers Herbert Dreilich im Jahr 2004. Streitigkeiten um die Namensrechte. Karat haben sich durchgeboxt. Langen Atem bewiesen.
Auch das ein Grund zum Feiern. Sie hätten sich vorab gefragt, wie das große Jubiläumsjahr vonstatten gehen sollte, verrät Sänger Claudius Dreilich, Sohn von Herbert Dreilich und 2005 in dessen Fußstapfen getreten. „Erst dachten wir: 50 Konzerte. Dann 55. Am Ende waren es jetzt 75 Konzerte“, rechnete der Frontmann vor, um dann zu bilanzieren: „Auch das war noch zu wenig, wenn man sieht, wie gut Bernd Römer noch aussieht.“ Der Gitarrist ist das Urgestein der Band, allerdings auch kein Gründungsmitglied. Er stieß im Jahr danach, 1976, zu Karat.
Neue Platte old school aufgenommen
In fünf Jahrzehnten kommt natürlich ein umfangreicher Backkatalog zusammen, entsprechend komplex ist es dann, ein Tour-Programm daraus zu destillieren. Zumal da ja mit „Hohe Himmel“ gerade erst ein neues Album erschienen ist, ein Geschenk, das sich Karat sozusagen selbst zum Geburtstag gemacht haben. Der Clou: Karat haben die Platte ganz old school aufgenommen, ohne digitalen Firlefanz. „Das war sauteuer, hat aber auch mächtig Spaß gemacht“, so Dreilich.
Gleich mehrere Tracks aus „Hohe Himmel“ hat die Gruppe denn auch auf die Setlist gepackt, selbstbewusst mit „Immer Noch Da“ etwa direkt den Opener. Und: Die neuen Songs bestehen den Elch-Test, fallen gegenüber den Klassikern nicht unbedingt ab.
Der emotionalste Moment des Abends
Emotional wird es, als Claudius Dreilich ein Lied anstimmt, das seinem verstorbenen Vater gewidmet ist. „Mich zwingt keiner auf die Knie“. Der Titel erschien 1984 auf dem Album „Die sieben Wunder der Welt“, nach dem Schlaganfall von Herbert Dreilich 1997 avancierte die Nummer zu seinem Lebensmotto. Nach seinem Tod widmete die Band ihm den Song, er fehlt seither auf keinem Konzert. Claudius Dreilich ist sichtlich berührt, für ihn sei das Lied immer der schwierigste, aber auch schönste Moment des Abends, sagt er dem Publikum, das bei der letzten Zeile dann nochmal lautstark mithilft.
Ausgelassen geht es natürlich bei den großen Hits der Band zu. Bei „Der blaue Planet“ und „Über sieben Brücken mußt Du geh’n“ – in Westdeutschland in der Coverversion von Peter Maffay bekannt geworden – ist die Stimmung auf dem Höhepunkt, die Band hat die Songs als Finale des Haupt-Sets angesetzt, das Publikum im gut besuchten Rosengarten hat es da schon längst aus den Sitzen gerissen.
Am Ende nochmal drei Zugaben, Standing Ovations, der gelungene Schlusspunkt unter einer fast zweistündigen, energiegeladenen Show, die gezeigt hat: Karat sind noch lange nicht fertig.
anzeige


