Mark Ribowsky - Das großartige Leben des Little Richard (foto: hannibal verlag)

Mark Ribowsky – Das großartige Leben des Little Richard: A-Wop-Bop-A-Loo-Bop-A-Lop-Bam-Boom

Erscheinungsdatum
April 29, 2021
Verlag
Hannibal Verlag
Unsere Wertung
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Vor zwölf Monaten ging einer der ganz Großen: Am 9. Mai 2020 starb Little Richard im Alter von 87 Jahren. Ein wahrer Pionier des Rock ’n’ Roll. Mit Hits wie „Tutti Frutti“ schrieb er  Musikgeschichte. Laut, schillernd, rebellisch sprengte er Geschlechtergrenzen. Jetzt widmet sich der US-amerikanische Autor Mark Ribowsky dem Musiker in einer neuen Biografie: „Das großartige Leben des Little Richard: A-Wop-Bop-A-Loo-Bop-A-Lop-Bam-Boom“.

Wenn jemand die Geschichte des Rock ’n’ Roll erzählen will, dann beschreibt er oft mit einer gewissen Begeisterung, wie Künstler wie Elvis Presley es in den fünfziger Jahren schafften, schwarze Musik massentauglich zu machen. Dass  genau in diesem Umstand aber auch eine große Tragik liegt, lässt man dann gerne unter den Tisch fallen.  Dass es eben erst den weißen Interpreten brauchte, um dieses Kunststück hinzukriegen. Und dass der dann  durch diesen Akt kultureller Aneignung auch noch die große Kohle verdiente, während die schwarzen Musiker oft leer ausgingen. Die Geschichte des Rock ’n’ Roll, sie  ist auch eine Geschichte der Rassentrennung.  

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Wie so viele andere schwarze Künstler musste auch Little Richard – am 5. Dezember 1932 als Richard Wayne Penniman in Macon/Georgia auf die Welt gekommen – mit ansehen, wie andere mit seinem Werk das große Geld scheffelten. Als er 1955 „Tutti Frutti“ veröffentlichte, wurde der Song zwar ein Erfolg – zum großen Hit allerdings erst, als er durch den vergleichsweise biederen, weißen Crooner Pat Boone gecovert wurde. Wie die „New York Times“ berichtet, soll Richard seinerzeit an der Nummer gerade mal einen halben Cent pro verkaufter Single verdient haben. 

Entfesslung in codierter Form

Es ist aber dieses Lied, bis heute unzählige Male gecovert, das Little Richards größtes Vermächtnis ist. „Ich hatte immer gedacht, dass ’A wop bop a loo lop a lop bam boo’ alles gesagt hätte“, schrieb Bob Dylan einst in seiner Autobiografie über diesen Song mit diesem einprägsamen Intro, der so anschaulich verdichtete, worum es im Rock ’n’ Roll eigentlich ging: Entfesslung, Provokation, Freiheit, Sex. Wenn auch stets in codierter Form.

Zu seiner eigenen Sexualität hatte Little Richard immer ein irgendwie gespaltenes Verhältnis. Er fand in seiner Familie auch keine Unterstützung vor, weshalb er sein Elternhaus schon früh verließ. Richard bezeichnete sich selbst erst als homo-, dann als omnisexuell, um Jahre später – mittlerweile ein wiedergeborener Christ – öffentlich über Homo- und Transsexuelle herzuziehen. Schwulsein, befand er, sei unnatürlich, krank und ansteckend. Sich  selbst bezeichnete er als „Sünder“. Worte, die er später mal zurücknahm, dann aber auch wieder bekräftigte.

Worte,  die auf viel Kritik stießen, und unglaublich wirkten aus dem Mund eines Mannes, der Jahrzehnte vor Künstlern wie Prince oder David Bowie als progressiver Gender Bender galt. Also als jemand, der mit Erwartungen und den Grenzen der Geschlechterrollen spielte, sie nur allzu gerne überschritt. Auf der Bühne sah man ihn zumeist schwer geschminkt. In schillernden Kostümen und mit toupierten Haaren. Ein Anblick, der die maskuline Kultur des Genres zu jener Zeit herausforderte. Wenn Elvis der King of Rock ’n’ Roll sei, sagte Richard einmal, dann sei er selbst die Queen.

