Die Trip-Hop-Pioniere von Morcheeba, schon seit längerem zum Duo geschrumpft, melden sich mit einem neuen Album zurück. Auf „Escape The Chaos“ bieten Skye Edwards und Ross Godfrey genau das an, was der Titel der Platte verspricht: Musik gewordenen Eskapismus.
Hypnotische Grooves, zuckersüße Vocals: Die Mixtur, die Morcheeba seit Mitte der Neunziger Jahre anrühren, schmeckt immer noch. Die britische Band gehörte seinerzeit zu den Pionieren des Trip Hop. 1995 fällt der Startschuss, nachdem die Gebrüder Godfrey, Ross und Paul, ihres Zeichens DJs und Produzenten, die sich in der Londoner Musik-Szene einen ersten Namen gemacht hatten, bei einer Party auf Sängerin Skye Edwards stoßen, die dort als Background-Sängerin einer Funk-Band zu hören ist. Ein match made in heaven: Skyes Vorliebe für Soul, Ross‘ Faible für Psychedelic Rock und Pauls Hang zum Hip Hop sind eine Mischung, die blendend funktioniert.
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Der große Mainstream-Hit gelingt der Band im Jahr 2000. „Rome Wasn’t Built In A Day“, eine sehr süffige Pop-Nummer, die leicht im Gehörgang haftet. Weil die Band sich mehr und mehr von ihren Wurzeln entfernt und immer weiter in Richtung Pop abdriftet, verlieren sie ihren Status als Kritikerlieblinge. Und auch die Spannungen in der Band nehmen zu: Nach einer großen Welttournee und einem Best-Of-Album verlässt Skye Edwards die Band im Jahr 2004. Kreative und persönliche Differenzen werden als Hauptgrund angegeben, angeblich erfährt Skye von ihrem Aus durch einen Anruf des Managers. Die Gute schlägt danach eine Solokarriere ein und widmet sich der Familiengründung.
Jetzt als Duo unterwegs
Nach zwei Morcheeba-Alben ohne Skye kehrt diese 2009 aber zurück, seither veröffentlicht die Band wieder in schöner Regelmäßigkeit neue Longplayer, auch wenn es natürlich nie ganz ohne Probleme geht. 2014 verlässt Paul Godfrey die Band, weil er sich mit seinem Bruder nicht mehr versteht. Eine Weile müssen Ross und Skye aus juristischen Gründen unter dem Namen Skye | Ross auflaufen. Hat sich mittlerweile aber zum Glück geklärt, heuer sind Skye und Ross (ohne Paul) wieder als Morcheeba unterwegs.
Mit „Escape The Chaos“ legt die Band nun ihr elftes Studioalbum vor. Darauf bleiben sich Morcheeba weitgehend treu, der Sound ist atmosphärisch, einnehmend, dreamy und vor allem: relaxt und damit ein willkommener Kontrapunkt zum Chaos, das in der Welt gerade so stattfindet. Die Bässe stehen mal wieder etwas mehr im Vordergrund, das hält die Sache frisch. Morcheeba klangen lange nicht mehr durch die Bank weg so gut.
Familienbande
Schon der Opener „Call For Love“, schön vintage Morcheeba, nimmt einen direkt gefangen. Ein Glanzlicht, ebenso wie das als Single veröffentlichte „We Live and Die“. „Für mich handelt ‚We Live and Die‘ von meiner Zeit in der Band, der Musikwelt und dem Leben im Allgemeinen“, sagt Skye Edwards über den Song. „Die Grenzen verschwimmen nach all dieser Zeit. In gewisser Weise ist es eine Hommage an die 30 Jahre, die ich Teil von Morcheeba bin, was 60 Prozent meiner Existenz ausmacht.“
Die Familie ist der Schlüssel zur Langlebigkeit der Band. Bei einer frühen Album-Session in Dublin wurden Ross und Skye von Skyes Sohn Jaega am Schlagzeug und ihrem Ehemann Steve Gordon am Bass unterstützt, die beide zu den Hauptakteuren ihrer Live-Band gehören. „Es fühlte sich wieder mehr die Aufnahmen von früher an, als wir diese Tracks aufnahmen“, sagt Ross. „Wir waren tatsächlich in einem Raum und haben die Songs zusammen gespielt.“
Den Spaß, den die Band bei den Aufnahmen hatte, hört man der Platte an. Bei „Pareidolia“ (mit Ross‘ Ehefrau Amanda Zamolo) glänzen die Psychedelic-Rock-Gitarren. Düster: „Bleeding Out“. Eingängig: „Elephant Clouds“. Nostalgisch: „Far We Come“, „Molten“. Zeitgeistig: „Peace of Mind“, bei dem Rapper Oscar #Worldpeace als Feature-Gast seinen Auftritt hat. Und bei „Dead To Me“ leisten sich Morcheeba dann doch sogar mal ein bisschen Wut. Aber irgendwie auf chillige Art und Weise.
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