Klingt wieder frisch wie am ersten Tag: Ideal bringen ihr selbstbetiteltes 1980er-Debütalbum im „2025 Mix“ zurück. Eine Gelegenheit, sich diesen NDW-Klassiker mal wieder zu Gemüte zu führen.
Wer an deutschen Pop in den 1980er Jahren denkt, kommt an der Neuen Deutschen Welle nicht vorbei. Im Untergrund schwappte diese schon seit 1976, von der breiten Öffentlichkeit allerdings noch unbemerkt, als Antwort auf die britische Punk- und New-Wave-Musik. Weil die deutsche Sprache aber so ihre Eigenheiten hat, entwickelte sich mit der Zeit ein ganz eigener Stil, ein ganz eigener Ausdruck. War die NDW zunächst ziemlich umkommerziell, änderte sich das, als Bands wie Extrabreit, DAF oder Fehlfarben auf der Bildfläche erschienen. Und eben Ideal.
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Ideal gründeten sich 1980 in West-Berlin. Annette Humpe (die schon mit Schwester Inga bei den Neonbabies NDW-Luft schnupperte) schloss sich damals mit Ernst Ulrich Deuker (Bass/Gesang), Frank Jürgen Krüger (Gitarre/Gesang) und Hans-Joachim Behrendt zusammen. Die Namensgebung findet demokratisch statt, abzustimmen ist zwischen den Band-Namen Optimal, Deutsche Bundesband und, klar, Ideal. Nach nur wenigen Wochen im Proberaum ging es direkt ins Studio. Im Wilmersdorfer „Beat-Studio“, einem vom Berliner Senat geförderten Studio, nahm die Band die Lieder „Wir stehen auf Berlin“ und „Männer gibt’s wie Sand am Meer“ auf (letzteres ein Cover eines Schlagers aus den 1950er Jahren). Auf dem bandeigenen Indie-Label Eitel-Imperial ließ die Kapelle von 1000 Platten pressen. Eine kleine Auflage, die aber schnell vergriffen war.
Von Rosa von Praunheim vom Fleck weg engagiert
Dass die Band kein Geheimtipp bleibt, liegt unter anderem daran, dass sie bei einem Gig als Vorgruppe von Barclay James Harvest von Regisseur Rosa von Praunheim entdeckt wird, der von der Gruppe so begeistert war, dass er sie für die Filmmusik zu seinem Streifen „Rote Liebe“ verpflichtete. In Folge hatte die Band dann auch endlich Glück bei einem „echten“ Label. Der Entdecker von Ideal, Klaus D. Mueller, diente die Band dem legendären Klaus Schulze an, einem der Wegbereiter elektronischer Musik in Deutschland. Schulze hatte im Jahr 1978 das Label Innovative Communication gegründet und nahm Ideal unter Vertrag, wo er ihnen alle künstlerische Freiheiten ließ. Ein Segen für die Combo.
Auf „IC“ erschien dann im November 1980 die erste LP der Band: „Ideal“. Die Platte war gleich ein Statement. Denn so etwas hatte es in Deutschland bis dato nicht gegeben. Die Band verstand es hier, New Wave und Punk mit Pop und ja, sind wir ehrlich, Schlager zu vermählen. Der Sound, für den Produzent Klaus Dieter Müller mitverantwortlich zeichnet, ist gleichzeitig scharf und kühl, eine Mischung aus „Distanz und Ekstaste“ (wie der österreichische „Standard“ treffend schrieb) und damit eine deutliche Abkehr vom Rock-Sound der 1970er Jahre, wie man ihn in der BRD bis dato kannte. Und anders als etwa Nina Hagen, die die musikalische Revolution in Deutschland mit als Erste anzettelte, war die Band dabei trotzdem noch sehr melodiös unterwegs.
„Blaue Augen“ strahlen hell
Das Album ist ein kreatives Feuerwerk. Klar, „Blaue Augen“ ist hier der alles überstrahlende Hit, die Refrainzeile „Deine blauen Augen machen mich so sentimental“ kannte damals jedes Kind. Die Nummer hatte Humpe eigentlich für die Neonbabies vorgesehen. Ein Song, der fest zum Soundtrack der 1980er Jahre in der BRD gehört. Doch er ist nicht die einzige Perle auf der Platte. Da ist etwa auch das hektische „Berlin“, diese wie die Faust aufs Auge passende Ode an die geteilte Großstadt. Die ultimative Berlin-Hymne, besser hat noch kein Song den Vibe dieser Stadt eingefangen.
„Irre“: der Wahnsinn. „Telepathie“ ist abseitig, und auch dank des Sprechgesangs von Eff Jot Krüger schön schaurig. Auf dem schrägen „Hundsgemein“ übernimmt der Gute dann auch wieder die Vocals und kotzt sich dabei so wunderbar klingend aus, wie nur er es kann. Zukunftsangst klang derweil nie so poppig wie auf „Da leg‘ ich mich doch lieber hin“. Und da haben wir über das schneidend ironische, düstere „Luxus“ (dieses Drum-Intro!) oder „Rote Liebe“ (Humpe in Top-Form) noch gar nicht gesprochen. Ausreißer nach unten gibt es nur zwei, beide sind etwas zu vertrackt geraten: „Telephon“ macht einem überdies durch das missglückte Intro das Leben schwer. Und auch „Roter Rolls Royce“ ist eher mittelprächtig.
Für die Neuveröffentlichung wurden nun die originalen Mehrspurbänder digitalisiert und von Produzent Moritz Enders (Kraftklub, Casper) mit frischem Ohr neu abgemischt. Das Ergebnis? So klar, druckvoll und nah dran, als hätten Ideal das Album gestern aufgenommen – nur eben mit dem analogen Zauber von damals. Denn für den neuen Mix kam ausschließlich Technik zum Einsatz, die bereits 1980 zur Verfügung stand. Der Sound ist also nicht einfach nur neu – sondern neu gedacht im Geist der alten Zeit.
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