Das Älterwerden ist das große Thema in Sissi Perlingers neuem Programm „Ich bleib’ dann mal jung“, mit dem die Kabarettistin und Entertainerin gerade tourt. Benjamin Fiege sprach mit ihr über die Angst vorm Altern, Jugendwahn und die richtige innere Einstellung.
Frau Perlinger, ganz Deutschland diskutiert gerade über Tabu-Themen in Sachen Humor. Das Alter scheint für Sie keines zu sein, vielmehr ist es sogar Mittelpunkt Ihres neuen Programms. Warum beschäftigt Sie das Thema, gab es dafür einen Auslöser?
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In all meinen bisherigen Programmen ging es um Krisenbewältigungen. Ich finde, es gibt wenig Komischeres, als seine persönlichen Dramen mit etwas Abstand, den man sich erarbeitet hat, komödiantisch zu behandeln und zu verarbeiten. Das war immer mein Grundthema. Diesmal habe ich mir gedacht, ich habe keine Lust auf eine weitere Krise. Ich gehe das Ganze jetzt lieber prophylaktisch an und sorge dafür, dass das Alter für mich schön und nicht dramatisch wird. Die Altersforschung hat herausgefunden, dass die innere Einstellung dabei eine ganz wichtige Rolle spielt.
Was ist denn das Positive am Älterwerden?
Man ist viel entspannter, weiß Dinge mehr zu schätzen, ist nicht mehr so getrieben. Junge Menschen sind dagegen tickende Hormonbomben, die ständig darauf aus sind, sich zu vermehren. Man muss sich vor Augen führen, dass die Menschen heute doppelt so alt werden wie die Leute vor 100 Jahren, dass sie im Normalfall einen ausgedehnten Lebensabend haben, in dem sie sich Träume und Sehnsüchte erfüllen können. Wer nun nicht gerade arm oder krank ist, hat das Potenzial, im Alter viel glücklicher zu sein.
Und trotzdem haben viele Leute Angst vorm Älterwerden …
Das liegt an dem Bild, das unsere vorangegangen Generationen vermittelt haben, was aber auch daran lag, dass diese unter Umständen einen härteren Lebensweg gegangen sind, vielleicht sogar Kriege miterlebt hatten. Ich glaube, dass die Älteren in Zukunft anders sein werden. Wenn ich mir vorstelle, dass die 68er-Hippie-Generation in dieses Alter kommt ….
Gab es mal eine Situation, in der Sie sich gedacht haben: Nee, da bin ich jetzt zu alt für?
Nein, das lasse ich nicht zu. Ich fange auch ständig neue Sachen an, lerne beispielsweise mittlerweile Schlagzeug spielen oder mache Yoga.
Gibt es einen Rat, dem Sie einer jüngeren, 20-jährigen Version von sich selbst geben würden?
Eine schwierige Frage. Aber in meinem Programm geht es jetzt auch weniger um Tipps und Tricks, sondern um eine komische Aufbereitung des Themas. Ich finde, es ist mein bisher lustigstes Programm. Die Tipps und Tricks gibt es stattdessen in dem Buch, das ich geschrieben habe und das den selben Titel wie das Programm trägt.
Innere Einstellung hin oder her – es gibt ja auch äußere Einflüsse, die einem das Alter erschweren können. Finanzen und Krankheit hatten wir angesprochen. Aber auch im Showgeschäft spielt das Alter doch eine gewisse Rolle.
Ja, sicherlich, vor allem im Fernsehen. Eine Frau mit Mitte 40 wird wohl eher nicht mehr als Hauptfigur in einer Romantic Comedy besetzt – und wenn dann eher nur, wenn sie einen großen Namen hat. Der Zuschauer fordert in solchen Formaten eher ein junges, hübsches Gesicht. Für meine Arbeit auf der Bühne spielt das Alter aber überhaupt keine Rolle, da gibt es gar keine Probleme.
Leben wir in einem Jugendwahn?
Ja, die Gesellschaft weiß Lebenserfahrung, Alter, Weisheit nicht mehr so zu schätzen. Dabei haben ältere Menschen so viel zu geben, man müsste sie nur anzapfen. Lebenserfahrung ist ein Gut, das man nur durch fortschreitendes Alter erwerben kann.
Geht man in Indien, wo sie auch immer viel Zeit verbringen, da anders mit dem Thema Älterwerden um?
Auf jeden Fall. Auch, weil man dort in ganz anderen Strukturen lebt. Da leben die Oma, der Opa meist im Haus, sind selbstverständlicher Teil der Familie, jeder hat seinen Teil zu erledigen. Da herrscht eine andere Dynamik als bei uns.
Spielt das Alter für Frauen eine andere Rolle als für Männer? Die Autorin Bascha Mika sagte mal: „Bei Frauen wird ein Minus vor die Jahre gesetzt. Jedes Jahr bedeutet einen Abzug in der Gesamtnote“.
Das Altern erwischt jeden, da ist das Geschlecht sekundär. Allerdings spielt es eine Rolle bei jenen, die sich immer über ihr Äußeres definiert haben. Das passiert Frauen häufiger als Männern. Die sind dann im Alter nicht glücklich. Deswegen müssen sie sich auch andere Spielfelder suchen, auf denen sie sich definieren können. Männer sind da oft geübter, sie haben sich oft häufiger in Konkurrenzsituationen behauptet oder über Job, Status, Geld oder Humor definiert.
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