Dominik Graf - Sein oder Spielen (foto: C.H. Beck)

Dominik Graf – Sein oder Spielen: Über Filmschauspielerei

Erscheinungsdatum
Mai 15, 2025
Verlag
C.H. Beck
Unsere Wertung
8

Dominik Graf hat deutsche Filmgeschichte maßgeblich mitgeschrieben. Mit „Sein oder Spielen: Über Filmschauspielerei“ legt der Regisseur nun ein Buch vor, eine Autobiografie, die gleichzeitig aber auch eine Geschichte des deutschen Films und eine Würdigung derer ist, mit denen Graf zusammengearbeitet hat.

Wenn Dominik Graf ein Buch über Filmschauspielerei schreibt, dann kann man sich gewiss sein, dass der Mann weiß, wovon er da spricht. Nicht nur, weil der Filmemacher aus München in den letzten vier Jahrzehnten mit den ganz großen Stars des deutschen Kinos, etwa Götz George, Matthias Brandt oder Martina Gedeck, zusammengearbeitet hat, sondern weil er selbst auch als Kind eines Schauspielers und einer Schauspielerin aufgewachsen ist. Der Mann kennt das Metier also aus dem Effeff und hatte auf eben dieses von Beginn an eine intime Perspektive. Bei ihm waren Beruf und Leben, Spiel und Wirklichkeit stets unauflöslich miteinander verquickt: „ein Kuddelmuddel“, wie er selbst im Vorwort seines Werks schreibt.

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Graf, Jahrgang 1952, selbst wollte nie Schauspieler werden. Sein Rolle hat er hinter der Kamera gefunden, als Drehbuchautor und als Regisseur, hierzulande ist er als solcher sicher einer der größten. seiner Zunft. Werke wie „Die Katze“ (1988, Kriminalfilm), „Im Angesicht des Verbrechens“ (2010, Serie) oder „Fabian“ (2021, Filmdrama) haben stilistisch Maßstäbe gesetzt und sind zu Leuchttürmen der deutschen Filmgeschichte avanciert: rasant und exzessiv gedreht, aber auch mit wunderbaren, nachwirkenden Bildern, ob im harten Polizei-Thriller, im Liebesdrama oder bei der Adaption historischer Stoffe. Graf hat mit den Großen des deutschen Films gedreht, klar, aber auch mit einer Reihe junger Talente.

Technisch, aber nicht akademisch

Sein Wissen teilt Graf einerseits als Professor für Spielfilmregie, aber auch das eine oder andere Buch hat er schon verfasst. Nun legt er mit „Sein oder Spielen: Über Filmschauspielerei“ direkt das Nächste vor. Darin benennt er nicht nur seine künstlerischen Einflüsse, sondern huldigt den Schauspielern, mit denen er zusammengearbeitet hat. Er beschreibt den „Zauber und den Schauder“, den Schau-Spiel bei ihm immer noch auslöse – und verrät, wie er hergestellt wird. Das ist sehr detailreich und oft auch technisch, und daher natürlich in erster Linie etwas für Filmliebhaber. Aber es ist wiederum auch nicht zu akademisch, weil Graf das Ganze mit viel Leben füllt: Schließlich hat er das Beschriebene selbst erlebt, hat in vorderster Reihe gestanden, wenn die echten Könner losgelegt haben. Die Leidenschaft für das Sujet dringt bei ihm aus jeder Zeile. Man will sich die Filme, die er erwähnt, am liebsten direkt anschauen.

Natürlich ist es spannend zu lesen, wie sich Graf einst weg vom Arthouse-Kino hin zu massenkompatibleren Stoffen, etwa dem „Tatort“ bewegt hat. Wie er die Natürlichkeit im Spiel seiner Schauspieler fordert und fördert. Wie die Amerikanisierung des deutschen Films einsetzte, irgendwann dann aber auch wieder verschwand. Es geht auch um das München der 1980er Jahre. Oder darum, wie die Wiedervereinigung die deutsche Filmlandschaft verändert hat,

Eine Ode an Götz George

Einer der Lieblingsschauspieler von Graf, das wird bei der Lektüre des Buchs schnell klar: Götz George. Mit ihm hat Graf gleich mehrfach gedreht. Neben „Die Katze“ etwa auch „Morlock“ und auch bei „Schimanski“. Ihn bezeichnet Graf als den letzten deutschen Superstar. Es sei ein Privileg gewesen, als damals junger Regisseur mit diesem „Malocher am Set“ (der oft auch die Dialoge seiner Kollegen auswendig kannte) zu seiner Prime-Time gearbeitet haben zu dürfen. George als Schimanski sei die „Definition einer anderen Generation gewesen“ und das Ende des „unmittelbaren Nachkriegsfernsehens“. „Endlich konnte man gemeinsam fröhlich ,Scheiße‘ zu dieser verfaulenden korrupten West-Republik sagen, und über die Abgründe der großindustriellen Verbrechen rheinauf- und rheinabwärts konnte man mit einem TV-Bullen beim Bier ,Oh, Mann!‘ seufzen.“ Die Fans sind damals ausgerastet, jeder Drehtag sei ein Popkonzert gewesen. Auch wenn es mal Zank gab. Und den gab es.

Graf wäre aber nicht Graf, als der er ja auch für seine Kompromisslosigkeit bekannt ist, wenn er nicht auch kritische Töne finden würde. So geht er zum einen selbstkritisch mit seinem Regie-Stil, seinen Ideen und Konzepten ins Gericht, seiner Angst vor dem Kontrollverlust, aber auch mit dem Status Quo des deutschen Films. Zwar ist Graf nicht der „Früher war alles besser“-Typ, doch gegenwärtig stört ihn beim deutschen Films viel. Vor allem, dass so viele darin mitmischen und mitreden wollen, und irgendwie vor allem die Besserwisser und Bedenkenträger.

Lesezeichen

Dominik Graf, Sein oder Spielen: Über Filmschauspielerei; C.H. Beck; München 2025; 391 Seiten.

8
Kenntnisreich und leidenschaftlich geschrieben.
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