„A Fine Day To Exit“ aus dem Jahr 2001 gehört zu den spannendsten Anathema-Alben. Die Briten, die in den frühen 1990ern als Death- und Doom-Metal-Band begonnen hatten, waren zu diesem Zeitpunkt bereits zu einer Band gereift, die sich auch weit jenseits der Grenzen des Metal-Genres Inspirationen holte: von Pink Floyd bis Radiohead. Als die Briten vor einigen Monaten ankündigten, mit ihrem kommenden Album an diesen Klassiker anknüpfen zu wollen, weckte das bei vielen hohe Erwartungen. Nach dem Hören von „The Optimist“ lässt sich sagen: Die Vorfreude war – zumindest teilweise – berechtigt.
Klar, die Anathema des Jahres 2017 sind nicht mehr jene der Jahrtausendwende. Doch die Liverpooler haben den Zuckerguss, der so manche Passagen der letzten Alben ungenießbar gemacht hat, von der Torte gekratzt. Das tut dem Album hörbar gut. Nicht nur erzählerisch, auch atmosphärisch knüpfen Anathema damit an das düstere „A Fine Day To Exit“ an. Der Protagonist der damaligen Story ist nicht tot, sondern setzt seine Aussteiger-Reise fort. Textliche Fremdschäm-Momente wie auf dem Vorgänger „Distant Satellites“ („a love so strong it hurts…“) ersparen uns Anathema dabei dieses Mal dankenswerterweise.
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Lee Douglas singt mehr
Zugegeben, nicht jeder der Songs zündet, manches plätschert dahin. Und dass Lee Douglas mehr Gesangsanteile denn je übernimmt – zu Lasten von Stammsänger Vincent Cavanagh – muss man nicht zwingend gut finden. Aber immer wenn das Album in die Mittelmäßigkeit abzugleiten droht, packen Anathema mitreißende Parts wie im Titelsong oder „Back to the Start“ aus. Oder sie überraschen mit Elektro-Spielereien („Leaving It Behind“) und sogar Jazz-Anleihen („Close Your Eyes“).
Und auch wenn die Briten wieder einmal äußerst gern das Stilmittel „Ruhiger Beginn, Steigerung bis zum emotionalen Crescendo“ bemühen: Es dürfte wohl nur wenige Bands geben, die es so gut verstehen, aus einer fast banalen Tonfolge wie in „Springfield“ einen derart packenden Song zu stricken.
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