Leslie Clio (foto: sarah köster)

Leslie Clio: „Brave New Woman“ statt „Sad Small Girl“

Zwei Jahre lang hat die Musikerin Leslie Clio („I Couldn’t Care Less“) vergeblich nach einer Plattenfirma gesucht. Dann hat sie einfach selbst eine gegründet. Dort arbeitet sie mit einem reinen Frauenteam. Mit Benjamin Fiege sprach sie über Frauen im Musikgeschäft und ihr neues Album.

„Brave New Woman“ heißt Dein neues Album – und der Name scheint Programm. Du hast Dein eigenes Label gegründet, bist Dein eigener Chef.

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Ja, der Name ist tatsächlich Programm. Er bildet ab, wie ich mich fühle. Auch ein Ergebnis der vergangenen Jahre, in denen das mit der Labelsuche nicht klappte. Ich habe  mich aber nicht unterkriegen lassen, sondern habe meine Frau gestanden. Ursprünglich war „Brave New Woman“ nur der Titel eines Songs, aber als die restlichen Lieder entstanden und sich Inhalt und Thematik des Albums abzeichneten, schien es mir auch ein passender Albumtitel. Er hat etwas Empowerndes.

Ein eigenes Label zu gründen, das ist in Streaming-Zeiten ja sicher auch ein Wagnis, oder?

Ich würde fast sagen, gerade in Streaming-Zeiten ist es ja eigentlich ein logischer Schritt. Pro Stream generieren Künstler ja nur einen Bruchteil eines Cents an Einkommen, das man sich dann unter Umständen noch mit der Plattenfirma teilen muss. Eigentlich ist das Wahnsinn, da bleibt nicht viel hängen.

„Höre ich auf – oder mache ich weiter?“

Es heißt, Du hast zuvor zwei Jahre lang nach einer Plattenfirma gesucht, die Deine Vision versteht. Worin lag denn da das Missverständnis?

Ach, dass ich missverstanden wurde, würde ich nicht sagen. Man hat eben nicht zusammengefunden, es hat der gemeinsame Nenner gefehlt. Die Songs haben entweder nicht zu dem gepasst, was die Labels suchten. Oder ich war ihnen nicht Mainstream genug, und sie wussten nicht, wie sie mich vermarkten sollen. Irgendwas war immer. Dann kommt man an den Punkt, an dem man sagt: Höre ich jetzt auf? Oder mache ich weiter und nehme die Dinge selbst in die Hand? Ich habe mich für Variante zwei entschieden und bin damit aktuell sehr glücklich. Musikerin zu sein, kreativ zu arbeiten, das ist ja letztlich nicht nur Beruf, sondern auch Berufung.

Werden Musikerinnen denn nicht ernst genug genommen?

Das Musikbusiness ist sehr von Männern dominiert. Entsprechend ist die Perspektive vieler Labels auf die Künstlerinnen. Sie sollen entweder sexy sein. Oder das Liebchen mit der Gitarre. Es werden halt Schubladen aufgemacht und für Do-It-Yourself-Künstlerinnen findet sich da nur schwer Platz.

Woran liegt das? In der Liste der erfolgreichsten Künstler des vergangenen Jahrzehnts trifft man doch allem auf Musikerinnen?

Ja, der Trend ist da. Ich würde auch nicht behaupten wollen, dass ich ihn gestartet habe. Ich versuche vielmehr, ihn zu verstärken.

Du arbeitest bei Deinem Label mit einem komplett weiblichen Team zusammen. Kein Zufall, schätze ich.

Nein, ich habe das bewusst so entschieden. Es geht auch darum, Frauen im Musikgeschäft zu fördern. Ich habe mir da ein paar sehr gute Leute zusammengesucht. Frauen, die ich zum Teil schon kannte, mit denen ich auch schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet habe, oder die mir empfohlen wurden. Das läuft sehr gut.

„Nichts in Stein gemeißelt“

Du hast jetzt als Label-Chefin den Hut auf. Inwiefern beeinflusst das die Kunst? Es entstehen ja nicht nur neue Freiheiten, sondern auch neue Zwänge. Du trägst das wirtschaftliche Risiko.

Das lässt sich schwer sagen. Mein Album war im Großen und Ganzen fertig, bevor ich das Label gegründet habe. Wäre die Pandemie nicht gewesen, hätte ich es auch schon früher veröffentlicht. Bei der Konzeption der Platte musste ich also über solche Dinge nicht nachdenken.

Willst Du mit dem Label auch Plattform für andere Künstler oder Künstlerinnen sein?

Nein, ich habe es tatsächlich vor allem gegründet, um meine Musik zu veröffentlichen, um dieses Album herauszubringen. Ich kann mir auch gut vorstellen, in Zukunft wieder mit Plattenfirmen zusammenzuarbeiten, wenn es denn passt. So wie es jetzt ist, ist das nicht in Stein gemeißelt. Was die Zukunft angeht, bin ich offen.

Bist Du denn insgesamt bislang gut durch die Pandemie gekommen?

Insgesamt ja, doch. Ich bin dreifach geimpft, war kürzlich aber doch einige Tage lang positiv. Wenn ich mich nicht so häufig testen würde, wäre es mir wohl gar nicht aufgefallen. Beruflich gesehen hat die Pandemie natürlich die Arbeit an der Platte ein wenig beeinflusst. Dass ich der Einfachheit halber die letzten Schliffe in Berlin gemacht habe, hatte sicher damit zu tun. Ein paar Auftritte hatte ich immerhin im vergangenen Jahr, aber man merkt, dass das alles nicht dasselbe ist. Ich freue mich wieder auf das richtige Live-Erlebnis. Die Energie, den Austausch mit dem Publikum. Ich hoffe, dass ich das auf meiner anstehenden Tour erleben werde.

Album, Tour, dann Pause

Was sich bisher vom neuen Album hören ließ, klingt  optimistischer als die Songs auf der Vorgängerplatte  „Purple“.

Ja, auf jeden Fall. Die Platte heißt ja auch „Brave New Woman“ und nicht „Sad Small Girl“. Das musste sich auch inhaltlich widerspiegeln (lacht). Nach meiner letzten Platte war mir recht schnell klar, dass ich da in Sachen Sound und Stimmung in eine andere Richtung gehen wollte. Das hat letztlich immer auch etwas mit den Lebensumständen zu tun, in denen ich mich gerade befinde.

Du hast zuletzt nicht nur das eigene Label gegründet, Musik für Kinder gemacht, sondern auch ein Handyketten-Label aufgebaut. Womit dürfen wir denn als Nächstes rechnen?

Ja, das Handyketten-Label ist ein nettes Nebenprojekt, nimmt aber nicht allzu viel Zeit und Raum ein. Die Kindermusik hat mir sehr viel Spaß gemacht, muss ich sagen. Manchmal möchte ich mir mit solchen Dingen beweisen, dass ich das auch kann. Der Fokus liegt aber nun auf dem neuen Album, bald will ich damit auf Tour gehen. Und danach werde ich mir erst einmal eine Pause gönnen, um kreativ zu sein, die Batterien aufzuladen. Das kommt in der Label-Arbeit und mit den ganzen Excel-Tabellen dann am Ende doch ein bisschen zu kurz.

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