Eine Platte, die mit jedem Hören mehr Wärme entfaltet: Mit dem ruhigen, zurückgelehnten „Small Changes“ legt der großartige Michael Kiwanuka sein nunmehr viertes Studioalbum vor. Es darf diesmal etwas weniger opulent als sonst sein.
„Da ist nichts Originelles an diesem britischen Retro-Soul-Man. Aber wenn du klingst wie Bill Withers, Van Morrison und The Temptations ist das vielleicht gar nicht so schlecht“, schrieb der britische „Guardian“ 2011 über Kiwanuka. als dieser gerade entdeckt worden war. „Gar nicht so schlecht“ ist leicht untertrieben. Von all den Retro-Soul-Stars der 2010er Jahre hat Kiwanuka wohl eine der nachhaltigsten Karrieren hingelegt.
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Fünf Jahre liegen schon seit der Veröffentlichung von Kiwanukas drittem, selbstbetitelten Album zurück. Fünf wirklich lange Jahre. Aber in dieser Zeit hat sich eben viel getan bei dem britischen Sohn ugandischer Einwanderer. Der Gute hat seine Heimatstadt London verlassen, lebt jetzt an der englischen Südküste. Kiwanuka ist mittlerweile auch zweifacher Vater. Und dann war ja da noch diese Pandemie. In Anbetracht dieser Veränderungen ist derAlbumname „Small Changes“ fast schon ironisch.
Zurückgenommener als sonst
Musikalisch hat sich bei Kiwanuka aber tatsächlich gar nicht so viel verändert. Das, was uns der mittlerweile 37-Jährige da kredenzt, ist aber etwas zurückgenommener als sonst. Als wollte Kiwanuka uns in diesen unsteten, lauten Zeiten eine Oase der Ruhe anbieten. Ein Ort, an dem man seine Batterien aufladen kann. Wieder hat er mit den Produzenten Danger Mouse und Inflo zusammengearbeitet. Dem selben Team also, das schon bei den Vorgänger-Alben „Kiwanuka“ und „Love & Hate“ gemeinsame Sache gemacht hatte. Neu dabei sind der legendäre Bassist Pino Palladino sowie Jimmy Jam (Jam and Lewis).
Auf den großen Hit haben die Macher hier nicht geschielt. Stattdessen werden uns elf überaus ruhige, zarte Songs kredenzt, die einen Künstler zeigen, der mittlerweile total bei sich selbst angekommen zu sein scheint und einfach das macht, wozu er gerade Lust hat. Und das macht er hervorragend. Die neuen (etwas kürzeren) Songs sind slow-burner, entfalten bei jedem Hören mehr Magie und wohlige Wärme. Schon der Opener „Floating Parade“ nimmt einen gefangen, Kiwanukas warmer Bariton erinnert einen direkt wieder an Bill Withers. Auch bei „Four Long Years“, dem Closer, kommt einem dieser Vergleich wieder in den Sinn. Allerdings denkt man auch direkt an Mazzy Star. Bei „Lowdown (Part I und II)“ standen dann eher Pink Floyd Pate.
Das Titelstück mit seinen wunderbaren Streichern bietet sich zum Wegdriften, ja, zum Wegträumen an. Diese Stimme, dieser Rhythmus, dieses Gitarrenriff. Zauberhaft. Liebeslieder gibt es auf der Platte zuhauf. Von „Stay By My Side“ über „One and Only“ und „Live For Your Love“ bis hin zu „The Rest of Me“. Mal mit ein bisschen viel textlichem Zuckerguss, mal mit einer bekömmlicheren Dosis. Man verzeiht Kiwanuka aber auch den Kitsch, ob dieser Stimme und des Vibes der Songs. Man nimmt ihm die Gefühle ab, sie wirken authentisch. Und darauf kommt es letztlich an.
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