Nick Cave (foto: Benjamin Fiege)

Live: Nick Cave in Baden-Baden – Raus aus der Dunkelheit

Diese Aura. Dieses Charisma. Diese Präsenz. Nick Cave hat am Donnerstag und Freitag das Festspielhaus Baden-Baden ausverkauft. Er am Klavier, ohne die Bad Seeds, dafür mit anderweitiger, namhafter Unterstützung.

Es war ein dunkler Ort, an dem sich Nick Cave nach dem Tod seines Sohnes Arthur befand, der „dunkelste Ort, den man sich vorstellen kann“, wie der australische Musiker Ende 2022 der altehrwürdigen „New York Times“ im Interview verriet. Eine Ahnung von diesem Ort erhielt man beim Hören des Albums „Skeleton Tree“ (2016), an dem Cave zu der Zeit arbeitete, als der 15-Jährige verunglückte. Cave spielte den Song eine Weile auch live, bis er sich irgendwann entschied, das besser sein zu lassen. Zu düster waren die Gedanken.

anzeige

Als ihn ein Fan im März 2025 auf eine bestimmte Zeile aus dem Song ansprach (Cave beantwortet auf seiner Webseite gern ausführlich Fragen seiner Anhänger), hatte Cave erst Angst, dass ihn die erneute Auseinandersetzung mit dem Lied wieder an diesen dunklen Ort zurückführen würde. Er wagte es trotzdem. Und stellte überrascht fest: „Skeleton Tree“ erschien ihm plötzlich in einem anderem Licht. Es war der erste Song, den Cave nach dem Tod seines Sohnes schrieb, damals kam er ihm einfach nur verzweifelt vor. Heute liest er aus seinen Zeilen auch eine Ahnung von Hoffnung heraus. 

Unterstützung durch Colin Greenwood

Gänsehaut, als Cave die emotionale Nummer am Freitagabend in Baden-Baden anstimmte. Bei aller Schwermut, aller Melancholie, die Caves Musik naturgemäß in sich trägt, merkt man: Der Mann hat wieder zum Licht gefunden. Im besagten „New York Times“-Interview verriet Cave, der 2022 mit Jethro Lazenby einen zweiten Sohn begraben musste, dass ihm die Fans durch die schwere Zeit nach den harten Schicksalsschlägen geholfen haben. Er wisse, dass das kitschig klingt, aber so sei es gewesen. In den vergangenen Jahren hatten seine Konzerte fast Gottesdienstcharakter, Cave glich dabei einem Prediger, er suchte den direkten Kontakt, er schüttelte Hände, umarmte Zuschauer. Er wollte sich bedanken. Etwas zurückgeben.

In Baden-Baden schüttelte Cave zwar ebenfalls ein paar Hände, ansonsten wurde die Intimität aber eher durch die Musik selbst erzeugt. Der 67-Jährige ist derzeit solo unterwegs, also ohne seine Bad Seeds, wobei solo nur so halb stimmt. Unterstützt wird der am Piano sitzende Cave gerade von dem britischen Bassisten Colin Greenwood, der sonst seine Brötchen bei Radiohead verdient. Etwas mehr als zweieinhalb Stunden stehen die beiden nun Abend für Abend gemeinsam auf der Bühne und reiten einmal quer durch den Backkatalog von Nick Cave, die Bandbreite reicht von „Shivers“ (1979, noch aus Boys-Next-Door-Zeiten) bis hin zu Tracks aus dem jüngsten Cave-Album „Wild God“ (2024). Die Songs: entkernt, aufs Wesentliche reduziert, so, wie sie ursprünglich mal erdacht waren, wie Cave sagte. 

Cave als Entertainer

Der Australier war an diesem Abend ganz und gar Entertainer, führte mit viel Witz und Esprit durch die Show, animierte das Publikum. Wer Cave nicht kennt, mag überrascht sein, wie viel Humor in dem Mann mit der düsteren Musik steckt. Greenwood hielt sich unterdessen zurück, überließ Cave  weitegehend die Interaktion mit dem Auditorium.

Das Konzert selbst: durch die Bank stark. Cave war gut bei Stimme, wirkte unheimlich kraftvoll. Es spricht für sein Gesamtwerk, dass neueres Material wie „Push the Sky Away“ oder „Joy“ neben einem Klassiker wie „The Ship Song“ gleichberechtigt stehen kann. Mit „Cosmic Dancer“ (T. Rex) lieferte Cave überdies ein Coverstück, auf das er in der Vergangenheit schon gerne zurückgriff, blieb dabei dicht an der Atmosphäre des Originals.

Am Ende, klar, „Into My Arms“ aus dem Jahr 1997. Eine emotionale Ballade, ein Signature Tune von Nick Cave. Die Nummer spielte er auch im Jahr ihrer Veröffentlichung bei der Beerdigung seines guten Freundes Michael Hutchence (INXS). Ein Song über Verlust, der aber auch ein Fünkchen Hoffnung in sich trägt. Ein Fünkchen Optimismus. Und damit der perfekte Schlusspunkt unter einem außergewöhnlichen Abend, bei dem man den Eindruck gewinnen konnte: Nick Cave hat den dunklen Ort, an dem er sich befand, zum Glück verlassen.

anzeige

Zeen is a next generation WordPress theme. It’s powerful, beautifully designed and comes with everything you need to engage your visitors and increase conversions.

Zeen Subscribe
A customizable subscription slide-in box to promote your newsletter
[mc4wp_form id="314"]
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner