Macy Gray (foto: Derrick Rodgers)

Macy Gray im Interview: „Als Frau ist man ja grundsätzlich in der Verteidigung“

Die legendäre R&B-Sängerin Macy Gray macht dieser Tage mal wieder in Deutschland Station. Der Grund: Ihr Debütalbum „On How Life Is“ wird 25 Jahre alt. Benjamin Fiege sprach mit ihr über ihren bahnbrechenden Erstling, über Donald Trump und die anstehende Deutschland-Tour.

Macy, auf Instagram haben Sie gepostet, dass Sie bis um 6 Uhr morgens im Studio waren. Arbeiten Sie an neuem Material?

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Ja, wir proben einerseits für die nun anstehende Tournee, sind aber auch seit ein paar Monaten dabei, an einem neuen Album zu basteln, von dem ich hoffe, dass es bald herauskommt.

Können Sie uns darüber schon etwas verraten?

Es ist immer schwer, Musik mit Worten zu beschreiben. Ich bin aber auf jeden Fall sehr stolz darauf, es ist sehr fresh und auch etwas, das aktuell niemand in der Form macht. Daher bin ich sehr aufgeregt.

Ihr bis dato letztes Album hieß „The Reset“. Wenn man so aus Europa Richtung Amerika blickt, könnte man meinen: Da geschieht gerade genau das. Wie sehen Sie das?

Ich fühle die gleiche Unsicherheit wie so viele Leute. Man weiß nicht, was da passieren wird, lebt von Tag zu Tag. Wir entdecken gerade, wie sehr alles miteinander zusammenhängt. Was wir hier treiben, hat anderswo auf der Welt einen Effekt – und umgekehrt. Ich wünschte, unsere Regierung würde verstehen, dass es am besten ist, mit anderen zu kooperieren. Aber auch im Jahr 2025 redet man eher übers Kämpfen und darüber, aufeinander zu schießen. Das ist dumm. Ich wünschte, Politiker würden so etwas wie eine Schulung durchmachen, bevor sie ins Amt kommen, damit sie wissen, was sie da überhaupt tun.

Verfolgen Sie die Nachrichten intensiv? Oder halten Sie sich eher fern?

Es ist wichtig, dass man auf dem Laufenden bleibt und weiß, was los ist. Aber ich schaue nicht mehr so viel wie früher. Wir hatten gerade ein Wahl-Jahr, da klebte jeder den ganzen Tag am Fernseher. Jetzt ist es aber zu viel, es passiert ständig etwas, das frustriert. Und so habe ich das Gefühl, dass die Leute sich jetzt wieder mehr auf sich und ihre eigenen Leben konzentrieren.

Ein interessanter Punkt. Von hier aus wirkt es auch so, als seien Trumps Gegner gerade sehr schweigsam. Als stünde das Land kollektiv unter Schock.

Es gibt schon Proteste, aber es dauert, bis man den Weg findet, da effektiv dagegenzuhalten. Wahrscheinlich muss auch die Verzweiflung erst noch etwas größer werden. Wenn die Leute nichts mehr zu verlieren haben, verändern sie ihr Verhalten. Es sind seltsame Zeiten.

„Ich bin jemand, der eine Meinung hat“

Sie haben sich öffentlich schon früh gegen Donald Trump positioniert. Auch in ihrer Musik, und das sogar noch vor seiner ersten Amtszeit. Macht Sie das nicht auch zur Zielscheibe der Maga-Anhänger auf Social Media und dergleichen?

Wenn man sich während der Wahlkampf-Zeiten äußert, bekommt man schon Reaktionen ab. Aber jetzt streitet sich doch jeder mit jedem. Alles ist so polarisiert. Ich fürchte mich wirklich davor, dass wir uns mit diesem Zustand zu sehr anfreunden, dass wir uns zu sehr daran gewöhnen, uns gegenseitig zu hassen. Wenn dies das neue „normal“ wird, haben wir ein Problem.

Waren Sie schon immer eine politisch denkende Person?

Nein, um sich wirklich als politisch zu bezeichnen, muss man da draußen in der Welt sein und für Dinge kämpfen, sich für Veränderungen einsetzen. Ich bin einfach jemand, der eine Meinung hat. 

In einem Interview sagten Sie mal, als schwarze Frau sei man grundsätzlich gezwungen, politisch zu sein. In die Rolle würde man geradezu reingedrängt.

Als Frau ist man ja grundsätzlich in der Verteidigung. Man muss es sein. Es gibt so viele Regeln und Gesetze, die es Frauen schwer machen. Man wird anders behandelt als ein Junge, wenn man aufwächst, man ist irgendwie immer Zweiter. Als Person of Color ist das nicht anders. 

