Agnes Obel (foto: alex flagstad)

Live: Agnes Obel in Mannheim

Musik, die wie ein Albtraum klingt – so beschreibt die dänische Sängerin und Songschreiberin Agnes Obel, die ihr Schaffen sonst ungern in Schubladen stecken lässt, was sie künstlerisch treibt. Jetzt hat sie das erste Mal in Mannheim gespielt, im ausverkauften Capitol.

Es sind ganz elementare Fragen, die Agnes Obel in jüngster Zeit beschäftigt haben. Kann man sich selbst vertrauen – oder nicht? Dem eigenen Urteil? Den eigenen Instinkten? Gefühlen? Und was, wenn nicht? Die eigene Wahrnehmung zu analysieren, fällt aber gar nicht so leicht, wenn man ständig diesem lauten Grundrauschen der Welt ausgesetzt ist. Agnes Obel arbeitet daher am liebsten in der kreativen Isolation. Abgeschnitten von der Außenwelt, hält sie sich künstlich kurzsichtig. Und weil der eigene Blick sich dann geradezu automatisch nach innen kehrt, hat sie ihr neues Album auch „Myopia“, Kurzsichtigkeit, genannt. Die im Februar erschienene Platte ist ihre erste für die Plattenfirma Deutsche Grammophon, eigentlich ein Klassiklabel, in das eine Künstlerin wie Obel auf den ersten Blick gar nicht so recht passen mag. Aber das ist Schubladendenken und so – nix für Agnes Obel.

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Um die neue Platte vorzustellen, musste die in Berlin lebende Dänin natürlich irgendwann raus aus der selbst gewählten Einsamkeit. Raus auf die Straße, hoch auf die Bühne. Ein Ort, an dem sie sich nach eigenem Bekunden gar nicht so wohlfühlt. Das fällt in Mannheim aber tatsächlich gar nicht weiter auf. Die Frau wirkte, als hätte sie richtig Lust. Es wirkte wohl auch motivierend, zu wissen, dass alle Europa-Tour-Termine ausverkauft sind. 

Meisterin des Unheimlichen

Sicher, die 39-Jährige ist nun keine exaltierte Rampensau, keine Frau der großen Gesten, aber das würde auch nicht zu dieser überaus melancholischen, ja, oft düsteren Musik passen, die sie uns da nun schon vier Alben lang kredenzt. Die Meisterin des Unheimlichen wird sie von der Fachpresse gerne genannt – das war zumindest so, als der Klang eines einfachen Niesens oder Hustens noch nicht ausreichte, um ein Publikum erschaudern zu lassen. David Lynch etwa gilt als großer Fan von ihr.

Der Regisseur, ebenfalls ein Meister des feinsinnigen Grusels, dürfte wohl mit der neuen, überaus dichten, atmosphärischen Obel-Platte zufrieden sein, hat sie doch durchaus Soundtrack-Qualität. Songs wie „Island Of Doom“, „Broken Sleep“ oder „Camera’s Rolling“ beispielsweise, die Glanzlichter der neuen Veröffentlichung, könnte man sich ganz gut in Filmen vorstellen. Es ist dabei geradezu anbetungswürdig, wie Obel und ihre dreiköpfige weibliche Band diese vielschichtigen Soundlandschaften des Albums, bei dem ja unter anderem viel mit Pitch-Effekten gearbeitet wurde, auf die Bühne bringen. Eine Demonstration des Multitaskings. Großes Kino.

Neues Material und einige Klassiker

Das bleibt auch vom Publikum nicht unbemerkt. Es frisst Obel und ihrer Truppe aus der Hand. Zweimal steht es sogar auf, um Beifall zu spenden. „Ihr seid süß“, sagt Obel sichtlich gerührt und moderiert den Song „Stretch Your Eyes“ mit den Worten an: „Das ist kein Liebeslied. Aber wenn es eins wäre, dann wäre es für euch.“ Zuvor hatte sie das Auditorium abseits des neuen Materials auch mit ein paar Klassikern wie „Familiar“, „Fuel To Fire“ oder „Riverside“ gefügig gemacht, so dass all ihre Schaffensperioden abgedeckt waren.

Letztlich vergeht die Zeit dann wie im Flug. Nach rund 90 Minuten – zwei Zugaben gab’s oben drauf – ist Schluss. Es ist das Ende eines süßen Albtraums, aus dem man doch eigentlich gar nicht mehr erwachen wollte.

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