Gianna Nannini in St. Wendel (foto: Fiege)

Live: Gianna Nannini in St. Wendel – Giannissima!

Nein, das Wetter versprühte am Donnerstag beim Bosenbachfestival in St. Wendel kein italienisches Flair. Das musste Italo-Rockerin Gianna Nannini schon allein bewerkstelligen.

Sieben, vielleicht sogar acht Minuten vergingen, ehe Andy Brehme endlich schießen konnte. Es ist das Fußball-WM-Finale 1990, Endspiel, Deutschland gegen Argentinien mit Diego Maradona, der Schiedsrichter hatte in der 85. Minute Elfmeter für die DFB-Elf gepfiffen. Brehme gegen den Elfer-Killer Sergio Goycochea, er schießt den Ball mit rechts flach ins linke Eck. Tor, wenige Minuten später, ist Deutschland, das kurz vor der Wiedervereinigung steht, Weltmeister. Grenzenloser Jubel. Nur Teamchef Franz Beckenbauer wandert alleine, gedankenverloren über das Spielfeld, ein ikonisches Bild. Der Soundtrack dazu: „Un’estate italiana“, ein Duett von Edoardo Bennato und Gianna Nannini, die offizielle Hymne dieser WM in Italien und immer noch gern hergenommen, wenn an die großen Momente dieses Turniers erinnert wird.

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In Italien und der Schweiz war das Ding ein Nummer-eins-Hit, bei uns landete er auf Platz zwei, einer der Songs, die man hierzulande mit Gianna Nannini verbindet, keine Frage. Ein Lied, das 35 Jahre später immer noch regelmäßig auf den Live-Setlisten der mittlerweile 71-Jährigen zu finden ist. Umso bedauerlicher, dass die in Siena geborene Musikerin am Donnerstagabend in St. Wendel beim Bosenbachfestival auf ihn verzichtete. Vielleicht war der italienischen Musik-Legende der Tag doch ein bisschen zu grau und nass, um hier den italienischen Sommer herbeizusingen. 

Umfangreicher Hit-Katalog

Es war dennoch viel geboten an diesem Abend. Die Italienerin hat im Verlauf ihrer seit 1976 andauernden Karriere ja einen umfangreichen Hit-Katalog geschaffen, von dem auch die eine oder andere Perle den Weg über die Alpen gefunden hat. Ein bisschen Sorgen hatten sich die Fans im Vorfeld um Nannini gemacht. Die Musikerin war vor wenigen Tagen bei einem Konzert in Wiesbaden böse gestürzt und hatte sich den Arm gebrochen. Offenbar kein Grund für Nannini, ihre Tour abzubrechen. The show must go on. Und so steht die Musikerin gerade etwas lädiert auf der Bühne und wirbelt über eben diese nicht so agil und dynamisch, wie man es von ihr eigentlich gewohnt ist.

Ihre gesangliche Performance ist von dem Bruch offenbar nicht beeinträchtigt worden. Nannini ließ sich keine Schmerzen anmerken, begeisterte mit ihrer rauchigen Rock-Röhre, wie man es von ihr kennt.  

Neues Album im Gepäck

Im Gepäck hatte die Sängerin ein neues Album, das erste nach fünf Jahren Veröffentlichungspause.  „Sei nel l’anima“ heißt das gute Stück, ein durchaus überzeugendes Spätwerk, aus dem es erfreulicherweise der eine oder andere Titel ins Programm des Abends schaffte. Einer davon gehörte sogar zu den großen Glanzlichtern des Konzerts (neben dem immer noch unfassbar guten, immer noch tanzbaren „Fotoromanza“): „Il buio nei miei occhi“, eine italienische Cover-Version des Blues-Klassikers „I’d Rather Go Blind“, der seinerzeit von Etta James populär gemacht wurde. Schon beim Vorgänger-Album „La Differenza“, in Nashville aufgenommen, hatte sich Nannini von  afroamerikanischen Sounds inspirieren lassen. Auch das Titelstück der neuen Platte,  „Sei nel l’anima“, schaffte es zum Beispiel auf die Setlist.

Natürlich strahlten die Hits an diesem Abend am hellsten, natürlich lagen sich die Leute vor allem bei den Klassikern in den Armen, bei „America“, „Bello e impossibile“ oder „I maschi“ sogar Smartphone-Lichter-schwenkend. Nannini, das merkte man, ist längst europäisches Kulturgut. Nicht schlecht für eine, die zu Beginn ihrer Karriere – gerade in Italien – als Skandalsängerin abgestempelt wurde, weil sie ihre eigenen Songs schrieb (als Frau!) und über für den Mainstream schwer verdauliche Themen wie Abtreibung, Vibratoren und Selbstbefriedigung sang. Sie war ihrer Zeit lange voraus. Und darf dafür heute sowohl als Künstlerin als auch als feministische Galionsfigur im europäischen Rock völlig zu Recht gefeiert werden.

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