Als Künstlerin erheben Sie heute ihre Stimme, zeigen Haltung. Dabei gab es mal Zeiten, in denen sie sich unwohl fühlten, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Sie hatten Scheu wegen ihrer Stimme, wurden als junger Mensch gemobbt …

Ja, es gibt heute noch Menschen, die über meine Stimme lachen. Heute bin ich aber älter und weiß, damit umzugehen.

Wie haben Sie dann den Mut aufgebracht, zu singen?

Der Mut kommt, wenn man glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben. Ich hatte damals akzeptiert, dass meine Stimme anders ist. Und plötzlich standen mir alle Türen offen. Denn plötzlich war ich die mächtigste Person im Raum, denn ich hatte etwas, dass andere nicht hatten.

Atlantic war das erste Label, dass Sie unter Vertrag nahm. Warum erschien Ihr Debütalbum nicht dort, sondern später bei Sony Music?

Als ich den Vertrag bei Atlantic unterschrieb, war ich gerade schwanger. Das zeigte sich dann schnell. Ich glaube, die Leute bei Atlantic waren nicht sehr scharf darauf, eine schwangere Künstlerin zu promoten. Dann gab es auch noch einen Wechsel auf dem Chef-Sessel und dann droppten sie mich. 

Wurden Sie dann vom großen Erfolg der Platte später überrascht?

Niemand war mehr geschockt als ich. Nach der Sache mit Atlantic hatte ich überhaupt keine Erwartungen, ich war echt am Boden. Ich hatte immer Angst, dass Sony mich auch droppen würde. In der ersten Woche stieg es auf Platz 192 der Charts ein und ich hätte vor Freude schon Salti schlagen können. Und dann kletterte es immer weiter rauf …

„Mein Leben war auf den Kopf gestellt“

Das war noch die Zeit, als man gut Geld verdienen konnte mit physischen Tonträgern. Was hat der plötzliche Ruhm mit Ihnen gemacht? Sie waren plötzlich ein Star …

Mein Leben war auf den Kopf gestellt. Ich reiste, sah viel von der Welt. Vorher war ich nur in den USA und mal in Kanada. Und dann war da plötzlich Geld und Aufmerksamkeit. Da waren viele Leute, die plötzlich meine Nähe und Freundschaft suchten. Die Leute schrien, wenn ich die Bühne betrat. Man nimmt sich plötzlich auch selbst anders war. Vorher hatte ich nie viel Selbstvertrauen. Das hat sich dann auf einen Schlag geändert.

War das auch herausfordernd?

Ich hatte wahnsinnig viel Spaß! Ich war in meinen späten 20ern, frühen 30ern, habe jeden Abend Party gemacht und die Jungs mochten mich plötzlich. Und ich konnte meinen Eltern helfen, die eine oder andere Rechnung zu bezahlen. Es gibt manche Künstler, die sich über die Schattenseiten des Ruhms beklagen, aber ich habe das nie verstanden. Der Trick ist einfach, den Erfolg zu wiederholen. Da steckt das wirkliche Talent drin.

„I Try“ wurde damals zum Riesenhit. Dabei wollten Sie erst gar nicht, dass der Song eine Single wird. 

Ich dachte, er sei zu textlastig. Und dann irgendwie auch noch eine Ballade! Das Label hatte damals aber den richtigen Riecher.

Spielen Sie die Nummer heute noch gerne? Manche Künstler haben ja irgendwann Ermüdungserscheinungen, wenn es um den eigenen großen Hit geht …

Er gehört einfach zu mir, ich habe da keine Ermüdungserscheinungen. Und am Ende spielt man doch auch für die Fans.

Jetzt bringen Sie das Album mit auf Tour nach Deutschland. Spielen Sie das ganze Album oder wird es eher eine Greatest-Hits-Show?

Wir spielen das ganze Album, aber obendrein wird es auch noch ein paar weitere Songs geben. 

Sie haben Fans auch via Instagram über die Setlist abstimmen lassen. Gab’s da Überraschungen für Sie?

Ja, ich war erstaunt, wie viele Leute „My Nutmeg Phantasy“ kannten und sich wünschten. Auch „Forgiveness“ aus meinem zweiten Album wurde oft gelandet.

Mögen Sie das Touren noch?

Nicht mehr ganz so sehr wie früher. Denn selbst wenn man mal on tour keinen Auftritt hat, ist man rund um die Uhr bei der Arbeit. Und eben weg von zu Hause. Es ist doch anstrengender, als es von außen aussieht. Aber beschweren möchte ich mich nicht.

Live

26. Mai – Admiralspalast (Berlin)
27. Mai – Elbphilharmonie (Hamburg)
15. Juni – Audimax (Regensburg)

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