Jazz lebt von Improvisation. Und in der Komik ist sie die Königsdisziplin. Helge Schneider beherrscht sie in beiden Welten. Der Komiker, Entertainer und Musiker aus dem Pott hat dies beim SWR Open Air am Technik-Museum Speyer mit der SWR Big Band am Sonntag eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Helge Schneider war beruhigt. „Das Wetter spielt mit“, gab der 69-Jährige erleichtert zu Protokoll, beinahe so als habe er allen Prognosen zum Trotz mit Schlimmerem gerechnet. „Nicht zu kalt heute, dabei habe ich mir extra noch meine Angora-Unterwäsche angezogen, um auf alles vorbereitet zu sein“, scherzte er trocken, so trocken, wie die Kehlen der meisten Zuhörer und Zuhörerinnen bei den 31 Grad, die am Sonntag in Speyer herrschten. Schon der Gedanke an diese Art von Textil trieb den einen oder anderen Zuhörer direkt wieder zum Ausschank.
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Helge Schneider wusste an diesem Abend nicht nur Petrus, sondern auch die SWR Big Band an seiner Seite. Für den Künstler aus dem Ruhrpott eine Premiere. Zum ersten Mal überhaupt trat der kreative Tausendsassa, der eben nicht nur ein erfolgreicher Komiker, sondern auch als Musiker ein echter Könner ist, mit einer Big Band auf. Und dann gleich mit einer, die im Laufe ihrer langen Existenz schon mehrfach für den Grammy nominiert war, dem wohl wichtigsten Musikpreis der Welt. Seit Jahren tritt die Band immer wieder mit ganz unterschiedlichen Dirigenten und Künstlern sowie verschiedensten Arrangements auf.
Ein Meister der Improvisation
Mit einem wie Helge Schneider, einem ausgewiesenen Meister der Improvisation, hat die Band seit ihrer Gründung im Jahr 1951 aber wohl eher selten zu tun gehabt. Wobei die größte Herausforderung für diese 17 Könner an ihren Instrumenten aber wohl gewesen sein dürfte, nicht in lautes Gelächter auszubrechen, wenn der legendäre Komiker mal wieder ansatzlos kalauerte und dem Organisten beispielsweise eine Live-Musiker-Karriere auf Sanifair-Toiletten andichtete.
Oder etwa, wenn er über seinen Song „Katzeklo“ (den es an diesem Abend gleich zweimal zu hören gab, einmal im Hauptset, einmal im Zugabenteil) als einen der schönsten Songs überhaupt anpries. Und einen der schwierigsten. „Darin steckt ein 2/4-Takt, also praktisch ein halber. Das ist ganz schwierig zu spielen und erforderte von den Musikern sechs Monate Probezeit, in den Katakomben des SWR in Stuttgart“, ulkte Schneider, der tatsächlich nur eine Probe mit den 17 Musiker-Kollegen hatte. An deren Spiel hatte der Künstler aus Mühlheim an der Ruhr sichtbar Spaß, er ließ seine Mitstreiter immer wieder mit ihren Soli glänzen und hatte daran ebenso viel Freude wie das Publikum.
Klamauk trifft Können
Zu hören gab es jede Menge Eigenkompositionen, neben dem erwähnten „Katzeklo“ etwa auch „Telefonmann“, „American Bypass“, „Der Boss“, „100.000 Rosen“ (Schneider: „Das Lied widme ich allen Frauen dieser Welt, auch den doofen.“) oder „Texas“. Etwas ernsthafter wurde es dann bei Stücken von Duke Ellington wie „Rockin’ in Rhythm“ oder „Sophisticated Lady“ (Schneider: „Den Song habe ich auf unzähligen Hochzeiten, Kündigungen, Beerdigungen und Scheidungen gespielt“.), wobei Schneider allzu lange ernste Phasen dann immer wieder durch ironischen, absichtlichen Dilettantismus oder kleine Klamauk-Einlagen unterbrach. Etwa wenn er zur Panflöte griff. Im Kontrast dazu wirkten die Einlagen, bei denen Schneider dann zeigte, was für ein grandioser Musiker er tatsächlich selbst ist, dann umso eindrucksvoller, egal ober er ins Saxofon blies oder in die Tasten griff.
Seine Kollegen auf der Bühne genderte Schneider konsequent. Umso bemerkenswerter, da es keine einzige Frau in den Reihen der Big Band gab. Ein Umstand, der auch Schneider auffiel: „Die Kollegen sagen, bisher habe sich keine beworben. Also, nur zu, traut euch! Die Jungs sind nicht so gefährlich wie sie aussehen.“
Nach knapp zwei Stunden (eine 30-minütige Pause gab es auch) war die Party dann vorbei. Das Publikum wurde nicht nur mit guten Gags, sondern auch grandioser Musik unterhalten – und hätte gern mehr als die zwei Zugaben am Ende vom Meister erhalten. Wer aber nicht genug von Helge bekommen kann, dem sei seine aktuelle Film-Autobiografie ans Herz gelegt, die am Montag beim Filmfest in München Premiere feierte, wohin Schneider von Speyer aus weiterzog. In „Der Klimperclown“ blickt er auf seine Jahrzehnte währende Karriere zurück. Dass das nicht mit konventionellen Mitteln geschieht, dürfte klar sein. Schon der Trailer auf YouTube lässt Großes erahnen. Ein Nutzer kommentierte: „Kriegste mit keiner KI der Welt niemals nicht hin.“ Irgendwie tröstlich.
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