Zach Condon bleibt seiner Linie treu: expect the unexpected. Auch sein neues Studioalbum „A Study of Lösses“ ist mal wieder kein gewöhnliches. Was ein schwedischer Zirkus damit zu tun hat.
Stimmung und Atmosphäre stehen bei „A Study of Lösses“ im Fokus. Das siebte Album von Zach Condon alias Beirut ist eine Art Soundtrack. Im Frühjahr 2023 wurde Zach Condon von Viktoria Dalborg, der Regisseurin von Kompani Giraff, kontaktiert, um die Musik für ein Zirkusprojekt zu komponieren. Ja, richtig gelesen. Der Zirkus widmet sich in seinen Shows gerne literarischen Themen, diesmal stand der Roman „Verzeichnis einiger Verluste“ der deutschen Autorin Judith Schalansky als Inspirationsquelle im Vordergrund. Das Buch ist eine Sammlung von zwölf Essays über Dinge, die im Laufe der Zeit verloren gegangen sind. Also etwa: Tierarten, die ausgestorben sind. Oder kulturelle Artefakte, die es nicht mehr gibt. Es geht also um Verlust und Vergänglichkeit, und um den schier vergeblichen Versuch, die Dinge zu bewahren. Die Zirkusinszenierung kombiniert das mit einer surreal anmutenden, in einer mondartigen Landschaft spielenden Geschichte.
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Zach Condon soll erst skeptisch gewesen, nach Ansicht einiger YouTube-Videos des Zirkus dann aber doch Feuer und Flamme gewesen sein. Und so ist „A Study of Losses“ nun das zweite neue Beirut-Album innerhalb von nur zwei Jahren und damit die Fortsetzung eines produktiven Kapitels für Zach Condon. Hoffentlich der endgültige Schlussstrich unter eine schwierige Phase für den US-Amerikaner, der vor dem Release des Vorgängeralbums „Hadsel“ (2023) fast ein halbes Jahrzehnt außer Gefecht war. Hartnäckige Stimmprobleme und ein drohender mentaler Zusammenbruch bremsten den Künstler aus, ließen ihn gar zweifeln, ob er jemals wieder vor Publikum auftreten würde können. Die neue 57 Minuten dauernde Platte ist damit auch ein Statement: Zach Condon ist wieder voll da.
Melancholische Schönheit
Natürlich ist da wieder diese Beirut-typische Melancholie, die das Album durchzieht. Die Platte mag eine Auftragsarbeit gewesen sein, sie wirkt aber unheimlich persönlich, schlägt sogar Brücken zum Beirut-Debüt „Gulag Orkestar“ (man höre etwa „Villa Sacchetti“ oder „The Moonwalker“). Drehte sich „Hadsel“ noch eher um eine riesige, antike Kirchenorgel, die Condon während eines dunklen arktischen Winters in Nordnorwegen entdeckte, wird „A Study of Losses“ durch Streichquartette und Arrangements der Cellistin und „No No No“-Kollaborateurin Clarice Jensen aufgehellt.
Insgesamt 18 Songs umfasst „A Study of Losses“. Kredenzt wird auf diesen eine Mischung aus Chamber-Folk und elektronischen Elementen, wobei es sich bei sieben Songs um ausgedehnte Instrumentals handelt. Auch ohne das visuelle Element – die Zirkusaufführung – funktioniert das Konzept, die Platte hat eine emotionale Tiefe, in der man sich als Hörer verlieren kann. Der Mut, den Condon für dieses ambitionierte, unkonventionelle Projekt aufbringt, wird belohnt.
Die Glanzlichter
Zu den Standout-Tracks gehört beispielsweise „Tuanaki Atoll“. „Das Tuanaki-Atoll soll eine Eden-ähnliche Insel irgendwo im Südpazifik gewesen sein, die bei einem Erdbeben in den 1840er Jahren auf mysteriöse Weise unter dem Meer verschwand. Seine Bewohner wurden als ein Volk beschrieben, das so friedlich und großzügig war, dass sie in ihrer Sprache kein Wort für Dinge wie Krieg oder Mord kannten. Es mag fast zu offensichtlich sein, aber nichts könnte besser zu den Vibes der Insel passen als eine süße und luftige Ukulele, um die herum ich diesen Song gebaut habe. Im Gegensatz dazu, aber irgendwie passend, nahm der Text eine dunklere Seite an und reflektierte schließlich diese Seite der Geschichte. Vielleicht, weil ich persönlich bezweifle, dass ein solcher Eden-ähnlicher Ort jemals auf der Erde existieren könnte“, so Zach Condon über die Nummer.
„Tuanaki Atoll“ wurde als Single ausgekoppelt und folgte auf das Synthesizer-Experiment „Guericke’s Unicorn“ und das eindringliche, wogende „Caspian Tiger“, die ebenfalls zu den Glanzlichtern des Albums gehören.
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