„Völlig losgelöst, von der Erde …“ Sorry, im EM-Fieber. So ganz falsch ist dieser Einstieg dennoch nicht. Denn „Sonido Cósmico“, das neue Album der Hermanos Gutiérrez, lässt sich direkt mit „kosmischer Sound“ übersetzen.
Hermanos Gutiérrez – der Name steht für eindringliche, geflochtene Gitarrenlinien. Diese sind der Markenkern der Zürcher Brüder Estevan und Alejandro Gutiérrez. Ob ihrer ecuadorianischen Familiengeschichte, ist die Musik des Duos immer stark von instrumentalen Latin- und auch Western-Elementen geprägt und fühlt sich fast wie ein Soundtrack von Ennio Morricone oder Jim Jarmusch an.
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Seit 2015 machen die Brüder professionell gemeinsame Sache, „Sonido Cósmico“ ist nun das sechste Album der beiden und gleichzeitig das auf Easy Eye Sound erscheint, nachdem die vier Machwerke vorher im Eigenverlag erschienen. War das Vorgänger-Album „El Bueno y el Malo“ noch ein musikalischer Road-Trip durch die Wüste, wird der Blick nun weiter gefasst. Die eigenständige Single „Blood Milk Moon“, die im Dezember veröffentlicht wurde, war da sozusagen ein stilistischer Brückenschlag zwischen den beiden Alben.
„Sonido Cósmico“ wurde natürlich wie schon der Vorgänger vom legendären Dan Auerbach (The Black Keys) produziert und verbindet einhüllende Synthesizer, Orgelgesang, leichte Perkussion und lateinamerikanisch inspirierte Rhythmen mit den bereits erwähnten typischen Gitarrenlinien, die den Hermanos-Gutiérrez-Sound ausmachen. An anderer Stelle des Albums erweitern die Gebrüder Gutiérrez ihre rhythmische Palette und lassen sich von Cumbia und Salsa inspirieren.
Ein Album als Gesamtkunstwerk
Wie immer bei den Hermanos Gutiérrez ist es schwierig, einzelne Songs herauszuheben, wirkt das Album doch am ehesten in seiner atmosphärischen Gesamtheit. Es geht um die Gesamtstimmung, die ja fast schon hypnotisch ist. Wenn man es dennoch versuchen wollen würde, müsste man wohl „Low Sun“ nennen, das den Hörer durch seine kühnen Perkussion – viel prominenter als auf früheren Hermanos Gutiérrez-Platten – einfängt. Bei der Nummer wird eine geradezu unheimliche Spannung zwischen den beiden Gitarren der Brüder aufgebaut.
„Lágrimas Negras“ geht unter die Haut. Und auch das sanfte „Until We Meet Again“ bleibt im Gedächtnis. Die bittersüßen Melodien der Gitarren wirken, als würden sie sich gegenseitig verfolgen, ehe sie schließlich ineinander übergehen. Es ist schon immer wieder erstaunlich, dass die Musik der beiden, obwohl ihnen jegliche Lyrics fehlen, doch immer wieder Geschichten erzählt. Bilder entstehen lässt. Keine Frage: Die Musik der beiden ist von einer berührenden, magischen Sprachlosigkeit geprägt.
Wer Lust bekommen hat: Im Spätsommer kommt die Band für zwei Shows nach Deutschland: Am 29. August spielt sie im „Mojo“ in Hamburg, am 3. September im „Silent Green“ in Berlin.
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