Das Hadern mit dem Bühnen-Ich

Immer wieder haderte er aber eben auch mit seinem exzentrischen, androgynen Bühnen-Ich . Er zog sich – gleich mehrmals –  aus dem Showgeschäft zurück, um stattdessen als Priester oder Gospelsänger zu arbeiten. Sehr wahrscheinlich, dass es eben diese Auszeiten und Episoden waren, die verhinderten, dass der Mann eine noch beeindruckendere Karriere hinlegte. So konzentrierten sich seine ganz großen Erfolge – neben „Tutti Frutti“ waren das etwa Hits wie „Long Tall Sally“, „Lucille“, „Good Golly Miss Molly“ – auf einen Zeitraum von drei Jahren. 1955 bis 1958.

Doch auch wenn Richard danach nie wieder die Top Ten der US Billboard Charts knacken sollte, war er doch immer da.  Spätestens ab den siebziger Jahren verstand sich der Musiker als ewig fahrender Nostalgie-Act. Und in den achtziger und neunziger Jahren hatte der Gute auch als Schauspieler leidlich Erfolg. So war er unter anderem in Gastrollen in Serien wie „Full House“, „Baywatch“ oder „Miami Vice“ zu sehen. 1986 wurde er schließlich in die Rock and Roll Hall Of Fame aufgenommen – als Teil des ersten Jahrgangs, neben Künstlern wie Ray Charles, Elvis, James Brown oder Chuck Berry. 1993 kam der Lifetime Achievement Award bei den Grammys hinzu.

Zurückgezogen in den Nuller Jahren

Noch in den Nuller Jahren trat Little Richard auf, performte aber nach einer Hüft-OP schließlich nur noch im Sitzen. Das fiel dem Mann, dessen Markenzeichen es ja stets war, im Stehen ebenso energetisch wie virtuos auf sein Boogie-Woogie-Piano einzuhämmern, spürbar schwer. 2013 hat sich Little Richard dann  offiziell und endgültig von der Bühne verabschiedet. „I’m done“ – ich bin fertig, verkündete er seinerzeit  im Magazin „Rolling Stone“. In den vergangenen Jahren lebte er zurückgezogen  in seinem Haus in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee. Immer wieder gab es Gerüchte um seinen Gesundheitszustand.

Vor einem Jahr ist die Rock-Legende im Alter von 87 Jahren gestorben. An Knochenkrebs, wie sein Sohn Danny Penniman US-amerikanischen Medien bestätigte. Stars wie Mick Jagger, Chance The Rapper oder Gene Simmons (Kiss) kondolierten.

Großer Stoff

Der amerikanische Journalist Mark Ribowsky hat schon diverse Bücher über Größen aus Musik und Sport geschrieben, darunter welche über Stevie Wonder, Lynyrd Skynyrd, Hank Williams oder Phil Spector. Seine Biografie der Supremes wurde sogar in die Bestenliste der „New York Times“ aufgenommen.

Ein paar Meriten des Autors, dazu großer Stoff als Vorlage – das Buch müsste doch eigentlich ein Selbstläufer sein. Und tatsächlich kann man Mark Ribowsky auch nicht den Vorwurf machen, hier wichtige Themen ausgespart zu haben. Er setzt sich mit Richards Verhältnis zu Familie und Weggefährten sowie seinem Kampf gegen Rassismus auseinander. Auch mit dem lebenslangen Konflikt zwischen Little Richards religiösen Überzeugungen und seiner Sexualität. Leider steuert Ribowsky aber auch wenig Neues zu diesen Themen bei. Es gibt keine Interviews mit dem Künstler selbst oder seinen Weggefährten, und so stützt sich Ribowksy vor allem auf Sekundärliteratur. Mit 219 Seiten ist dieses sehr anekdotisch gehaltene Machwerk denn auch sehr kurz geraten. Und auch sprachlich ist dieses Buch nicht der große Wurf. Das mag aber auch an der deutschen Übersetzung liegen.

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