Sie gelten als eine der einflussreichsten Bands des Neo-Prog-Rock: Die Briten von Marillion stricken seit 1979 an ihrer Legende. Am 28. Mai veröffentlich die Kapelle nun ein neues Live-Album “With Friends At St. David’s”, aufgenommen am 16. November 2019 in Cardiff.
Die Geschichte von Marillion ist komplex. Es gibt ein Davor und ein Danach. Das erste Kapitel handelt von einer 1979 im britischen Aylesbury gegründeten Band, die sich in den 1980er Jahren zu einer der einfluss- und erfolgreichsten Neo-Prog-Gruppen überhaupt aufgeschwungen hat. Mit der Ballade „Kayleigh“ gelang ihr ein Hit für die Ewigkeit. Aber mit diesem kam auch der Druck. Musikalische Differenzen innerhalb des Bandgefüges brachen sich Bahn und gipfelten im Ausstieg des Frontmanns. Fish verließ die Band 1988. Eine Zäsur, nicht nur personell, sondern auch musikalisch. Mit dem neuen Sänger Steve Hogarth schlug die Kapelle stilistisch nämlich eine neue Richtung ein, orientierte sich viel stärker am Mainstream-Geschmack. Aktiv ist sie bis heute und kann mittlerweile auf einen Katalog von 20 Alben verweisen.
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Dem umfangreichen Oeuvre fügt die Kapelle nun ein neues Live-Album hinzu. Und das kam so: Die Geschichte nimmt ihren Anfang in der Kooperation der Band mit “In Praise of Folly”, einem Streichquartett mit dem sie das Album “With Friends From The Orchestra” (2019 erschienen) aufnahmen. Unterstützt wurden sie dabei noch von Sam Morris (Horn) und Emma Halnan (Querflöte) und erschufen so ein beeindruckendes Album mit Neuinterpretationen von vielen geschätzten Marillion-Stücken. Im gleichen Jahr gingen Marillion mit diesen besonderen Songs auf Tour, fügten der Setlist sogar noch einige Highlights wie “Gaza” und “Zeperated Out” hinzu und präsentierten sich so in einem völlig neuen Licht.
Tour für die Ewigkeit konserviert
Wie „With Friends From The Orchestra“ auf der Bühne klang, kann man mit dem Live-Album „With Friends At St David’s“ nun an der heimischen Anlage nachvollziehen. Band, Streichquartett, Halnan, Morris – alle waren sie an diesem Abend im November in Cardiff wieder mit am Start. Für die Arrangements war Langzeit-Produzent Michael Hunter zuständig.
Auf der Setlist: Songs aus dem „Danach“, der Post-Fish-Phase. Also: kein „Kayleigh“, dafür aber jede Menge andere wunderbare Songperlen. Der epische Opener „Gaza“ (fast 19 Minuten Spielzeit) zieht einend direkt ins Geschehen, ein überaus cineastisches, schwermütiges Stück zum Nahost-Konflikt – geht unter die Haut. Nicht das einzige Stück, das – und das ist nicht negativ gemeint – ausufert: Auch für das kapitalismuskritische „The New Kings“ (knapp 17 Minuten), „The Strange Engine“ (knapp 18 Minuten) und „Ocean Cloud“ (knapp 19 Minuten) sollte man beim Hören möglichst ohne Folgetermine planen.
Keine Frage: Es war eine magische Nacht, die Marillion & Friends ihren Zuschauern in Cardiff bereiteten. Durchaus inspiriert (was bei der Zusammenarbeit von Rock-Bands und Orchestern ja auch nicht immer der Fall ist), farbenfroh – und der Verzicht auf die alten Klassiker war hier in Sachen Atmosphäre ebenfalls die richtige Entscheidung. Das Album wird das Warten auf das neue Studioalbum etwas verkürzen. Der Nachfolger vom Charterfolg “F*** Everyone And Run (F E A R)” wird von Marillion-Fans bereits sehnsüchtig erwartet.
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