Emilíana Torrini - Miss Flower (foto: Grönland)

Emilíana Torrini – Miss Flower

Erscheinungsdatum
Juni 21, 2024
Label
Grönland
Unsere Wertung
8

Emilíana Torrini ist wieder da. Die isländische Künstlerin hat mit „Miss Flower“ ihr erstes Solo-Album in sage und schreibe zehn Jahren veröffentlicht. Über das Mittel der „biographischen Fiktion“, wie Torrini das Projekt nennt, nähert sie sich dabei der verstorbenen Mutter einer ihrer besten Freundinnen und setzt dieser ein musikalisches Denkmal. Und sie erzählt dabei eine Geschichte von Liebe und Begehren, von Freiheit und Unabhängigkeit sowie von weiblicher Selbstbestimmung.

Nein, komplett von der Bildfläche verschwunden war Emilíana Torrini in den letzten zehn Jahren nicht. Nur auf den Mainstream hatte die heute 47-Jährige offenbar eine Weile keine Lust mehr, nahm lieber Musik mit Kid Koala oder Kammer-Pop-Ensemble The Colorist Orchestra auf. Kann man mal so machen.

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Warum also jetzt doch wieder solo? Nun, alles begann mit einer mysteriösen Kiste auf dem Dachboden. Darin: Dutzende Liebesbriefe, fein säuberlich sortiert, von Männern aus der ganzen Welt. Über viele Jahrzehnte geschrieben an eine Frau, deren Leben ebenso spannend wie geheimnisvoll war. Dieser wundersame Fund bildet den Ausgangspunkt für „Miss Flower“, das erste Solo-Album von Emilíana Torrini seit zehn Jahren.

Sixties-Sexiness und sprühende Funken

Die Kiste gehörte der verstorbenen Mutter einer engen Freundin Torrinis. „Sie hatte neun Heiratsanträge bekommen, aber nie geheiratet“, erzählt Torrini, „wir haben angefangen, einige dieser Briefe, meist, aber nicht nur, von Männern zu lesen. Sie waren ziemlich besessen von ihr, total verknallt.“ Lachend und heulend arbeiteten sich Torrini und ihre Freundin durch die Briefe, lasen staunend, dass die Mutter, Geraldine Flower, nach der das Album auch benannt ist, als Teenager einen Nebenjob hatte, bei dem sie ein Löwenjunges nachts durch die Friedhöfe Londons spazieren führte. Oder dass ihr ein Mann schrieb, dass er an sie denke, wenn er den Rasen mäht. „Das hatte so eine Sixties-Sexiness“, sagt Torrini und lacht, „da habe ich meine Freundin gefragt, ob ich darüber einen Song machen darf.“

Durfte sie. Und praktischerweise ist ihre Freundin mit Emilíana Torrinis langjährigem Keyboarder und Songwriting-Partner Simon Byrt verheiratet. Im kleinen Homestudio im Garten, zu ihren Füßen der Hund von Geraldine, ließen sie sich von dem Brief inspirieren und entwickeln daraus einen Song. Und so ging es immer weiter, die kreativen Funken sprühten nur so. In so vielen Briefen steckten Geschichten, die zu Songs werden wollten. Und das dann auch wurden.

Jedes Lied ist unterschiedlich in Sound und Struktur. Kein Zufall: Immerhin beziehen sich die Songs ja auf sehr unterschiedliche Menschen und Charaktere. Der Fokus liegt aber auf elektronischen Elementen, so viel roten Faden gibt es bei aller Vielseitigkeit schon.

Das sind die Highlights

Zu den Glanzlichtern gehört das tanzbare und offensichtlich vom Triphop inspirierte „Lady K“, das sich auf eine Geschichte aus Briefen der großen Liebe von Geraldine bezieht und nach dem Boot benannt ist, auf dem sie gemeinsam urlaubten. Auch „Black Water“ bleibt haften, ist es doch wunderbar hypnotisch. „Let’s Keep Dancing“, ein melancholischer Uptempo-Track, zitiert einen letzten Tanz, einen letzten Abend vor einer Trennung und geht so richtig unter die Haut. Das Beatgerüst erinnert an den Sound von karibischen Steeldrums und ist, klar, an einen karibischen Exfreund Geraldines angelehnt.

Es ist übrigens das einzige Duett auf der Platte: mit einem Duettpartner aus der Vergangenheit: Torrini und Byrt samplen hier einen Song, den dieser Exfreund von Geraldine für sie aufgenommen hatte. „Aber wir konnten ihn über zwei Jahre nicht finden“, erinnert sie sich. Erst kurz vor Erscheinen des Albums war die Suche nach Harold Prieto erfolgreich. Er erlaubte ihnen nicht nur, den Song zu samplen, sondern auch ein verfremdetes Bild von ihm und Geraldine für das Albumcover zu verwenden.

Am Ende kommt auch Geraldine Flower selbst zu Wort. Indirekt. In „Love poem“. Ihre Tochter Zoe fand ein von ihr geschriebenes Gedicht, dass ihrer großen Liebe gewidmet war. Torrini nahm das Gedicht auf, und dichtete einen neuen Teil dazu: „Als ob ich es mit ihr zusammen geschrieben hätte. Es war mir so wichtig, dieses Stück zu haben. Jetzt wusste ich: wir können das Album beenden.“

Die Abrundung eines Albums über eine bemerkenswerte, ja, mutige Frau. Und der perfekte Abschluss eines ebenso mutigen Experiments. Und so passt auch dieses Album wunderbar in den Katalog einer Musikerin, die einem guten Experiment gegenüber ja noch nie abgeneigt war. Mainstream können andere.

https://youtube.com/watch?v=T1vKgb4xKSI%3Fsi%3D8pPRgvnmMNbToZia
Anspieltipps
Lady K
Black Lion Lane
Let's Keep Dancing
Miss Flower
Love Poem
8
Ein musikalisches Denkmal für eine spannende Persönlichkeit.
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