Christin Nichols - Rette sich, wer kann (foto: My Own Party Records)

Christin Nichols – Rette sich, wer kann

Erscheinungsdatum
März 22, 2024
Label
My Own Party Records
Unsere Wertung
7.5

Irgendwie könnte ein Albumtitel in diesen Zeiten kaum treffender sein. „Rette sich, wer kann“ heißt die neue Platte der deutsch-britischen Musikerin Christin Nichols. Die Botschaft: Auch diesen Weltuntergang werden wir wieder überleben. Bis dahin gibt es zwar den einen oder anderen Kampf auszufechten – aber am Ende wird doch alles irgendwie okay sein.

Musikerin haben wir einleitend geschrieben und das ist in gewisser Weise natürlich schon eine kleine Frechheit unsererseits. Denn Christin Nichols kann man im Grunde gar nicht so einfach in eine Schublade stecken. Die Berlinerin ist nämlich auch Schauspielerin (TV und Theater) und Synchronsprecherin – und schwimmt dabei mit Vorliebe gegen den Strom.

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Die in Spanien aufgewachsene Deutsch-Britin machte musikalisch zunächst als Teil des Electropunk-Duos Prada Meinhoff von sich reden, wandelt mittlerweile aber auf Solo-Pfaden. Ihr Solodebütalbum “I’m Fine” erschien Anfang 2022, gleichermaßen wütend und wehmütig, voller großer Melodien und Songs, die von der Netz- und  Popkultur der Gegenwart genauso beeinflusst waren wie von Postpunk und Wave. Von der Kritik wurde die Platte positiv aufgenommen.

Zwei Jahre später legt die Gute nun also den Nachfolger vor. Bei den Arbeiten hat sie sich bewusst aus ihrer Komfortzone herausgewagt. Auch wenn das Angst machte. Nichols probierte jede Menge neue Sounds aus, am Ende bewegt sich das Ganze zwischen Synthie-Pop, Indie-Rock und New Wave. Erneut hat sie mit Stephan Ernst  zusammengearbeitet, zum ersten Mal aber auch mit Featuregästen wie Julian Knoth (Die Nerven) oder  Rapper Fatoni, mit dem Nichols auch den gleichnamigen Titeltrack zum Album „ Rette sich wer  kann“ geschrieben hat. Simeon Cöster von Isolation Berlin saß an den Drums.

Das sind die Highlights

Die großen Themen des Albums sind Nichols‘ Lebensthemen: Feminismus, Hedonismus,  Aktivismus. Selbstliebe. Verhandelt werden diese in zwölf Songs mit insgesamt 44 Minuten Spielzeit, vornehmlich auf Deutsch, zweimal auch auf Englisch. Zu den Glanzlichtern gehört dabei das vorab als Single veröffentlichte „Bodycount“. Im Krieg steht der Begriff für die Anzahl der getöteten Menschen. Mittlerweile wird er aber auch nicht minder geschmackloser Form eingesetzt, um die Anzahl der Sexpartner*innen zu beschreiben. Christin Nichols macht in der Nummer klar, wieso Gleichberechtigung noch immer erkämpft werden muss. 

Auch der Titeltrack mit Fatoni bleibt haften: Indie Gitarren, 80s Synths und analoge Drums treffen bei diesem Feature auf allerfeinsten Rap. Gerade die Mischung aus Nichols verletzlich-resignierter Wut und Fatonis eindringlichem Rap kommt in so wunderbarer Diskrepanz zusammen, dass man sich doch wieder einig ist. 

„Morgen willst du mich“, das ebenfalls zu den stärksten Nummern der Platte gehört, beschreibt dann dieses Gefühl, nicht genug zu sein und von anderen abhängig zu sein. Und die Ermächtigung, den eigenen Wert ab jetzt selbst zu definieren. Melancholie und Wut verbinden sich hier und lassen der Sehnsucht nach einem erfüllteren Ich doch noch nicht ganz die Glut ausgehen. Zumindest nicht, wenn in der Küche noch Licht brennt. Oder im Handy. Egal. Hauptsache es ist noch ein Funke da.

https://youtube.com/watch?v=S6fx_9Il0Gc%3Fsi%3DBYUAWy_-GRZeALm_
Anspieltipps
Bodycount
Morgen willst du mich
Rette sich, wer kann
Direct Flight To Seattle
7.5
Haut rein.
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