Die Shoegaze-Legenden von Slowdive beglücken ihre Fans. Ab sofort sind die ersten drei Alben der Briten – „Just for a Day“, „Souvlaki“ und „Pygmalion“ – wieder als LP und CD offiziell erhältlich. Alle drei Alben erscheinen auf schwarzem, 140g schwerem Biovinyl. Wir schauen uns die Platten nochmal genauer an – heute widmen wir uns „Souvlaki“, erschienen im Sommer 1993. Eine Platte, die gemeinhin als Meisterwerk der Band gilt – und als absoluter Klassiker des Shoegaze-Genres.
Es kommt nicht selten vor, dass ein Album, in dem Moment, in dem es veröffentlicht wird, von der Kritik zerrissen wird – und seine Magie erst später entfaltet. Vielleicht erst von nachfolgenden Generationen so richtig wertgeschätzt wird. Man sagt dann, eine Band sei ihrer Zeit voraus gewesen. Auch bei Slowdive und „Souvlaki“ war das so. Gilt die Platte heute als Meilenstein des Shoegaze und als Filetstück im Katalog der Band, so wurde die zeitgenössische Kritik mit der Platte überhaupt nicht warm. Um es milde auszudrücken. Sie verriss sie geradezu. Das half den Verkaufszahlen nicht unbedingt weiter, in einer Zeit, in der Musikkritiker wahrlich noch als Gatekeeper funkionierten. Als Tastemaker. „Souvlaki“ erreichte nur Platz 51 der britischen Album-Charts. Der laute, breitbeinige Britpop & Co ließen damals keinen Raum für verträumten Shoegaze.
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Goswell und Halstead trennen sich
Bei der Band war im Vorfeld der Aufnahmen überdies Einiges im Wandel. Die beiden Sänger und Gitarristen Rachel Goswell und Neil Halstead hatten ihre Beziehung beendet, Halstead übernahm infolgedessen nun mehr und mehr die Rolle des Hauptsongschreibers der Band. Kreativ leiten ließ er sich dabei vor allem von Bands wie Joy Division oder David Bowie in dessen Berlin-Phase. Das, was dabei entstand, soll Alan McGee, dem Kopf von Creation Records, dem Label der Band, zunächst gar nicht zugesagt haben. Er soll viele der Songs, die Halstead schrieb, zunächst sogar abgelehnt haben. Am Ende hat er der Band aber doch freie Hand gegeben, heißt es.
Nachdem die Band 1992 von ihrer Tour zurück nach England kehrten, wollte sie Brian Eno als Produzenten für „Souvlaki“ gewinnen. Der ließ sich für diesen Job nicht gewinnen, sagte der Kapelle aber zu, mit ihr ein paar Songs aufzunehmen. „Sing“ und „Here She Comes“ sind so entstanden. Inspiriert von dieser Begegnung, ließ Halstead nun mehr Ambient-Einflüsse in der Slowdive-Musik zu. Zwischenzeitlich zog er sich auch allein nach Wales zurück, emotional durchgeschüttelt von der Trennung von Goswell, um dort im Stillen, fernab der Band, an persönlich gefärbteren Songs zu arbeiten. „Dagger“ ist einer jener Songs, die sozusagen im frei gewählten Kurzzeit-Exil entstanden sind. Ein akustischer, intimer Song, der etwas aus dem Rahmen fällt, aber dafür umso mehr auffällt.
Kommerzieller konzipiert
Am Ende landen zehn Tracks auf dem Meisterwerk, das bewusst kommerzieller angelegt wurde als die Vorgänger-Platte. Da wurde nun deutlich mehr Wert auf Song-Struktur und Melodie gelegt. Einer der stärksten ist gleich der Opener. „Alison“ , das als Single veröffentlicht wurde und als solche als eine der wenigen Slowdive-Songs auch chartete, ist für Slowdive-Verhältnisse trotz seiner ganzen Stoner-haftigkeit recht upbeat. Diese Gitarren! Das nachfolgende, dunkle „Machine Gun“ steht dazu dann im Kontrast, geht aber direkt ins Herz. Ein Trennungssong, genau wie das folgende, verletzliche „40 Days“. „Sing“ hat dann dank der Zusammenarbeit mit Eno den eingangs erwähnten Ambient-Touch, die Vocals werden hier mehr oder weniger geflüstert. Braucht ein wenig, ehe er sich dann beim Hörer festsetzt.
„Here She Comes“, die zweite Eno-Kollaboration, ist kurz und knackig, vermittelt aber dennoch dieses schwere Gefühl von Einsamkeit. Endet zu abrupt. Lärmend und lang: „Souvlaki Space Station“. Shoegaze in a nutshell. Das Finale, diese Klangwand aus Gitarren, ist transzendent und zum Zunge schnalzen. Deutlich zugänglicher und das zweite große Glanzlicht der Platte: „When the Sun Hits“. Die Gitarren bauen sich bedächtig auf, bevor ein explosiver Refrain den Hörer überrascht. Wunderschön. Das introspektive „Melon Yellow“ gehört zu den unterschätzteren Songs der Platte, hat aber eine unfassbar beruhigende Wirkung – und könnte in diesen turbulenten Zeiten damit doch ein dankbares Publikum finden.
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